Viertgrößte Reederei der Welt: Container-Giganten prüfen Fusion
Die beiden größten deutschen Linienreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd erwägen, sich zusammenzuschließen.
HAMBURG taz | Deutschland steht der größte Reederei-Zusammenschluss aller Zeiten bevor. Die Frachtreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd „prüfen in ergebnisoffenen Gesprächen die Möglichkeit einer Fusion“, sagte Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) am Dienstag auf der Landespressekonferenz im Rathaus. Die Stadt „begrüßt“ die Verhandlungen, so Tschentscher, „weil wir ein großes Interesse daran haben, ein solches Unternehmen von weltweiter Bedeutung am Standort Hamburg zu sichern“.
Hamburg ist als Teil des Konsortiums „Albert Ballin“ mit 36,9 Prozent größter Anteilseigner an der Reederei Hapag-Lloyd. Dafür zahlte die Stadt 2009 und Ende März 2012 in zwei Tranchen rund 1,145 Milliarden Euro an den früheren Alleineigentümer Tui in Hannover. Das „strategische Ziel“ sei es, so Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im März, Hapag-Lloyd in Hamburg zu erhalten und „nicht Opfer eines globalen Monopoly“ werden zu lassen.
Hapag-Lloyd ist nach Umsatz und Transportaufkommen die fünftgrößte Frachtreederei der Welt, die zum Bielefelder Oetker-Konzern gehörende Hamburg Süd die Nummer zwölf. Bei einer Fusion entstünde in Hamburg die viertgrößte Reederei hinter dem Spitzentrio Maersk (Dänemark), MSC (Schweiz) und CMA CGM (Frankreich). Hapag-Lloyd verschiffte im vorigen Jahr 5,2 Millionen Standardcontainer-Einheiten (TEU), Hamburg Süd 3,1 Millionen. Nach einem Zusammenschluss würde Hapag-Lloyd als größerer Partner knapp zwei Drittel des neuen Unternehmens ausmachen (siehe Kasten).
Die Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft (HSDG), kurz: Hamburg Süd, wurde 1871 in Hamburg gegründet.
Bilanz 2011: Rund 4.500 Mitarbeiter, 160 Schiffe (davon 107 Containerschiffe), Jahresumsatz 4,75 Milliarden Euro.
Bekanntheit: Die bekanntesten Schiffe von Hamburg Süd sind sechs Stückgutfrachter der "Cap-San-Klasse" aus den 1950er und 1960er Jahren. Das letzte noch erhaltene ist das Museumsschiff Cap San Diego an der Überseebrücke.
Hapag-Lloyd entstand 1970 durch Fusion der Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) in Hamburg und Norddeutscher Lloyd (NDL) in Bremen. Die Hapag wurde 1847 und der Norddeutsche Lloyd 1857 gegründet.
Bilanz 2011: Rund 7.000 Beschäftigte, 146 Schiffe, Jahresumsatz 6,1 Milliarden Euro.
Auch die beiden Reedereien bestätigten am Dienstag die Sondierungsgespräche. Vorstand und Geschäftsführung der beiden Unternehmen hätten im Einvernehmen mit ihren Gesellschaftern Gespräche aufgenommen, ob und unter welchen Bedingungen ein Zusammenschluss beider Reedereien sinnvoll sei, heißt es in übereinstimmenden Mitteilungen. Eine solche Fusion hatte mehrfach der Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne gefordert, der nach Hamburg zweitgrößter Anteilseigner an Hapag-Lloyd ist.
Der Grund dafür liegt in der anhaltenden Krise der Schifffahrt. Wegen Überkapazitäten speziell im Handel mit Ostasien sind die Frachtraten – die Preise für den Containertransport – auf sehr niedrigem Niveau, die Treibstoffkosten hingegen sind so hoch wie nie. Deshalb schreiben viele Schifffahrtsunternehmen weltweit rote Zahlen.
So hat Hapag-Lloyd in den ersten neun Monaten 2012 einen Verlust von 94 Millionen Euro gemacht, vier Mal so viel wie in den ersten drei Quartalen 2011. Damit wird auch die von Hamburg eingeplante Dividende in Höhe von 35 Millionen Euro nicht in das Stadtsäckel fließen. Mit einem Ende der Krise rechnet die Branche frühestens in etwa zwei Jahren.
Der Hamburger Senat sehe für eine fusionierte Großreederei „ein sehr hohes Potenzial“ und „sehr große Chancen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen“, sagte Tschentscher. Eine Gefahr für die Arbeitsplätze in Hamburg durch „nennenswerten Stellenabbau“ sehe er hingegen nicht. Synergieeffekte und Kostenreduzierungen würden sich vermutlich eher bei den Repräsentanzen in anderen Häfen rund um den Globus ergeben.
Die Gespräche, über die der Senat ständig unterrichtet sei, würden „nicht in Tagen und nicht in Jahren abgeschlossen sein“, orakelte Tschentscher. Und das Ergebnis sei „nicht vorhersehbar“, betonte er mehrfach. Im Falle einer Fusion aber würde die Entscheidung nicht hinter verschlossenen Türen fallen, versprach er. Senat und Bürgerschaft würden „in aller Transparenz“ darüber abstimmen.
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