Reform beim Radsportverband: Kampf dem Krebs
Nach dem Fall Armstrong formieren sich die Reformer. Sie wollen den Radsport-Weltverband UCI auf Vordermann bringen und neue Wege erkunden.
Der Radsport steckt nach den Enthüllungen um Lance Armstrong wieder einmal in einer schweren Vertrauenskrise. Ein ziemliches Hindernis für den fairen Radsport und auch für das Radsportgeschäft stellt derzeit die Dopingproblematik dar. Um diese von der Straße zu räumen, warfen sich in den letzten Wochen Radsportsponsoren, Radsportmedien und diverse Einzelpersonen in eine Kampfmontur. Für manche steht dabei lediglich eine Oberflächenwäsche an. Andere haben eine durchaus porentiefe Reinigung im Sinn.
Vorausgeprescht sind ausgerechnet die Medien. Fünf führende Zeitungen aus den vier klassischen Radsportländern Belgien, Italien und Frankreich sowie aus dem neuen Siegerland Großbritannien haben Ende Oktober ein ganzes Manifest für den sauberen Radsport verfasst. Darin regen sie eine vom Radsportweltverband UCI unabhängige Antidopingkommission unter Oberaufsicht der Weltantidopingagentur Wada an.
Angesichts des geringen Aufklärungswillens der UCI bei prominenten Dopingverdachtsfällen ist dies sicher eine kluge Initiative. Schade ist nur, dass die Manifest-Autoren von Gazzetta dello Sport und L’Equipe darüber die Arbeit im eigenen Laden – eine Aufklärung der Interessenkonflikte zwischen dopenden Stars und deren Entourage einerseits und den Rennausrichtern ASO und RCS, zu denen die Blätter gehören, andererseits in den Hintergrund gerät. Aber ein Anfang ist immerhin gemacht.
Punktwertung - ein Dorn im Auge des Investors
Breiteste mediale Unterstützung von diesen Blättern erhielt das Projekt Champions League des tschechischen Bergbaumagnaten und Rennstallbesitzers Zdenek Bakala. Der Boss vom Tony-Martin-Team Omega Pharma Lotto ist ein wichtiger Akteur. 1,9 Milliarden Dollar schwer soll er laut Forbes-Liste sein. Erfahrung in öffentlicher Administration hat er auch.
In Tschechien nennt man die seit 2010 im Amt befindliche Regierung Necas inoffiziell auch „Regierung Bakala“; im Wahlkampf hatte er gleich allen drei aktuellen Koalitionspartnern beträchtliche Spenden zukommen lassen. Im Radsport ist dem Investor vor allem die etwas undurchsichtige Punktwertung der UCI beim Lizensierungsverfahren ein Dorn im Auge. Er möchte eine „Champions League“ aus 20 Profirennställen mit Auf- und Abstiegsoptionen einführen, um den Sponsoren eine Präsenzgarantie bei großen Rennen zu geben.
Pech nur, dass ausgerechnet eine solche Regelung die Anreize zum Doping gerade bei den „Fahrstuhlrennställen“ eher noch verschärfen dürfte. Lösen will Bakala dies durch effektiveres Antidoping. Auch er plädiert für eine von der UCI unabhängige Dopingkontrollagentur. Das scheint gegenwärtig mehrheitsfähig im Radsport.
Schaden für das Unternehmen
Reformfreudiger ist Jaimie Fuller. Der Sporttextilunternehmer hat als eines der größten Übel die Sportfunktionärsclique um Ex-UCI-Präsident Hein Verbruggen und dessen Amtsnachfolger Pat McQuaid ausgemacht. Fuller, mit seiner Firma Skins (Jahresumsatz 50 Millionen Euro) gegenwärtig Kosponsor der Rennställe Rabobank und NetApp, konstatiert in den Reihen der UCI eine „krebsartige Kultur der Korruption“.
Deshalb will er McQuaid mit dem Trick einer Schadensersatzklage zum Rücktritt zwingen. Ein Sprecher Fullers erklärt auf Anfrage den juristischen Hintergrund wie folgt: „Wir haben in unseren Verträgen eine Präambel zu glaubwürdigem Sport. Die Art und Weise, wie der Verband im Innenverhältnis operiert hat, führte zu großem Schaden für unser Unternehmen.“ Parallel rief Fuller die Initiative „Change Cycling Now“ ins Leben.
Antidopingexperten wie der Armstrongjäger Travis Tygart (Usada) und der Blutspezialist Michael Ashenden treffen am Sonntag und Montag in London auf den Leistungsdiagnostiker Antoine Vayer, auf Sponsoren wie Fuller selbst und kritische Sportjournalisten wie den Iren Paul Kimmage und den Engländer David Walsh.
Sie wollen neue Wege für den Radsport erkunden und dabei vor allem die UCI umbauen. Im nächsten Jahr sind dort Präsidentschaftswahlen. Das Treffen in London ist somit auch Auftakt der Kür für einen Gegenkandidaten. Ein weniger stinkender Kopf würde den ganzen Fisch vielleicht appetitlicher machen. Ob es um eine Revolution oder nur um Posten geht, wird sich in den nächsten Monaten erweisen.
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