piwik no script img

Bambi 2012Kein Integrationspreis für Bushido

Bei der Bambi-Verleihung wurden am Donnerstag der Rabbiner Daniel Alter und die Schwester des in Berlin getöteten 20-jährigen Johnny K. für ihr Engagement geehrt.

... dafür für Tina K., die Schwester des in Berlin getöteten Johnny K., die sich gegen Gewalt einsetzt. Bild: dapd

DÜSSELDORF/BERLIN dpa | Die Bambi-Gala war schon fast zu Ende, als doch noch eine Trophäe überreicht wurde. Altmeister Joachim Fuchsberger hatte gerade die Kitz-Statue für sein Lebenswerk bekommen. Dann wurde seine Frau Gundel auch noch als Preisträgerin ausgerufen. „Du nennst sie die Regierung, aber in Wahrheit ist sie Deine Frau“, erklärte Laudator Jan Josef Liefers vor einem Millionenpublikum. Und Gundel Fuchsberger kam dann doch noch widerstrebend auf die Bühne und nahm die Ehrung entgegen.

Die 64. Verleihung des Medienpreises Bambi bot neben all dem Glamour mit rund tausend festlich gekleideten Gästen auch nachdenkliche Szenen. Neben dem „Weltraumspringer“ Felix Baumgartner oder Hollywood-Schönheit Salma Hayek wurden zwei Gewaltopfer aus Berlin ausgezeichnet. In der Kategorie „Integration“ bekam der Rabbiner Daniel Alter ein Bambi.

Der 53-Jährige ist seit kurzem Antisemitismus-Beauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er war im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Friedenau vor den Augen seiner Tochter von mehreren Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Er trug eine Kippa, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung. Im vergangenen Jahr war der Integrations-Bambi an den Rapper Bushido gegangen. Daran hatte sich ein heftiger Streit entzündet. Ihm war Frauen- und Schwulenfeindlichkeit vorgeworfen worden.

Auch die Schwester des in Berlin getöteten 20-jährigen Johnny K. wurde am Donnerstagabend in Düsseldorf für ihr Engagement gegen Gewalt ausgezeichnet. Tina K. rief bei der Bambi-Verleihung zu Zivilcourage und dem Einstehen gegen Gewalt auf. Ihr Bruder Jonny K. war am 14. Oktober auf dem Berliner Alexanderplatz von mehreren jungen Männern verprügelt worden. Einen Tag später starb er an den Folgen seiner Kopfverletzungen.

Zum Gedenken an ihren Bruder will sie eine Stiftung ins Leben rufen. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) gratulierte Tina K.:„Ich bin beeindruckt, wie versöhnlich und gleichzeitig entschieden sie gegen Jugendgewalt auftritt. Tina K. tut unserer Gesellschaft gut.“

Lepra-Ärztin wird geehrt

Nicht weniger bewegte der Auftritt einer 83 Jahre alten Lepra-Ärztin. Die deutsche Nonne Ruth Pfau erhielt die Trophäe in der Kategorie „Stille Helden“ und bekam stehende Ovationen. Sie hilft seit Jahrzehnten Leprakranken in Pakistan. Und tatsächlich wurde es bei den rund tausend festlich gekleideten Gästen im Düsseldorfer Congress Center ganz leise, als Ruth Pfau auf die Bühne trat.

Die Boyband One Direction hatte schon vor Beginn der dreieinhalbstündigen Show für Aufruhr gesorgt. Vor dem Düsseldorfer Congress Centrum hatten Hunderte junge Fans ein Kreischkonzert angestimmt. Die fünf Jungs wurden in der Sparte „Pop International“ mit dem ältesten deutschen Medienpreis ausgezeichnet.

Beste Schauspielerin: Alina Levshin

Das „Entertainment“-Bambi ging an die kanadische Sängerin Céline Dion, die den Abend eröffnete. Alina Levshin wurde als beste Schauspielerin national geehrt. Im Neonazi-Drama „Kriegerin“ spielte Levshin, die 1984 in der Ukraine zur Welt kam und in Berlin aufwuchs, ihre erste Kino-Hauptrolle. Bei den männlichen Schauspielern gewann Ulrich Tukur. Er war zuletzt in der Rolle des den legendären Generalfeldmarschalls Erwin Rommel zu sehen.

Der „Talent“-Bambi ging an die erst siebenjährige Mercan-Fatima Türkoglu. Sie hatte eine große Rolle an der Seite von Elmar Wepper im Spielfilm „Dreiviertelmond“. Nachdem sie die 2,5 Kilogramm schwere Trophäe bekommen hatte, bedankte sie sich brav – bei ihrer Mama, ihrer Schule und einer Lehrerin. In der Kategorie „Film national“ konnte sich „Türkisch für Anfänger“ durchsetzen.

Der Bambi ist der älteste und einer der wichtigsten deutschen Medienpreise und wird von Hubert Burda Media vergeben. Im vorigen Jahr hatten sechs Millionen Zuschauer die Gala an den Bildschirmen verfolgt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • M
    Mario

    Der Preis für die Schwester ist völlig daneben. Ihre mannigfaltigen Beiträge in den Talkshows waren weder integrationsfördernd noch neutral.

     

    In Essen durfte ich live miterleben wie im November 2011 ein 18 jähriger Rechtsextremer einen anderen jungen Deutschen erstochen und einen Deutschtürken lebensgefährlich verletzt hat. Der Nazi auf wohl auf Drogen und kam glimpflich davon. In den überregionalen Medien wurde dieser Fall nie erwähnt. Wäre der Täter aber ein Migrant gewesen, dann wäre der Sachverhalt hundertprozentig anders behandelt worden.