Portrait Spike Lee: Zu kritisierender Kritiker
Regisseur Spike Lee kritisiert den neuen Tarantino Film „Django Unchained“. Er verharmlose die Sklaverei. Gesehen hat er den Film aber nicht.
Spike Lee ist nicht erfreut. „Die Sklaverei war kein Sergio-Leone-Spaghetti-Western“, twitterte der New Yorker Regisseur. „Sie war ein Holocaust. Meine Vorfahren sind Sklaven. Gestohlen aus Afrika. Ich werde sie ehren.“
Der Grund für Lees Einlassung ist „Django Unchained“, der neue Film von Quentin Tarantino, der in den USA seit dem 25. Dezember im Kino läuft. Tarantino lehnt sich ans Genre des Spaghetti-Western an, um eine Südstaaten-Geschichte aus jener Zeit zu erzählen, in der die Abolition noch ein ferner Traum war.
Das Wort „Nigga“ fällt in dem Film etwa 40-mal, und auch wenn eine der zentralen Figuren ein befreiter Sklave ist, dem das Drehbuch eine beachtliche Entwicklung zugedenkt, staunt man über die Unverfrorenheit, mit der „Django Unchained“ das historische Sujet mit Exploitation-Schauwerten ummantelt: halbnackte Frauen zucken unter Peitschenhieben, Sklaven müssen sich Schaukämpfe bis zum Tod liefern, Bluthunde reißen einen Mann in Stücke.
Der 1957 geborene Lee wiederum hat sich in seinen Filmen immer wieder für die Belange der afroamerikanischen Community stark gemacht. „Do the Right Thing“ (1989) zum Beispiel ist fast so etwas wie ein Brecht’sches Lehrstück, das verfolgt, wie die Spannung an einem heißen Sommertag in Brooklyn steigt, bis es zum Aufstand kommt; Reibereien zwischen Italoamerikanern und Afroamerikanern spielen dabei eine große Rolle.
1992 wagt er sich an eine der großen und umstrittenen Persönlichkeiten aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegung; die Filmbiografie „Malcolm X“ mit Denzel Washington in der Titelrolle ist das Resultat. In „When the Levees Broke“, einem Dokumentarfilm über den Hurrikan „Katrina“, attackiert Lee den Rassismus der Behörden, und „Bamboozled“ (2000) ist ein ätzender Kommentar auf die Rolle von Schwarzen im Showbusiness. Kein Wunder also, dass sich Lee an Tarantinos Genre-Spaß reibt.
Doch seine Kritik hat eine schwache Stelle. Er kennt den Film nicht. „Es wäre respektlos gegenüber meinen Vorfahren, diesen Film zu sehen“, sagte er in einem Interview. Nicht das beste Signal von einem, der die Macht des Vorurteils so oft attackiert hat .
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen