piwik no script img

Wahlen in IsraelKandidatin per Gerichtsurteil

Das Enfant terrible der Knesset, Chanin Soabi, kämpft nicht gegen die Demokratie, sondern gegen den „rassistischen Staat Israel“.

Darf wieder kandidieren: Chanin Soabi. Bild: dapd

JERUSALEM taz | Chanin Soabis Chancen, israelische Staatsbürgerin zu werden, wenn sie es nicht schon wäre, stünden schlecht. Die streitbare Politikerin müsste auf den „jüdischen und demokratischen Staat“ schwören, was in ihren Augen ein Widerspruch ist. Am Sonntag entschieden die neun Richter am Obersten Gerichtshof in Jerusalem einstimmig, dass die arabische Abgeordnete bei den Wahlen in gut drei Wochen doch kandidieren darf. Das parlamentarische Wahlkomitee hatte im Dezember für ihre Disqualifizierung gestimmt.

Die 43-jährige Soabi aus Nazareth, die unverheiratet ist und bis heute bei ihren Eltern lebt, gilt als das Enfant terrible der Knesset. Als erste Frau, die auf einer arabischen Liste, der National-Demokratischen Versammlung „Balad“, ins Parlament einzog, kämpft seit vier Jahren für mehr Gleichberechtigung von Juden und Arabern in Israel und gegen die Besatzung Palästinas.

Ihre Rolle in der Affäre „Mavi Marmara“, bei der im Mai 2010 neun Aktivisten ums Leben kamen, als israelische Soldaten das türkische Passagierschiff vor der Küste des Gazastreifens abfingen, ließ Soabi vollends ins politische Abseits rücken. Sie gehöre nicht in die Knesset, sondern ins Gefängnis, forderte die Abgeordnete Anastasia Michaeli (Israel Beteinu) damals.

Auf Initiative von Ofir Akunis (Likud) stimmte das Wahlkomitee für die Disqualifizierung Soabis. Er habe „aus tiefer Überzeugung“ agiert, so Akunis, dass „eine Demokratie das Recht hat, sich vor denen zu schützen, die sie von innen vernichten wollen“.

Soabi kämpft nicht gegen die Demokratie, sondern gegen den „rassistischen Staat Israel“, wie sie sagt, „in dem 1,2 Millionen Bürger am Rande der Gesellschaft leben“. Eine gerechte Lösung ist in ihren Augen entweder ein Staat für beide Völker oder Palästina an der Seite eines zweiten Staates „für alle Bürger“. Der Kampf für volle Gleichberechtigung sei der einzige Weg, Demokratie zu erreichen.

Drei Sitze hat Balad im jetzigen Parlament, was sich kaum ändern wird, denn die Wahlbeteiligung der israelischen Araber liegt bei knapp einem Drittel, was Soabi bedauerlich findet. Im Gegensatz zu der energischen Politikerin „nuscheln sich viele von uns so durch“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • A
    A.Bundy

    @Marco Hoffmann

     

    Wie oft willst du eigentlich noch auf dieselbe Seite verlinken?

    Frag doch den ollen Schlesinger einfach nach seiner Adresse, dann kannst du ihm vielleicht schon bald so "richtig" in den Allerwertesten kriechen. Viel Spaß! >:D

     

     

    @end.of.whatever

     

    Q.: Woran erkennt man ein Judenhasser-Groupie?

    A.: Es glaubt, dass jüdisch und demokratisch ein Widerspruch sei.

     

    Im Gegensatz zu arabisch und demokratisch, russisch und demokratisch, chinesisch und demokratisch usw., usf..

  • MH
    Marco Hoffmann

    Hat das durchnuscheln auch etwas damit zu tun, das in den Ausweispapieren bei staatsbürgerschaft oder religion ersichtlich ist, das man nur "inside displaced person" ist und vom wahlkomitee komisch angeguckt wird? Ist der Urnengang für nicht-juden in israel ein diskriminierungserlebnis?

     

    Das mit den Nummernschildern habe ich auch noch nicht verstanden, ich habe gesehen, das die gelben zum baden ans tote meer durchgelassen wurden und die anderen von der straßensperre zur umkehr gezwungen wurden, aber ob die siedler dieselben nummernschilder haben wie mit hauptwohnsitz in tel aviv oder ob die nicht-jüdischen israelis dieselben nummernschilder haben wie die territories, habe ich noch nicht rausgefunden.

     

    Stichwort "unverheirate" und "wohnt noch bei ihren Eltern": als nicht-jüdin mit einem angeheirateten bundesdeutschen taz-mitarbeiter in einer arabischen gemeinde in israel ein haus bauen geht nich wegen is nich:

     

    "

    für arabische Gemeinden gibt es seit vielen Jahren keine vom Staat genehmigten Bebauungspläne ; das hat zur Konsequenz, dass palästinensische Gemeinden in Israel nicht wachsen können . ( Man beachte: Dasselbe Recht, das Netanjahu mit großem Getöse von den Amerikanern und dem Rest der Welt einfordert, nämlich das Recht auf “ natürliches Wachstum” der jüdischen Siedlungen in der besetzten Westbank, wird den israelis chen Staatsbürgern palästinensischer Herkunft au f “ ihrem” Staatsgebiet” verweigert. )

     

    dürfen zwar de jure Palästinenser heiraten, die außerhalb von Israels Staatsgebiet wohnen. Für die Ehepartner aus Israel bleibt allerdings nur de Wegzug, weil der Ehepartner von außerhalb keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder gar die Staatsbürgerschaft bekommt.

     

    [...]

     

    Mehr noch : Wer auf offizieller Seite ( das beinhaltet Behörden, öffentliche Einrichtungen, aber auch die Medien ) die Nakba in Form einer historischen Erinnerung zelebriert, wird strafrechtlich verfolgt.

     

    sind an den Universitäten stark unterrepräsentiert , aber nicht aufgrund fehlender Bildungsvoraussetzungen, sondern weil viele subtile Faktoren – insbesondere gesellschaftliche Abgrenzung - junge Palästinenser daran hindern, sich an den Universitäten einzuschreiben ( 1)

     

    werden systematisch daran gehindert in jüdischer Umgebung zu wohnen, weil Kommunen mi t mehr als 400 Einwohnern von Rechts wegen zus teht, dass sie im Gemeinderat / der Gemeindeversammlung darüber abstimmen können, ob arabische Mitbürger in die Gemeinde ziehen dürfen. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wird das abgelehnt.

    "

    http://www.transatlantikblog.de/2012/07/16/eklat-palaestinatage-muenchen-israel-demokratie-haneen-zoabi/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+transatlantikblog%2FCYNG+%28Transatlantikblog%29

  • MH
    Marco Hoffmann

    Das sind zitate in den Anführungszeichen.

     

    Ich hatte eine 3gb videodatei von der mavi marmara, da ist haneen zoabi drauf. Ich hab es nicht fertig gebracht alles anzugucken, vielleicht is da auch furkan dogan etc. drauf. Nu isse beschlagnahmt. B-)

     

    Man hätte ruhig statt "Rolle" von mutigem Einsatz für die Menschenrechte schreiben können und eine Affäre wie die iran-contra-affäre ist ja auch wertend belegt.

     

    Der Prozeß in istanbul ist ja vertagt, sind bei den 450 klägern aus knapp 40 ländern eigentlich uch die drei bundestagsabgeordneten, von deren interviews auf der mavi mamara ich screenshots aus dem livestream habe, der lief, bis der netzwerkadministrator (ein journalist) ermordet wurde (bbc hat se noch, sind auch beschlagnahmt) oder ist das geheim?

  • E
    end.the.occupation

    Q.: Woran erkennt man ein Zionisten-Groupie - ein Wesen, das glaubt, dass jüdisch und demokratisch kein Widerspruch sei?

    A.: Es schreibt keinen einzige arabischen Namen richtig.

     

    Q.: Woran erkennt man Staatspropaganda?

    A.: Fakten werden in Anführungszeichen gestellt.

  • A
    abumidian

    Sind die Wahlen wichtig? Werden sie etwas verändern? Ist ein weiteres Ablenkungsmanöver zu erwarten: wiedermal ein Angriff auf den Gazastreifen oder ein Scharmützel in Damaskus oder Kairo?

    http://www.alsharq.de/2012/mashreq/israel/vor-die-wahl-gestellt/

  • H
    Herbert

    Fr. Zoabi ist ein Opfer des Rechtsrucks in Israel. Über sie werden beständig haltlose Lügen verbreitet. Gegen Zoabi liegt nichts vor, außer dass sie auf der Anerkennung des Unrechts gegen die palästinenische Bevölkerung pocht. Deswegen konnte das oberste Gericht in Israel nicht anders entscheiden. Mal sehn wie lange die rechten Kräfte in Israel das noch zulassen, denn: Israel hat keine Verfassung und per Gesetz können die Rechte des Gerichtshofs leicht eingeschränkt werden.

    Schade, dass die Autorin diese mutige Frau als "enfant terrible" lächerlich zu machen sucht. Das liegt ganz auf der Linie der Überheblichkeit, die in Israel gegenüber Palästinensern an der Tagesordnung ist.

  • D
    D.J.

    @Perdita Durango,

     

    Danke für diesen unideologischen Beitrag, der in Kommentarspalten, wenn es um Israel/Palästina geht, nur sehr selten zu finden ist! Möge es im neuen Jahr mehr davon geben. Das Problem ist nur: Israel wird, anders als von der israelischen Rechten lange Zeit angedacht, die Westbank nicht annektieren (Gaza schon gar nicht), sondern lediglich Teile davon. Die Angst vor einer arabischen Bevölkerungsmehrheit ist viel zu groß. Die Palästinensergebiete werden somit bedauerlicherweise noch lange in einem ungeklärten Status verharren. Es ist mir übrigens ein Rätsel, warum die m.E. beste Lösung - Angliederung an eine jordanisch-palästinische Föderation - welche (man kann ja träumen) irgendwann eine Konföderation mit Israel bilden könnte - nicht oder kaum erwogen wird.

    Dessen ungeachtet muss der israelische Staat natürlich verbliebene Formen der Diskriminierung gegenüber seinen eigenen arabischen Staatsbürgern aufheben (dass es diesen besser geht als den allermeisten Arabern in Nicht-Öl-Staaten, ist Fakt, den die Israelhasser nicht wahrhaben wollen - ändert aber nichts an bestimmten Benachteiligungen, z.B. beim Landkauf).

  • PD
    Perdita Durango

    Das ist nur folgerichtig, da es auf absehbare Zeit keinen palästinensischen Stat geben wird -- warum auch, mit einer faschistoiden hamas und einer korrpten Fatah ist eben kein Staat zu machen.

     

    Der lange verzögerte Tod der Zeistaatenlösung aber hat die Konsequenz, dass es für die arabischstämmige Bevölkerung eine Alternative für die Zukunft gibt. Diese liegt logischerweise nun in Israel, und dieses Israel muss sein verhältnis zu den arabischen -- also muslimischen und christlichen Bürgern -- nun klären.

     

    Also legt Soabi die Finger in die Wunde des demokratischen Staates Israel: "Sag, wie hälst du es mit der Religion?" Eine Demokratie kann weder Unterscheide machen zwischen den religiösen Bekenntnissen noch der ethnischen Zugehörigkeit ihrer Bürger (was man allerdigs auch in Europa bis heute nicht vollständig verstanden hat) machen.

     

    Gleichberechtigung ist die Grundlage einer funktionierenden, freiheitlichen Gesellschaft. Gut ist, dass in dieser Phase in Israel die politiche Rechte die Mehrheit besitzt. Nun musss sie die Zukunft formen -- und kann selbst Kompromisse eingehen, für die sei die Linke zerfetzen würde, wenn diese an der Regierung wäre.

  • JB
    Jan B.

    Und ihre Unterstützung für die Hamas-Raketen gegen israelische Zivilisten ist vermutlich wohl auch nur Bestandteil ihres Kampfes für "Demokratie".

     

    http://elderofziyon.blogspot.kr/2011/04/israeli-arab-mk-defends-gaza-rockets.html