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Rücktritt des BBC-Chefs Entwistle54 Tage Generaldirektor

Nach dem Rücktriit des BBC-Chefs: Entwistle sei von „Versagern und Feiglingen“ zu Fall gebracht worden, sagt BBC-Moderator Jeremy Paxman.

Benötigt dringend eine Radikalüberholung: die BBC. Bild: dapd

DUBLIN taz | 23 lange Jahre hatte sich George Entwistle bis zu diesem Posten hochgearbeitet. Im September war er endlich am Ziel: Generaldirektor der ehrwürdigen BBC. Nach 54 Tagen in diesem Amt ist alles schon wieder vorbei, und die BBC steckt in der schwersten Krise seit ihrer Gründung vor 90 Jahren. Entwistle ist am Samstagabend zurückgetreten.

Er zog damit die Konsequenzen aus einem „Newsnight“-Bericht, in dem ein ehemaliger Tory-Politiker fälschlicherweise des Kindesmissbrauchs beschuldigt wurde. „In Anbetracht der Tatsache, dass der Generaldirektor auch der Chefredakteur und damit verantwortlich für den gesamten Programminhalt ist, und in Anbetracht des inakzeptablen journalistischen Niveaus des „Newsnight“-Beitrags vom 2. November habe ich entschieden, dass es das Ehrenhafteste ist, von meinem Posten zurückzutreten“, sagte Entwistle.

In dem „Newsnight“-Beitrag ging es um Kindesmissbrauch in einem walisischen Kinderheim in Wrexham in den 70er Jahren. Darin beschuldigte Steve Messham, eines der Opfer, als Kind von einem „hochrangigen Tory-Politiker“ vergewaltigt worden zu sein. Zwar nannte er keinen Namen, aber seine Beschreibung ließ keinen Zweifel daran, wen er meinte: Lord Alistair McAlpine, den früheren Schatzmeister der konservativen Partei. Nur Minuten nach der Ausstrahlung des Programms kursierte der Name im Internet.

Entwistle hat keine Ahnung

McAlpine bestritt vehement, jemals in dem betreffenden Kinderheim gewesen zu sein. Messham nahm seine Aussage prompt zurück und entschuldigte sich. Von alldem hatte Entwistle peinlicherweise keine Ahnung, als er am Samstag von John Humphrys für BBC Radio 4 interviewt wurde. Er habe weder die „Newsnight“-Sendung gesehen, so stellte sich heraus, noch den Guardian-Artikel gelesen, in dem berichtet wurde, dass Messham wahrscheinlich den Täter verwechselt hatte.

Entwistle, früher selbst Chefredakteur von „Newsnight“, stand bereits vor diesem Fall in der Kritik, weil er die Ausstrahlung eines anderen „Newsnight“-Beitrags im Dezember 2011 verhindert haben soll. Darin ging es um den voriges Jahr verstorbenen Moderator Jimmy Savile, einen der bekanntesten britischen Fernsehstars, der über Jahre hinweg mehr als 300 Kinder und Jugendliche missbraucht haben soll. Doch statt des Beitrags über den möglichen Missbrauch strahlte die BBC zur Weihnachtszeit mehrere Savile-Beweihräucherungen aus.

Erst als andere Medien über die Vorwürfe gegen Savile berichteten, zog die BBC nach und muss sich nun gegen Vertuschungsvorwürfe wehren. Der Skandal könnte sich ausweiten, denn Saviles Taten waren in der BBC offenbar bekannt. Die Savile-Opfer sind davon überzeugt, dass es in den 70er und 80er Jahren einen organisierten Pädophilen-Ring bei der BBC gab.

Gleich drei Untersuchungen sollten Licht in die Angelegenheit bringen, nun gibt es gar eine vierte: Als letzte Amtshandlung hat Entwistle den Direktor der schottischen BBC, Ken McQuarrie, beauftragt herauszufinden, wie es zu den falschen Beschuldigungen gegen McAlpine kommen konnte.

Christopher Bland, der ehemalige Aufsichtsrat der BBC, sagte, der Sender müsse „in aller Ruhe analysieren, was schiefgelaufen“ sei. Er finde es unglaublich, dass die „Newsnight“-Produzenten grundlegende Recherche-Regeln missachtet und weder McAlpine zu den Vorwürfen befragt noch Messham ein Foto des Tory-Politikers gezeigt haben.

Mehr als in Chinas KP

Jeremy Paxman, der Veteran unter den „Newsnight“-Moderatoren, sagte, Entwistle sei von „Feiglingen und Versagern zu Fall gebracht“ worden. Die BBC habe „Budgets gekürzt, fügsame Leute eingestellt und das Management aufgeblasen“. Bei dem Sender arbeiten mehr als 100 Topmanager – „mehr als in der chinesischen kommunistischen Partei“, wie Chris Patten sagte.

Er war der letzte Gouverneur von Hongkong, heute ist er Vorsitzender des BBC Trust, was in etwa dem deutschen Rundfunkrat entspricht. Patten gab in einem Interview am Samstag zu, er sei vorab darüber informiert worden, dass „Newsnight“ einen ehemaligen Tory-Politiker als Pädophilen enthüllen würde. Er habe aber nicht weiter nachgefragt. An Rücktritt denke er nicht.

Andere Leute, und nicht nur die Produzenten des „Newsnight“-Berichts, werden dagegen in den kommenden Tagen gehen müssen. Die BBC benötige „eine gründliche, radikale strukturelle Generalüberholung“, sagte Patten. Er hoffe, innerhalb der nächsten Wochen einen geeigneten Nachfolger für Entwistle zu finden. Bis dahin wird Tim Davie, der Musikdirektor der BBC, den Posten kommissarisch übernehmen. Er hat keinerlei journalistische Erfahrungen.

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