Korruption im Gandhi-Clan: Angriff auf das Herrscherhaus
Eine neue Antikorruptionspartei erschüttert die Verhältnisse in der Herrscherfamilie. Die Reformversuche der Regierung verblassen.
DELHI taz | Ein Außenseiter macht in Indien Furore. Er legt sich mit den Allermächtigsten an. Keine indische Tageszeitung, auf der an diesem Morgen nicht das Bild des Sozialarbeiters Arvind Kejriwal prangt.
Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage stand der schmächtige, schnauzbärtige Kejriwal am Abend zuvor vor einer Wand aus Kameras, um neue Geheimnisse über die korrupten Machenschaften von Robert Vadra, dem Schwiegersohn der regierenden Gandhi-Familie, rauszurücken.
Ganz Indien scheint derzeit auf den 42-jährigen, ehemaligen Steuerbeamten zu hören. Der ist im Grunde ein Typ der alten Schule Mahatma Gandhis. Vor vielen Jahren gab Kejriwal seinen Regierungsjob als Steuerbeamter auf, um für die Rechte der armen Bevölkerung zu kämpfen.
An diesem Wochenende rief er zum Boykott der Elektrizitätsrechnungen in Delhi auf und ließ sich filmen, wie er einen Armen-Haushalt mit einer selbstgebastelten Leitung illegal ans Stromnetz anschloss. „Mich sollen sie dafür verhaften“, sagte Kejriwal.
Das kommt an bei den Leuten
Das gefällt den Leuten. Denn sie haben kein Vertrauen in den Staat mehr. Stromrechnungen schnellen unangekündigt in die Höhe. Die Inflationsrate ist fast zweistellig. Gerade hat die Regierung Dieselbenzin- und Kochgassubventionen gestrichen. Und jetzt auch noch das: Korruption im Hause Gandhi.
Kejriwal hatte seine Attacke gegen das Herrscherhaus gut vorbereitet. Bisher war er stets der zweite Mann gewesen, der in der Öffentlichkeit hinter dem alten Bauernführer Anna Hazare stand. Hazare hatte im vergangenen Jahr mit seinen Fastenaktionen für ein neues Anti-Korruptionsgesetz ganz Indien bewegt. Doch bisher erfolglos. Das Parlament zerstritt sich, das von allen Parteien versprochene Gesetz kam nie zu Stande.
Deshalb will Kejriwal heute im Gegensatz zu Hazare in die Politik einsteigen. Der bisherige Adjudant kündigte vor kurzem die Gründung einer neuen Anti-Korruptionspartei unter seiner Führung an. Die Gründe für die neue Partei lieferte er mit seiner Anklage gegen die Gandhis. Endlich müsse es einer wagen, gegen die Korruption auf allen Ebenen, auch an der Staatsspitze vorzugehen.
Glückloser Gandhi
Die Gandhis stehen nun schlecht da. Mehrere unabhängige Medien, sogar der seriöse Hindu und die sonst regierungsnahe, größte englische Tageszeitung der Welt Times of India, haben sich bereits hinter die Forderungen Kejriwals nach einer Offenlegung der Geschäftsverhältnisse Vadras gestellt. Vadra ist der Ehemann der populären Gandhi-Tochter Priyanka, die als heimliche Hoffnungsträgerin der regierenden Kongresspartei hinter ihrem bislang glücklosen Bruder Rahul agiert.
Vadras Schwiegermutter Sonia Gandhi führt seit 1999 die Partei und gilt als mächtigste Person in Indien. Das alles aber hinderte Vadra offenbar nicht, ungeniert Geschenke des großen Immobilienkonzerns DLF einzustecken. Schon 2007 soll DLF Vadra einen zinslosen Kredit zum Einstieg ins Immobiliengeschäft gewährt haben. Später überließ der Konzern Vadra offenbar ein dutzend Objekte zu Preisen weit unter Marktwert. Im Gegenzug erhielt DLF nach Darstellung Kejriwals großzügige Landkaufrechte im Bundesstaat Haryana, der von der Kongresspartei regiert wird.
Zeitweise war Vadras Firma sogar an den Landkäufen von DLF beteiligt, zeigen Dokumente. „Früher gab es Waterloo, jetzt ist es Vadra-loo. Das Haus der Kongressführerin ist heute ein Platz für Immobiliengeschäfte“, kommentierte der Oppositionspolitiker Mukhtar Abbas Naqvi die Enthüllungen Kejriwals.
Damit aber geraten auch die marktliberalen Reformen in den Hintergrund, mit denen die Kongresspartei in diesem Herbst versucht, wieder Oberwasser im Skandalsumpf zu gewinnen.
Maßnahmen zu spät
Neue ausländische Supermärkte soll Indien bekommen, ausländische Firmen dürfen in Zukunft auch vermehrt in Fluglinien und Versicherungen investieren. Ein neues Landgesetz soll die schnellere Industrialisierung ermöglichen. Damit soll der Wirtschaftswachstum, der zuletzt auf 5 Prozent gefallen war, wieder angeschoben werden.
Doch viele glauben, die Maßnahmen kommen zu spät. Zwar zweifeln nur wenige Ökonomen, dass Indien weitere Liberalisierungsmaßnahmen in den nach wie vor von Staatsfirmen dominierten Branchen bedarf. Beispiel: Kohleindustrie und Getreidevertrieb. Doch laut Kerjiwal sind die Hände der Regierenden schmutzig. „Sie haben alles verkauft – Kohleminen, Telekomrechte, Berge sogar einen Fluss“, sagte er. Seine neue Partei soll nun „die Macht ans Volk zurückgeben.“
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