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Hirntod-DiagnoseFehler bei der Feststellung

Für eine Organspende muss der vollständige und irreversible Hirntod festgestellt werden. Dabei werden die Vorschriften oft nicht eingehalten.

Für eine Organspende muss der Hirntod zweifelsfrei festgestellt werden. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Anruf liegt schon ein paar Jahre zurück, doch die Aufregung, die er vorübergehend auslöste, hat der Neurologe Clemens Dobis aus Dortmund nicht vergessen: Ärzte aus einem Krankenhaus im Westfälischen hatten um Hilfe gebeten. Ihre Patientin zeige Zeichen, die auf einen Hirntod hindeuten könnten.

Dobis, damals ärztlicher Koordinator bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die die Durchführung sämtlicher Organspenden in Deutschland verantwortet, schlug ein orientierendes Konsil vor, das ist eine Art patientenbezogene Beratung eines Arztes durch einen anderen Kollegen.

Aber weil er, Dobis, die Diagnostik des Hirntods – zwingende Voraussetzung für eine Organspende – als DSO-Mitarbeiter, Stichwort Interessenkonflikte, nicht selbst durchführen durfte, fuhr er, wie immer in solchen Fällen, mit einem niedergelassenen Neurologen aus Nordrhein-Westfalen in die Klinik.

Der Hirntod

Kaum eine medizinische Prozedur ist so verbindlich geregelt wie die Hirntoddiagnostik. Seit 1997 besteht hierzu eine quasi gesetzliche Regelung durch das Transplantationsgesetz. Sie basiert auf Richtlinien der Bundesärztekammer und ist zwingende Voraussetzung für postmortale Organentnahmen.

Der Hirntod, also der vollständige, zweifelsfreie und unwiederbringliche Verlust sämtlicher Hirnfunktionen, muss von zwei neurologisch und intensivmedizinisch erfahrenen Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden. Die Ärzte dürfen weder an einer späteren etwaigen Entnahme der Organe noch an deren Transplantation beteiligt sein. Die schwammige Formulierung, dass die diagnostizierenden Ärzte lediglich „erfahren“ sein sollen, nicht aber zwingend einen Facharzttitel in den Disziplinen der Neurologie, Neurochirurgie, Neuropädiatrie oder Anästhesie vorweisen müssen, wird seit Jahren auch von Medizinern kritisiert - bislang ohne Konsequenzen.

Voraussetzungen für die Untersuchung sind eine akute primäre oder sekundäre Hirnschädigung sowie der Ausschluss einer anderen Ursache für einen - eventuell nur zeitweiligen - Ausfall der Hirnfunktionen (z.B. Vergiftung, Schock, Unterkühlung).

Folgende klinische Kriterien müssen zum Beweis des Hirntodes zwingend nachgewiesen sein: Bewusstlosigkeit, Verlust der Hirnstammreflexe, Atemstillstand. Diese Parameter repräsentieren weltweit die anerkannten Kriterien des Hirntods. Die Testverfahren variieren von Land zu Land. In Deutschland etwa kritisieren Experten, dass der Hirntod in jeder Intensivstation durch klinische Untersuchungen festgestellt werden kann, dass dies aber auch ohne ergänzende apparative Diagnostik möglich ist, sofern das zweite Lebensjahr vollendet ist und primär keine Verletzung unterhalb des Kleinhirnzeltes vorliegt. Auch die zwingende Durchführung einer zerebralen Bildgebung (etwa Computertomografie) wird an keiner Stelle gefordert.

Der Nachweis, dass der Hirntod unumkehrbar ist, kann auf zwei Arten nachgewiesen werden: Durch Wiederholung der klinischen Untersuchung nach einer alters- und befundabhängigen Wartezeit (bei reifen Neugeborenen und Erwachsenen mit sekundärer Hirnschädigung drei Tage) oder durch eine simultane Anwendung apparativer Zusatzuntersuchungen.

Was der feststellte, überraschte die Kollegen vor Ort: Das Gehirn der Patientin war keineswegs unwiederbringlich erloschen, wie zunächst vermutet; die Frau litt vielmehr an einem so genannten Locked-in-Syndrom, war also bei Bewusstsein, jedoch körperlich nahezu vollständig gelähmt und damit unfähig, sich sprachlich oder durch Zeichen verständlich zu machen.

Nun ist ein Locked-in-Syndrom allein schon aufgrund der nachweislich noch existierenden Gehirnreflexe definitiv nicht mit dem Hirntod zu verwechseln; das wäre auch den Klinikkollegen aufgefallen, hätten sie die Untersuchung selbst gemacht. Der Fall zeigt jedoch, wie groß die Unsicherheit unter Ärzten in Sachen Hirntod ist.

„Die Kollegen haben sich vorbildlich verhalten“, sagt Clemens Dobis. „Ihnen war die Sache nicht geheuer, also haben sie Experten gerufen.“

Sie beherrschen die einzelnen Untersuchungsschritte nicht

Was aber, wenn das nicht passiert? Wenn Ärzte, obwohl sie sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlen, die Hirntoddiagnostik durchführen, also eine Untersuchung machen, die der Feststellung des Todes dient, und ausgerechnet dabei ungenau vorgehen oder gar Fehler machen? Weil sie etwa einzelne Untersuchungsschritte nicht beherrschen, die vorgeschriebenen Zeiten zwischen den Untersuchungen nicht einhalten, den einen Test vergessen, den anderen nicht dokumentieren oder sein Ergebnis falsch interpretieren?

Einiges deutet darauf hin, dass solche Vorkommnisse keine Einzelfälle sind. Der Medizinische Vorstand der DSO, Günter Kirste, lässt derzeit die Dokumentation zurückliegender Hirntoddiagnostiken in ganz Deutschland auf Sorgfältigkeit und Zweifelsfreiheit überprüfen: „Der Vorstand bittet die Geschäftsführenden Ärzte, alle nicht korrekt durchgeführten Hirntoddiagnostiken zu melden“, heißt es im Protokoll einer DSO-Vorstandstagung vom 27. September 2012.

Um wie viele Fälle es sich bislang handelt und welcher Art die Regelverstöße sind, teilt Kirste der taz auf Nachfrage nicht mit. Nur so viel: Zwei nicht richtlinienkonforme Fälle aus Nordrhein-Westfalen, über die Kirste seinen Mitarbeitern laut Protokoll „mit dem Hinweis auf Verschwiegenheit“ berichtete, zeigten, so jedenfalls sieht es Kirste, „wie wirkungsvoll die von der DSO eingeführten Kontrollen der formalen Voraussetzungen der Hirntoddiagnostik sind“.

Die Verstöße gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer seien von DSO-Mitarbeitern entdeckt und gemeldet worden; eine Organentnahme sei „aus diesem Grund“ nicht durchgeführt worden. Also alles prima?

Mitnichten. Fälle wie diese – so sie denn zufällig entdeckt werden – hatten bislang praktisch keine Konsequenzen: Die hierfür zuständige Bundesärztekammer nimmt aus eigener Initiative kaum Reformen in Angriff für mehr Qualitätssicherung bei der Hirntoddiagnostik, besserer Ausbildung der angehenden Ärzte und einer Reform der Richtlinien, die die Durchführung der Hirntoddiagnostik derzeit fast jedem Arzt mit ein wenig Intensivmedizinerfahrung erlaubt. Anfragen der taz hierzu lässt der Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery unbeantwortet.

Medizinern mangelt es an Erfahrung

„In der Hand des Erfahrenen ist die Hirntoddiagnostik eine der sichersten Diagnostiken in der Medizin“, urteilt der Hannoveraner Neurologe Hermann Deutschmann.

Doch an genau dieser Erfahrung mangele es vielen Medizinern: Zwischen 2000 und Ende 2005 wertete Deutschmann als damaliger Leiter eines DSO-Bereitschaftsteams 224 Hirntodprotokolle aus, die bereits von Krankenhausärzten unterschrieben waren, als schließlich er und sein Team konsiliarisch dazu gerufen wurden. „In 70 Fällen, also bei einem Drittel, war der Hirntod aber fehlerhaft dokumentiert“, sagt Deutschmann.

Häufig handelte es sich um formale oder dokumentarische Fehler; die Protokolle trugen etwa ein falsches Datum oder es war vergessen worden zu notieren, bei welchem Blutdruck untersucht worden war. In anderen Fällen war der Spontanatmungstest nicht korrekt durchgeführt worden, „viele Ärzte wissen gar nicht, was das ist“, sagt Deutschmann. Mal wurde ein Null-Linien-EEG diagnostiziert, obwohl noch Ausschläge da waren, mal die Hirntoddiagnostik bei laufender Schlafmittelgabe durchgeführt – dies kann einen Ausfall der Hirnfunktionen vortäuschen. „Wir haben diese Dinge dann korrigiert“, sagt Deutschmann.

Das Problem: Dem Missverständnis geschuldet, die Bereitschaft zur Organspende werde weiter sinken, sollten Details über ärztliche Unkenntnis oder Fehlverhalten bekannt werden, findet ein offensiver Umgang mit Fehlern nicht statt. Die Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer, zuständig für die Untersuchung etwaiger Regelverstöße rund um die Organspende, reagiert auf Nachfrage zu einzelnen Fällen: mit Schweigen.

Die DSO immerhin führt nach Angaben ihres Vorstands seit etwa zwei Jahren vor Organentnahmen eine zusätzliche Prüfung durch, um die Qualitätssicherung der Hirntoddiagnostik zu erhöhen.

„Strafrechtliche Konsequenzen verjährt“

Vorausgegangen waren zwei Hirntoddiagnostiken an Kliniken in Westdeutschland*, die gegen das Transplantationsgesetz verstießen: In dem einen Fall lag die Hinrtoddiagnostik zum Zeitpunkt der Organentnahme nicht vollständig dokumentiert vor. In dem anderen Fall hatten Ärzte nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zeitspanne zwischen den verschiedenen Untersuchungen abgewartet, bevor sie erneut hätten überprüfen dürfen, ob sämtliche Funktionen des Gehirns ausgefallen waren (Diese erneute Untersuchung dient dem Unwiderruflichkeitsnachweis). In beiden Fällen wurden dennoch Organe entnommen.

Die Überwachungskommission reduzierte die Regelverstöße später in ihrem Jahresbericht 2010 auf eine „Problematik der Diagnostik und Dokumentation“ und kam, freilich ausschließlich aufgrund ihrer eigenen Prüfungen, zu dem Schluss, in dem ersten Fall seien „eventuelle strafrechtliche Konsequenzen verjährt“ – weswegen sich eine Weitergabe an die Staatsanwaltschaft offenbar verbot.

In dem Fall der verfrühten Untersuchung immerhin sei „nach Abschluss der Beratungen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden“. Doch diese kann, das sagte ein Sprecher der taz, einen entsprechenden Eingang nicht finden.

Und die DSO? Schiebt den schwarzen Peter der Klinik zu: „Die formale Prüfung der Hirntoddiagnostik lag seinerzeit noch in der ausschließlichen Verantwortung des jeweiligen Klinikums, und nicht der DSO.“ Und dann, wie um doppelte Absolution bemüht: „Der Vollständigkeit halber sei aber darauf hingewiesen, dass auch nachträgliche Untersuchungen zweifelsfrei ergeben haben, dass der Spender im Zeitpunkt der Entnahme tot war.“

*Die Kliniken sowie weitere Daten und Abläufe der dort durchgeführten Hirntoddiagnostiken sind der taz bekannt, werden aber - mit Rücksicht auf die Angehörigen und um die Möglichkeit der Rückverfolgung auszuschließen - nicht publiziert.

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18 Kommentare

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  • N
    Nurse

    Nurse

     

    für mich gibt es nur dies hier

     

    http://www.kritischebioethik.de/nicht-organspendeausweis-21-12-04.pdf

     

    alles andere geht gar nicht, denn die Menschen haben es verdient in Würde gehen zu können. Würde hat mit Wert zu tun, Wert in Form von Menschlichkeit und nicht in Form von Euronen oder Dollars

  • T
    thomas

    Die Vorstellung als Locked-In Organe entnommen zu bekommen ist einfach nur der absolute Horror.

    Das ist Ausschlachtung bei lebendigem Leibe und logisch bei vollem Bewusstsein, denn "Toten" braucht man ja keine Narkose mehr zu geben. Und wenn man es doch macht, so weil man sich nicht sicher über den wirklichen Tod ist. Nach meinem Empfinden sollten Herz UND Hirn zweifelsfrei ausgefallen sein, um jemanden tot nennen zu können. Alles andere ist Augenwischerei. Aber das schlagende Herz wird ja benötigt...

    Ab-art-ig.

  • J
    Jana

    @Neurologe

     

    Ja, das, was die Ärztin sagt, würde mich auch interessieren. Bei einer Schwangerschaft werden doch die Hormone der hirntoten Schwangeren auch im Hypothalamus gebildet. Wie kann ein komplett totes Gehirn noch über Wochen und Monate hinweg Hormone bilden?

    Und wie kann ein so komplexes Geschehen wie eine Schwangerschaft von einer Toten bewerkstelligt werden? Fragen über Fragen, auf die man eigentlich nie eine befriedigende Antwort bekommt.

  • UM
    Uwe Müller

    Wann werden endlich die Mörder und Verbrecher der DSO + die Mittäter-Ärzteschaft gebremst und angeklagt ??? Aufgrund verschiedener Prämien- und Profiterwartungen werden Menschen getötet und ausgeschlachtet !!!

    Ein völlig abstruser Vorgang , der die Beteiligten in lebenslange Depressionen stürzt ; der Mensch ist nun mal keine Maschine und kein Ersatzteillager !

    Ich habe schon hunderte Leute zur Entsorgung ihres Spenderausweises gebracht + ich werde NIE aufhören , gegen staatlich sanktionierten Mord zu kämpfen !!!

    www.robbymüller.de

  • K
    Krawallbruder966

    An dem "irreversicblen Hirntod" glaube ich nicht, das ist eine Erfindung der Gierigen, Versuchssüchtigen, Gewinnmaximierern, Gesundheitsökönomen und wer sich sonnst noch wie schimpft in diese unheilige Union der vermeintlich Lebensrettenden eingefunden haben.

    Entweder bin ich ganz tot - dann nützen die Organe erwiesenermaßen niemandem mehr - oder nur irgendwie nicht äußerungsfähig, und dann ist die Zerlegeaktion eigentlich eine Art Mord, eine rituelle Ausschlachtung zu Gunsten derer, die sich eine Manipulation ihrer Akten leisten können. Menschen sterben, weil sie krank sind, ihre Organe am Ende ihrer Dienstzeit angekommen sind. Der Wunsch der Menschen nach dem ewigen Leben materialisiert sich in solchen abenteuerlichen Debatten, weil sich niemand nach der Befindlichkeit der Zerlegten fragt. Was geht in einem solchen, in sich geschloßenen und jeglicher Äußerungsformen fernbleibenden Menschen vor - denn er ist bis zu seinem totalen und endgültigen Ableben (Herz- und Atemstillstand über eine längere Zeit als nur ein paar Minuten) ein Mensch! - und wie würden die dort angesammelten Skalpellritter und ihren Gehilfen tun, wenn sie auf die Regungen diesen MEschen nicht mit eine noch höherer Dosis Beruhigungsmitteln, sondern mit menschlicher Wärme und Empathie begegnen dürften? Der Mensch auf dem Seziertisch, die Eisbomben in dem Rücken, die Eurozeichen in den Pupillen lassen keine Regungen der Seele zu - oder man ertrinkt sie später in riesigen Mengen breit zugänglicher Betäubungsmitteln - oder?

    Eine Reha-Maßnahme, eine begleitende und aufbauende Therappie bringt mittlerweile weniger als die vielen tranplantierbaren Organe, da sind Moneten wichtiger als die Ethik und am Ende ist sich jeder selbst der Nächste, pecunia non olet, ein Hallali auf die Wehrlosen! Das sind feine Aussichten auf eine schöne neue Zukunft, die laut Karl Valentin "früher auch besser" war.

  • R
    Ärztin

    @Neurologe

    Natürlich wird der Hirnstamm bei der Hirntoddiagnostik mit einbezogen. Die vegetativen und endokrinen Vorgänge im Körper werden allerdings über den Hypothalamus gesteuert; zu diesen Vorgängen gehören u. a. Kreislauf und Körpertemperatur. Der Hypothalamus ist ein Teil des Diencephalons. Dieses funktioniert also zum Teil noch. Das Diencephalon zusammen mit dem Hirnstamm bildet das Stammhirn. Zum Hirnstamm, der bei der Hirntoddiagnostik überprüft wird gehören das Mittelhirn, die Brücke und das verlängerte Mark. Man muss also zwischen Hirnstamm und Stammhirn differenzieren.

  • N
    Neurologe

    Zu Ärztin: Falsch !!! Die Definition des Hirntodes ist richtig. In der neurologischen Untersuchung wir der Hirnstamm mit einbezogen. Puppenkopfphänomen, Cornealreflex, Pupillenreflex, Trigeminusschmerzreiz, Würgereiz und der Apnoetest sind in den Kerngebieten des Hirnstamms lokalisiert. Und bei einer Durchblutungsmessung stelle ich auch den abgestorbenen Hirnstamm mit fest.

  • R
    Ärztin

    Leider ist schon die Hirntoddefinition falsch. Es heißt:"Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms". Bei einem für hirntot erklärten Patienten ist die Funktion des Hirnstamms noch nicht erloschen. Wenn diese erloschen ist haben wir einen wirklich Toten vor uns. So werden z.B. Kreislaufregulation, Wärmeregulation und die hormonelle Regulation vom Stammhirn gesteuert.

    Es ist wichtig potentielle Spender über diese Fakten zu informieren.

  • N
    Neurologe

    Meiner Meinung nach muss es das spezialisierte Team zur Feststellung des Hirntodes geben. Diese Team sollte aus Anästhesisten oder Intensivmediziner und Neurologen bestehen. Grundsätzlich muss zusätzlich der behandelnde Facharzt des Patienten an der Hirntoddiagnostik teilnehmen.

    Ich selbst habe in Deutschland schon viele Hirntoddiagnostiken gemäß der Richtlinien unter zu Hilfenahme von EEG und Durchblutungsmessung des Gehirn durchgeführt und kann sagen, dass in allen Fällen die Einschätzung der behandelnden Ärzte der Intensivstationen auf denen die Patienten lagen, in Bezug auf einen möglichen Hirntod korrekt waren. Es ist mir auch immer wichtig, dass aus dem Pflegebereich, den Medizistudenten und anderen ärztlichen Fachbereichen Interessierte während der Untersuchung zuschauen. Dies erhöht erheblich die Transparenz. Ich biete dann zusätzlich den behandelnden Ärzte ein Gespräch mit den Angehörigen des Verstorbenen über die Feststellung des Todes an. Das Thema Organspende wird von mir nicht erwähnt, die Frage Danach obligt den behandelnden Ärzte oder dem Koordinator der DSO.

    Die öffentliche Diskussion über die Oragsnspende ist wichtig, man sollte nicht vergessen, solange es Menschen gibt die eine Organtransplantation benötigen und auch haben wollen, die Gesellschaft als Solidargemeinschaft verpflichtet ist sich für die postmortale Organspende einzusetzen.

    Wenn sie die Frage mit ja beantworten sich ein Organ im Krankheitsfall transplantieren zu lassen, dann müssen sie auch im Gegenzug zu einer postmortalen Organspende bereit sein.

  • S
    Sally

    Als Philosophiestudentin hatte ich im Rahmen eines Kolloquiums über Hirntod und seiner -feststellung 2007 die überzeugte Meinung gewonnen, dass es kein Problem sein dürfte, die Organspende von willigen Spendern durchführen zu können. Der Hirntod als irreversibler Zustand, von dem es kein Zurück mehr gab, hatte Plausiblität. Wütend macht mich die Tatsache, dass sich die Politik dieses Thema bedient hat, in einer Weise, als wären alle Menschen zwangsläufig die Ersatzteillager der Bedürftigen. Was mich auch ärgert, ist die mangelnde Alternativforschung. Die Organspende kann wesentlich besser verträglich unter Familienangehörigen abgewickelt werden, es gäbe auch unter Umständen andere Möglichkeiten der Behandlung, wenn man mal vom Kostenintensiven und Intensivmedizischen Chirurgischen Denken abweichen würde. Wenn ich an die Korruption und üble Verteilungsproblematik denke, wird mir ganz schlecht: dann möchte ich den Ausweis zerreissen und könnte mir vorstellen, dass nur so den kriminellen Strukturen des Organhandels der Boden entzogen wird. Das ist menschenverachtend und gehört gestoppt!

  • J
    Jana

    @Roc

    Warum gehen Sie nicht auf die Aussage des Artikels ein, dass auch das Hirntod-Team unter Umständen zu wenig Erfahrung mit der Diagnostik hat? Da hilft es auch wenig, wenn der potentielle Spender einen halben Tag Zeit hat,Lebenzeichen zu demonstrieren. Denn diese müssen auch richtig interpretiert werden. Und das ist auch für Fachärzte ohne Hirntod-Erfahrung schwierig, zum Beipiel bei der Interpretation der Reflexe. Auch der apnoe-Test ist u. U. gefährlich. Nocheinmal: was spricht gegen eine spezielle Ausbildung?

  • R
    ROC

    Ein Patient, der nach klinischem Ermessen tot ist, wird ziemlich unmittelbar von etwaigen Versorgungssystemen genommen, oder diese Maßnahmen werden nicht eingeleitet.

     

    Ein Patient in gleicher Situation, der als Donor angesehen wird, hat, bis die Angehörigen gegrübelt und das Hirntodteam sich geäußert hat, mindestens einen halben Tag, um ins Leben zurückzukehren.

     

    Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß es ein Kunstfehler ist, einen Donor nicht mit ASS (LXA4,HO) zu präkonditionieren.

  • J
    Jana

    @petronius

     

    Die Unfähigkeit, einen apnoe-Test korrekt durchzuführen, ist kein Formfehler. Der apnoe-test ist ja außerdem auch nicht ganz ungefährlich, das bestätigt die DSO in ihren Handreichungen.

    Und trotz Schlafmittelmedikation eine Hirntod-Diagnostik durchzutesten,ist schlicht fahrlässig. Denn solche Medikamente können einen Hirntod vortäuschen. Das Alles müssen Ärzte wissen, wenn sie sich zu einer solch heiklen Diagnostik bereit erklären. Offensichtlich hapert es da....

    Wieso handelt es sich bitte um tendenziöse Berichterstattung? Meinen Sie, dass die Friede-Freude-Eierkuchen-Berichterstattung der DSO und einiger offizieller Stellen der Weisheit letzter Schluss ist? Wohl kaum, denn auf Dauer lassen sich Fehler im System un die mangelnde (Hirntod-) Kompetenz mancher Ärzte nicht schön schwätzen.Schon garnicht in Zeiten des Internet.

  • P
    petronius

    "Das Problem: Dem Missverständnis geschuldet, die Bereitschaft zur Organspende werde weiter sinken, sollten Details über ärztliche Unkenntnis oder Fehlverhalten bekannt werden, findet ein offensiver Umgang mit Fehlern nicht statt"

     

    wen wunderts?

     

    auch fr. haarhoff wählt ja ihre worte mit bedacht so, daß der eindruck entsteht, es seien noch gar nicht hirntoten organe entnommen worden ("Fehler bei der Feststellung") - man muß chon sehr genau im text suchen, bis sich herastellt, daß es um formalfehler geht und eben nicht um eine falsche hirntoddiagnose

     

    angesichts der ständigen versuche, nicht zuletzt von fr. haarhoff (ich ärgere mich schon seit längerem über die tendenziöse berichterstattung in dr taz zum thema), das hirntodkriterium und die organspende überhaupt in eine schlechtes licht zu rücken, ist es verständlich (wenn auch natürölich kontraproduktiv), wenn mit problemen lieber nicht offen und offensiv umgegangen wird

  • J
    Jana

    Gut,dass es Ärzte gibt, die von Fehlern im System berichten.Das ist mutig und zeugt von Zivilcourage. Alles, was schief läuft zu verschweigen, nur um der heiligen Kuh Organtransplantation nicht zu schaden, ist auf Dauer kontraproduktiv. Fehler lassen sich beheben, das schafft mehr Vertrauen als eine Mauer des Schweigens.

  • J
    Jana

    Was ist so schwierig daran, Ärzte, die den Hirntod diagnostizieren dürfen, gründlich auszubilden?

    Wenn die Dt. Stiftung Organtransplantation Neurologen vermittelt- wer gewährleistet, dass diese Neurologen auch wirklich kompetent sind? Ein Qualifikationsnachweis oder vielleicht doch nur eine schlichte Selbstauskunft? Und wieviel Geld bekommen diese Ärzte für die Diagnostik? Kennen Sie sich mit EEG,MRT,Dopplersonographie, Angiographie etc. aus, wenn - wie geplant- die Richtlinien der Bundesärztekammer geändert werden? Und ist diesen Neurologen bewusst,dass der apnoe-Test für den potentiellen Spender u.U. nicht ganz ungefährlich ist?

    Fragen über Fragen, auf die es bisher kaum befriedigende Antworten gibt. Wenn man die Bevölkerung nicht beunruhigen will, erzielt man mir dieser Verschleierungstaktik auf Dauer genau das Gegenteil.

  • J
    Jana

    In jedem anderen Zweig der Medizin gibt es Qualitätssicherung, nur die Aufarbeitung eines Fehlers kann dazu führen, dass der gleiche Fehler nicht nocheinmal gemacht wird. Anders bei der Hirntoddiagnostik. Da wird vernebelt, vertuscht und da werden auch schon einmal die Akten getürkt. Wie und mit wem genau ist eigentlich die Überwachungskommission besetzt? Seltsam,das ist nirgendwo nachzulesen. Wenn die Bundesärztekammer schon vom Gesetzgeber beauftragt ist, die Hirntod-Feststellung zu normieren und zu überwachen, dass muss es auch transparente Kommissionen geben. Nur das wäre demokratisch.

  • DE
    der Enttäuschte

    Organspende, ja gerne, wenn ich sie eh nicht mehr brauche. Aber was zurzeit alles bekannt wird läst mich doch sehr zweifeln. Organhandel und das in Deutschland? Nein, das glaube ich nicht. Doch dann kommt heraus, dass Ärzte Akten manipulieren und wohlhabende nach Deutschland reisen um Organe zu bekommen. Ich kann es gar nicht glauben. Als ich mich vor 15 Jahren entschieden habe mir einen Organspendeausweis zuzulegen, habe ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich habe eine Beschränkung nur auf lebenswichtige Organe auf meinen Ausweis vermerkt und trage in immer, nein fast immer, bei mir. Wenn ich außerhalb Europas Urlaub mache, dann lass ich meinen Organspendeausweis daheim. Wenn ich lese wie in Afrika lebenden für einen Appel und ein Ei Organe abgeschwatzt werden, dann könnte ein Spenderausweis ein Freibrief für Kriminelle werden. Die Reglungen wer wann ein Organ bekommt sind in Deutschland, in Europa klar geregelt, wann der Hirntot vorliegt wird doppelt geprüft und im Zweifel für das Leben des Spenders entschieden. Ein tolles, durchdachtes und sehr sinnvolles System, dachte ich. Freunde und Bekannte habe ich wenn das Thema aufkam immer versucht zu überzeugen sich auch einen Organspendeausweis zuzulegen. Sie brauchen Ihre Organe ja nicht mehr wenn sie tot – Hirntot – sind und wäre es nicht toll wenn man jemanden, der sterben muss wenn er nicht ein neues Herz oder eine Niere bekommt, helfen, ja sein Leben retten kann. Aber nun sind meine Zweifel Gewissheit. Ärzte machen Fehle bei der Feststellung ob der Hirntot vorliegt. Im Zweifel muss es schnell gehen, womöglich wartet ein kapitaler Empfänger. Der Ärztebund schweigt, die Politik hüllt sich in Rhetorik. Helfen ja, aber nicht um jeden Preis. Mein Leben ist mir da doch wichtiger und wenn ich eine Change habe zu überleben dann will ich diese auch nutzen. All die Menschen die auf Spenderorgane warten tun mir wirklich leid und ich wünsche Ihnen, dass sie rechtzeitig die benötigten Organe bekommen und gerade deswegen bin ich ernsthaft bestürzt, dass das Organspendesystem, welches in der Theorie gut durchdacht ist in der Praxis nicht funktioniert. Heute werde ich meinen Organspendeausweis vernichten denn keinem Mensch und keinem System möchte ich mein Leben anvertrauen. Gut, das ist keine Garantie für ein Überleben nach einem Unfall, aber ich erhöhe meine Change alleine dadurch, dass ich korrupten und fahrlässigen Ärzten und Krankenhausmitarbeiter nicht überlasse über meine Organe zu entscheiden. Schade, da sind wir medizinisch soweit gekommen und menschlich soweit gesunken.