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Kommentar AntiamerikanismusStärke zeigen im Endspurt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die Angriffe auf US-amerikanische Einrichtungen bringen die Außenpolitik in den Wahlkampf. Für Obama kann das gut sein. Oder schlecht.

N icht einmal zwei Monate vor der US-Präsidentschaftswahl drängen immer mehr Faktoren in den US-amerikanischen Wahlkampf, die von Kampagnenplanern nicht zu steuern sind. Im Innern zwingt der andauernde Streik der Lehrer in Barack Obamas Heimatstadt Chicago den Präsidenten in einen Loyalitätskonflikt zwischen den mit ihm verbündeten Gewerkschaften und seinem ehemaligen Stabschef Rahm Emanuel, dem Bürgermeister Chicagos.

Außenpolitisch stellen die Angriffe auf US-Einrichtungen sowie die harsche Kritik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu an Obamas Iranpolitik den Präsidenten auf die Probe.

Dass Außenpolitik plötzlich eine Rolle spielt, kann für einen amtierenden Präsidenten gut oder schlecht sein: Einerseits gibt es die US-Tradition, angesichts externer Bedrohungen hinter dem Amtsinhaber zusammenzurücken. Andererseits birgt ein wirklich nachhaltig gestörtes Verhältnis zur israelischen Regierung, womöglich gepaart mit dem – falschen – Eindruck eines gegenüber der islamischen Welt schwachen Präsidenten die Gefahr, kritische Stimmen der jüdischen Wählerschaft zu verlieren.

taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Das wiederum könnte reichen, um Floridas 29 Wahlmänner an Romney zu verlieren – und ohne die ist die Präsidentschaft kaum zu holen. Nicht wenige glauben, dass genau das auch das eigentliche Ziel von Netanjahus Attacken ist.

Die konservativen US-Medien stellen die Anti-US-Proteste in Kairo, Libyen und Jemen schon jetzt überzogen als „Flächenbrand“ dar – und interpretieren sie als Ergebnis von Obamas „Schwäche“.

Es ist Obamas Glück, dass sich sein Herausforderer Romney so ungeschickt verhält. Statt mit staatstragender Miene die Angriffe zu verurteilen und dem Präsidenten seine Unterstützung zu versichern, kritisierte Romney die angebliche „Entschuldigung“ der Regierung gegenüber den Demonstranten. Das war nicht nur Unsinn, sondern Parteipolitik in einem Moment, in dem Patriotismus erwartet wird – ein Angriff mit Eigentor.

Allerdings: Vieles spricht dafür, dass der außenpolitische Druck sich bis zur Wahl verschärfen wird. Aber in der heißen Phase eines US-Wahlkampfs verschiebt sich die Handlungslogik in Washington gern zugunsten kurzfristiger Punktgewinne. Ob und wie sich Obama dabei bewährt, dürfte über mehr entscheiden als nur über seine zweite Amtszeit – womöglich über Krieg und Frieden.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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3 Kommentare

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  • G
    Günter

    @vic

     

    Die Deutschen werden es Amerika niemals verzeihen, dass die Amerikaner sie von den Nazis befreit haben.

     

     

    Erfreuen Sie sich doch lieber gemeinsam mit mir daran:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=KrOeGWMQAfQ&feature=related

  • R
    Ralph

    Was sich förmlich aufdrängt: scheinbar jedes Mal, wenn eine Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten ansteht, gibt's ein "außenpolitisches Problem". Zufall? Kalkül? Wer weiß?

     

    Ich hab ein ganz paar Freunde und Bekannte in den U S of A; die meisten von ihnen sind resigniert ob der Wahl zwischen "schlimm" und "noch schlimmer".

     

    Amerikafeindlich? Dem Volk gegenüber: natürlich nicht. Aber der Institution "US-Amerikanischer Staat"? Durchaus.

     

    Ganz ähnlich wie hier zu Hause übrigens.

  • V
    vic

    Wer sich so viele Feinde macht wie die USA, darf sich nicht wundern, wenn er viele Feinde hat.

    War das jetzt amerikafeindlich?

    Meinetwegen.