Häuserkampf in Hamburg: Sperrbezirk für Hausbesetzer
Die Hamburger Polizei versucht mit Aufenthaltsverboten engagierte Bürger von einer historischen Villa fernzuhalten. Diese wollen einen Stadtteiltreff errichten.
HAMBURG taz | Die Villa Behnke ist einmal ein Prunkstück in Hamburg-Horn gewesen und eines der wenigen Gebäude, was die Bombardements im Zweiten Weltkrieg überstand. Doch in den letzten zwölf Jahren hat die Stadt das Haus an der Horner Landstraße 369 leer stehen und verrotten lassen. Neuerdings ist das Gebäude von einem Sperrgebiet umgeben – zumindest für zwei Leute, die die 130 Jahre alte Villa retten wollen und das Gebäude am 3. November besetzten.
Die Polizei erteilte ihnen am 16. November ein Aufenthaltsverbot für die Straßen rund um die Villa bis zum 16. Mai kommendes Jahres. Bei einem Verstoß droht beiden ein Zwangsgeld und Erzwingungshaft oder zehn Tage polizeilicher Gewahrsam.
Die Anwältin der beiden, Ingrid Witte-Rhode, hat am Montag gegen die Aufenthaltsverbots-Verfügung Widerspruch eingelegt und der Polizei ein Ultimatum bis Freitag gestellt, die Verfügung außer Vollzug zu setzen, bis das Gericht zu einer Entscheidung gekommen ist. „Sonst geht die Sache zum Verwaltungsgericht, um eine Einstweilige Verfügung zu erwirken“, sagt Witte-Rhode, die in der Vergangenheit bei politischen Aufenthaltsverboten Mandanten erfolgreich vertreten hat, der taz.
Die Anwältin moniert, das Aufenthaltsverbot sei nicht mit einer konkreten Begründung unterfüttert. Die Polizei argumentiere nur abstrakt mit einer „schwerwiegenden Gefahr“ für „bedeutsame Individualschutzgüter wie Leben, Leib und Gesundheit“. Offensichtlich versuche die Polizei mit dem Aufenthaltsverbot zu verhindern, dass sich die Besetzergruppe durch den öffentlichen Zuspruch zu neuen Aktionen beflügelt fühle. „Aufenthaltsverbote sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung“, kritisiert sie.
Heinrich Behnke hat die Villa 1882 für seine Familie am "Horner Berg" in dem damals ländlichen Stadtteil Horn gebaut.
In den Besitz der Stadt ist die Villa 1927 übergegangen. Seit dem Jahr 2000 wird sie von der städtischen Wohnungsgesellschaft Saga verwaltet, die laut taz-Informationen die Anweisung hatte, das Haus leer stehen zu lassen.
Aufenthaltsverbote sind nach dem Hamburger Sicherheits- und Ordnungsgesetz möglich, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person dort eine Straftat begehen wird" oder in Fällen häuslicher Gewalt "zum Schutz von Leben oder Freiheit".
Die von ihr vertretenen Besetzer, ein Mann und die Frau, hatten am 3. November mit drei Gleichgesinnten gleich zweimal die Villa besetzt. In den oberen Stockwerken wollten sie ein Wohnprojekt einrichten und im Parterre einen Stadtteiltreff realisieren.
Platzverweis erteilt
Morgens waren sie von Nachbarn beobachtet worden, als sie in das Gebäude eindrangen, so dass die Polizei schnell mit acht Streifenwagen zur Stelle war. Eigentlich sollte die Besetzung erst am Nachmittags publik werden, wenn eine Antifaschistische Demonstration in der City beendet war, so dass Unterstützer hätten mobilisiert werden können.
Die Gruppe verließ ohne Aufhebens das Haus, nachdem ein Polizist ihr einen Platzverweis erteilt hatte. Doch mittags kehrten die Hausbesetzer zurück. Diesmal wurde die Polizei auf die Besetzung erst aufmerksam, als 100 Unterstützer sich vor dem Haus versammelten. 250 Polizisten mit vier Wasserwerfern und zwei Räumpanzern fuhren auf und kesselten die Unterstützer vor der Villa eine halbe Stunde lang ein. Die Unterstützer wurden abgedrängt und die Polizei nahm die fünf Besetzer vorübergehend fest.
Die Aktion fand in der Öffentlichkeit große Resonanz. Für viele ist es unverständlich, warum die Finanzbehörde die historische Villa systematisch leer stehen ließ, obwohl selbst die Stuckdecken noch in einem guten Zustand sind, wie ein Video zeigt, das auf Youtube zu sehen ist. „Sämtliche Planungen von Seiten der zuständigen Behörden und des Bezirksamtes haben sich bisher nicht realisieren lassen“, antwortete der Senat der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Der Sprecher der Finanzbehörde, Daniel Stricker, ist da offener. „Das Haus soll abgerissen werden“, sagt er der taz.
Die SPD im Stadtteil Horn ist empört. „Es ist nicht vermittelbar, dass Behörden unter Führung der SPD wie Privatinvestoren agieren, deren Verhalten nicht selten von der SPD kritisiert wird“, ärgert sich die Billstedter SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Hildegard Jürgens. Es sei im öffentlichen Interesse, das historische Gebäude zu erhalten.
Für ihre Mandaten, die in der Region wohnen, bedeute die Verfügung „eine erhebliche persönliche Einschränkung“, sagt die Rechtsanwältin Witte-Rhode. „Bei einem Mandanten ist das Aufenthaltsverbot etwas kleiner ausgefallen, weil er dort wohnt – er darf aber die gegenüberliegende Straßenseite nicht betreten, wo der Bus fährt, mit dem er sich täglich fortbewegt.“
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