Wahlkampf-Watschen: Kandidat weg, Zielgruppe verfehlt
Niedersachsens CDU verschenkt ein Direktmandat: Ein Landtagskandidat tritt nicht mehr an, er wurde zum zweiten Mal beim Lügen ertappt. Und Spitzenkandidat McAllister irritiert mit Spendenaufrufen
HANNOVER taz | Pleiten drohen der Niedersachsen-CDU in ihrem Landtagswahlkampf. Den Wahlkreis Sarstedt/Bad Salzdetfurth ist sie schon vor der Wahl am 20. Januar los: Nachdem er zum zweiten Mal beim Lügen ertappt wurde, ist der CDU-Direktkandidat Jens Heinemann jetzt von seiner Kandidatur zurückgetreten. Sollte er gewählt werden, werde er das Landtagsmandat nicht annehmen, kündigt Heinemann an.
Kurz zuvor war aufgeflogen, dass der 34-Jährige auf seiner zwischenzeitlich abgeschalteten Homepage fälschlicherweise die Fachhochschulreife als Schulabschluss angegeben hatte. Nach Gesprächen mit seinem Hildesheimer CDU-Kreisverbandschef Eckart von Klaeden, zugleich Staatsminister im Bundeskanzleramt, zog Heinemann nun die Konsequenz und verkündete seinen Rückzug.
Eine erste Lüge hatte ihm die Hildesheimer CDU mit ihrem Vorsitzenden von Klaeden noch verziehen: Heinemann hatte behauptet, er habe seinen Job in einem Reisebüro aufgegeben, um sich ganz dem Landtagswahlkampf widmen zu können (taz berichtete). Seine Ex-Chefin widersprach: Nicht er habe gekündigt, sondern sie ihm, weil er nebenberuflich ein eigenes Reisebüro betrieb. Heinemann zeigte sich reuig, entschuldigte sich öffentlich über die Hildesheimer Allgemeine Zeitung. Von Klaeden stellte sich vor ihn, erklärte, der Fehler sei „nicht so gravierend“. Heinemann selbst versicherte der taz, seinen Slogan „Jens. ehrlich. gut“ im weiteren Wahlkampf nicht mehr zu verwenden.
Bei der zweiten Lüge ist die Geduld mit Heinemann parteiintern jetzt allerdings vorbei. Einen Ersatz für ihn kann die CDU nicht mehr aufstellen: Die Frist für Nachnominierungen ist bereits abgelaufen. Der Wahlkreis Sarstedt/Bad Salzdetfurth ist damit schon gut vier Wochen vor der Wahl verloren. Eine echte Pleite für die CDU: Bei der Landtagswahl 2008 hatte sie den Wahlkreis noch sicher. Über 46 Prozent der Erststimmen holte dort die damalige Direktkandidatin Ursula Ernst, die zur Wahl im Januar nach 14 Jahren im Landtag nicht wieder antritt.
Zur Pleite zu werden droht unterdessen auch eine Briefaktion, mit der die Partei um Unterstützung wirbt – und bei manchen Angeschriebenen Irritationen auslöst: „Bekennen Sie sich aktiv und offen zu Ihrer Unterstützung für die CDU“, heißt es in dem Schreiben. „Überzeugen Sie jeden Tag mindestens fünf Freunde und Bekannte, für die CDU zu stimmen.“ Unterzeichner des Briefs, der als Infopost verschickt wird, ist Ministerpräsident und CDU-Landeschef David McAllister, der die „besten Wünsche für ein gesegnetes Weihnachtsfest“ sendet.
Angesprochen werden die Empfänger mit vollem Namen, auch im beigelegten Überweisungsträger für Spenden an die CDU sind die Namen der Angeschrieben bereits vorgedruckt. Das sorgt mitunter für Verwunderung: Wie die CDU an Namen und Adressen kommt, fragen sich manche.
Den heißen Wahlkampf für die Landtagswahl im Januar wollen CDU und SPD nach Weihnachten starten und erst dann plakatieren.
Vor der CDU-Zentrale in Hannover hingen schon Ende November kurzzeitig SPD-Plakate. Spitzenkandidat Stephan Weil sprach von einer Kommunikationspanne, ließ die Plakate wieder abhängen.
In aktuellen Umfragen ist die CDU mit zwischen 39 und 41 Prozent derzeit stärkste Kraft, die Regierungsmehrheit wird aber Rot-Grün prognostiziert.
Bei den 87 Wahlkreisen liegt die CDU nach Berechnungen des Internetdienstes election.de ebenfalls vorn: Aktuell hat sie demnach 15 Wahlkreise sicher, 16 wahrscheinlich, in 24 einen Vorsprung. Die SPD hat nur vier sicher, 13 wahrscheinlich, in 15 Vorsprung.
Bei election.de fließen Faktoren wie bundes- und landespolitische Umfragen sowie bisherige Wahlergebnisse ein.
Und auch dass die CDU in der Weihnachtszeit überhaupt mit derlei Aktionen um Spenden und Unterstützung wirbt, löst Irritationen aus. Bislang hatte die Partei verkündet, erst nach Weihnachten in die heiße Wahlkampfphase zu starten. In der Vorweihnachtszeit wollten die Menschen „nicht belästigt werden“, hieß es stets.
Spendenpost hätten vornehmlich CDU-Mitglieder erhalten, erklärt jetzt ein Parteisprecher. Darüber hinaus habe ein „externer Dienstleister“ ähnliche Briefe an Nicht-Mitglieder verschickt. Deren Adressen besitze die CDU nicht selbst, versichert die Partei. Ihr Dienstleister nutze für die Aktion Daten der Deutschen Post AG. Wie viele dieser Briefe verschickt wurden, teilt die CDU auf Anfrage nicht mit. Angeschrieben wurden neben den eigenen Mitgliedern nur so genannte „CDU-affine Wähler“, heißt es stattdessen.
Besonders treffsicher ist diese Auswahl allerdings offenbar nicht: Als vermeintlich „CDU-affine“ ging die Spendenpost bei der Aktion neben Gewerkschaftern auch an Mitglieder von Konkurrenz-Parteien.
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