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Umgang mit ObdachlosenGutes Gewissen für die Bahn

Zu Weihnachten spendet Bahnchef Rüdiger Grube Schlafsäcke, am Hauptbahnhof aber werden Obdachlose seit Oktober vertrieben.

Endlich ordentliche Schlafsäcke - dank der Deutschen Bahn: Obdachlose in Hamburg. Bild: dpa

Zu Weihnachten sollen Hamburgs Obdachlose ein bisschen weniger frieren: Die Deutsche Bahn und der Outdoor-Ausstatter Globetrotter haben deswegen insgesamt 2.000 Schlafsäcke gespendet. Am Freitag übergaben Bahnchef Rüdiger Grube und Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann die Schlafsäcke der Hamburger Tafel. Allein 1.500 kommen von der Bahn.

Auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt schlafen viele Obdachlose draußen. Das Winternotprogramm der Stadt ist überfüllt, manche müssen auf Stühlen schlafen. „Die Leute, die einen Hund haben, gehen nicht ins Winternotprogramm“, sagte der Tafel-Vorsitzender Achim Müller. Deswegen freut er sich gerade für sie über die Schlafsackspende.

Die Idee dazu kam von Wirtschaftssenator Frank Horch (SPD). „Ich bin beeindruckt, mit welchem Engagement und Einsatz auch zunehmend Wirtschaftsunternehmen ihre soziale Verantwortung für die Region, in der sie tätig sind, erkennen und wahrnehmen“, sagte er. Für Globetrotter-Chef Bartmann war das auch der Grund für die Spende: „Jeder Einzelne von uns muss sich immer wieder bewusst machen, wie gut es uns geht“, sagte er. Und Grube sagte, die Schlafsäcke seien mehr als bloß eine Spende: „Wir möchten als Deutsche Bahn ein Signal setzen und unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.“

Der Umgang der Bahn mit den Obdachlosen am Hauptbahnhof ist weniger barmherzig. Seit die Stadt ihr erlaubt hat, in den Fußgängertunneln und den überdachten Flächen um den Bahnhof herum ihre Hausordnung durchzusetzen, werden Obdachlose hier regelmäßig vertrieben. Die Regeln verbieten das Sitzen und Liegen auf dem Boden oder das Durchsuchen von Mülleimern. Wer sich nicht daran hält, wird vom Sicherheitsdienst der Bahn verscheucht. Ein Obdachloser berichtete der taz sogar, das Bahnpersonal habe ihm Isomatte und Schlafsack abgenommen.

Bahnchef Grube widerspricht: „Wir vertreiben keine Obdachlosen“. Die Securitys der Bahn schickten die Obdachlosen weg, weil zum Beispiel der Fußgängertunnel zur Mönkebergstraße als Schlafplatz nicht geeignet sei: „Das ist auch für die Obdachlosen nicht schön, es ist kalt dort.“ Die Bahn würde sich für eine richtige Unterkunft für die Obdachlosen einsetzen und mit der Bahnhofsmission zusammenzuarbeiten. „Es wäre angemessener, wenn man den Menschen ein Dach über dem Kopf gibt“, sagte Grube.

Obdachlose können sich von der Tafel einen oder mehrere Schlafsäcke abholen. Auch der Mitternachtsbus der Diakonie verteilt sie. Nur in den Bahnhof dürfen sich die Obdachlosen mit ihren Schlafsäcken in diesem Winter nicht mehr legen.  

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3 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Paradox

    Menschen ohne Obdach werden das ganze Jahr von den Sicherheitskräften der Bahn,von den Vorplättzen,Bahnsteigen und im innneren des Bahnhofs vertrieben-jetzt gibt es Schlafsäcke für diese Menschen,vom obersten Chef.Was für ein Sakasmus ,Zynismus,Hohn sondergleichen.

  • WR
    Weiße Rose

    Der Vorgänger der Bahn - die Deutsche Reichsbahn - hatte seinerzeit schon wenig Gewissensprobleme mit dem reibungslosen Ablauf der Transporte von Millionen Menschen in die Vernichtungslager.

    Die Spießbürgerpartei SPD hat spätestens seit Willi

    Brandt mit dem Humanismus auch nichts mehr am Hut.

    Woher soll da also eine Kultur der Barmherzigkeit kommen?

  • DM
    Dr. med. Thomas Leske

    .... leider waren wir bei der Protestaktion am Hauptbahnhof auch gestern wieder "nicht viel genug". Bevor aber überhaupt etwas "losgehen" konnte, haben zwei Zivilfahnder Personalien von zwei Genossen in "szenetypischer Kleidung" aufgenommen und ein Einschreiten angedroht für den Fall, dass wir mit mehr als drei Leuten zusammenstehen und "eine politische Meinung bekunden" würden. Unter den Umständen wäre es unklug gewesen und hätte in keinem Verhältnis gestanden, wenn wir, dem Staatsschutz noch mehr Personalien geopfert hätten. Wir müssen aber unbedingt dran bleiben! Wir müssen diesen Ordnungs- und Sicherheitsfetischisten von der SPD zeigen, dass ihr Handeln mit dem wie wir in dieser Stadt leben wollen nichts zu tun hat!