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Kommentar AtomenergieEnergiewende vorleben

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Was bringt unser feiner Atomausstieg, wenn in den Nachbarländern die Meiler weiterlaufen? Es hilft aber nichts, sie belehren zu wollen.

Der wichtigste deutsche Beitrag zum gesamteuropäischen Atomausstieg wäre aber eine gelungene Energiewende. Bild: dapd

E s ist ein Irrsinn. Jeder kleine Gartenbesitzer sollte seine Nachbarn um Erlaubnis fragen, wenn er einen größeren Schuppen bauen will. Der könnte ja die Aussicht stören und zu Klagen führen. Gleichzeitig darf jedes Land weiter direkt an seinen Grenzen einfach so Atomkraftwerke hinstellen, auch in der EU.

Und das, obwohl die Reaktoren im Schadensfall je nach Windrichtung auch die Menschen in den Nachbarländern existenziell bedrohen. Niemand kann etwa die Tschechen daran hindern, ihrem Pannenkraftwerk Temelín zwei weitere hinzuzufügen. Entfernung nach Deutschland: 60, nach Österreich 50 Kilometer.

Da fragt man sich als besorgter Bürger: Muss das einfach hingenommen werden? Was bringt unser feiner Atomausstieg, wenn ringsum die Meiler weiterlaufen? Kann unsere Regierung da nichts tun? Leider wenig. Die Deutschen haben schließlich früher auch nicht nachgefragt, ob es die atomfreien Österreicher stören würde, wenn die Kraftwerke Isar I und II ihr schönes Tirol verstrahlen.

taz
LUKAS WALLRAFF

ist Redakteur im Ressort taz.eins.

Hilft also nur beten, dass nichts passiert? Und was sollen dann Atheisten tun? Jedenfalls nicht auf die EU hoffen. Im Gegenteil: Würde man zur Zukunft der Atomkraft europaweite Regeln ausverhandeln, wäre der kleinste gemeinsame Nenner eher ein Ausstieg im Jahr 2095 als der deutsche Ausstiegsplan. Die „German Angst“ vor der Atomkraft ist für viele Europäer auch nach Fukushima noch ein Fremdwort. Aber nicht für alle. Und hier kann man ansetzen: So hat der gemeinsame Protest deutscher und französischer Aktivisten ein klein wenig dazu beigetragen, dass das Uraltkraftwerk Fessenheim am Rhein 2016 abgeschaltet wird.

Der wichtigste deutsche Beitrag zum gesamteuropäischen Atomausstieg wäre aber eine gelungene Energiewende im eigenen Land. Die Deutschen sollten ihre Nachbarn nicht wieder belehren, sondern einfach den Beweis erbringen, dass ein Industrieland gut ohne Atomenergie auskommen kann. Auch daran möge man denken, bevor man sich zu sehr über die nächste Strompreissteigerung um 2,50 Euro im Monat aufregt.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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6 Kommentare

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  • B
    Bikini-Atoll

    Deutschland muss alle Atomkraftwerke abschalten. Auch den Forschungsreaktor in Berlin Wannsee. Wenn auf den ein Flugzeug stürzt und auf das dort vorhandene Zwischenlager, dann müssen wohl alle BerlinerInnen evakuiert werden.

     

    Und ob das rechtzeitig klappt, bei den schlechten Katastrophenplänen?

     

    Und danach strahlt es ja weiter. Je nach Windrichtung.

     

    Wegen der steigenden Stromkosten:

    Da müssen die von den Stromkosten befreiten Unternehmen überprüft werden. Die, die nicht energieintensiv sind müssen die Befreiung von den Stromkosten verlieren, die die Bundesregierung ihnen geschenkt hat und die wir kleinen BürgerInnen bezahlen.

     

    Gleichzeitig sollte Deutschland versuchen, atomverrückten Nachbarländern ein gutes Beispiel zu geben, in dem es z.B. mit regenerativer Energietechnologie einen Haufen Geld macht. - Sonst machen es die Chinesen.

  • F
    Franz

    Schon, aber lieber ein AKW im Ausland als in Dtl.

    Der GAU in Tschernobyl u. die drei GAUs in Fukushima zeigen daß die Sperrzone um die 30km ums AKW liegt.

    Also besser ein Halbkreis als ein kompletter Kreis um den GAU wo die Menschen vertrieben werden.

    Im Fall Tschechiens muß man auf die häufigen Winde aus West hoffen u. bei Fessenheim daß tats. bald abgeschaltet wird.

  • A
    anke

    @vic:

    Einen Grund hast du vergessen. Die Dividenden müssen auch ständig steigen. Und zwar so schnell, dass, wer zu viel Geld hat, eher in Strom investiert als in andere Dinge. Darüber redet leider niemand im Moment. Ich nehme an, das hat damit zu tun, dass eine Menge Leute ihr Erspartes entsprechend angelegt haben. Und wer kehrt schon gerne vor der eigenen Tür?

  • M
    mike

    Der Atomausstig in Deutschland ist der Fehler,

    Gott sei dank einer mit dem man ja nicht immer wird leben müssen, wenn der erste Blackout da ist, und die schnen umweltbewegten keinen Cafe Latte mehr kochen können weil ihre Automaten mit Strom laufen , dann wird auch Ihnen die Erkenntnis kommen, wer nicht hören will muss fühlen. Und beim Cafe Latte hört der Spass für die Ökospiesser auf. Wer jetzt wieder mit der Endlagerfrage kommt, der sollte sich mal mit Transmutation beschäftigen. Google hilft der weiter.

  • V
    vic

    Wg. aufregen über die Strompreiserhöhung. Der Hauptgund für die Erhöhung sind steigende Netzentgelte bei fallenden Strom- Einkaufspreisen, sowie viel zu zahlreiche Befreiungen von der EEG-Umlage.

    Und:

    Sollen wir Mist bauen, nur weil`s andere auch tun?

    Atomkraft weil Frankreich, Tschechien u.A. darauf setzen?

    Luft verschmutzen weil China es tut?

    Ich sage- NEIN

  • V
    vic

    Wg. aufregen über die Strompreiserhöhung. Der Hauptgund für die Erhöhung sind steigende Netzentgelte bei fallenden Strom- Einkaufspreisen, sowie viel zu zahlreiche Befreiungen von der EEG-Umlage.

    Und:

    Sollen wir Mist bauen, nur weil`s andere auch tun?

    Atomkraft weil Frankreich, Tschechien u.A. darauf setzen?

    Luft verschmutzen weil China es tut?

    Ich sage NEIN.