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TV-Doku über gewalttätige UN-SoldatenSugardaddys von der UN

Kein Freund und Helfer: Die ARD-Dokumentation „Gefährliche Helfer“ erzählt von UN-Soldaten als Vergewaltiger.

UN-Soldaten hinterlassen manchmal auch Opfer. Bild: WDR

FARDC, FDLR, CNDP (beziehungsweise M23), LRA – die bewaffneten Gruppen, die in den vergangenen Jahren im östlichen Kongo operierten, vertrauen auf die legitimierende Wirkung von Akronymen, deren Buchstaben für Begriffe wie Demokratie, Befreiung, Volk oder gar Gott stehen.

Monusco ist auch eine bewaffnete Gruppe, die im östlichen Kongo operiert. Die Buchstaben besagen aber, dass es sich um die UN-Mission im Kongo handelt. Also um die Guten, die die Zivilbevölkerung beschützen. Möchte man im fernen Europa meinen. Schließlich haben die UN-Blauhelme 1988 den Friedensnobelpreis bekommen.

Den hat auch Barack Obama bekommen, zwei Dekaden später, und er kam in seiner Preisrede wiederum auf den Kongo zu sprechen, namentlich auf das Thema sexuelle Gewalt dort.

Und nun bringen Pagonis Pagonakis und Marcel Kolvenbach Blauhelme und sexuelle Gewalt in einer Dokumentation zusammen: „Gefährliche Helfer – Sexuelle Gewalt durch UN-Soldaten“. Es geht ausschließlich um den UN-Einsatz im Kongo, die größte und kostspieligste Friedensmission, die es jemals gab.

Ein lukratives Söldnergeschäft

Die beiden WDR-Autoren erzählen „nach langen Recherchen“ eine Geschichte, die wenig vom Bild der guten Blauhelme übrig lässt: Die größten Truppensteller sind arme Länder wie Indien, Pakistan, Bangladesch, für sie sind die von der UNO bezahlten Blauhelmeinsätze vor allem ein lukratives Söldnergeschäft. In den Flüchtlingslagern, wo sie die Menschen schützen könnten, sind die Blauhelme nicht präsent. Lieber verbarrikadieren sie sich in eigenen Lagern. Wenn, wie kurz nach den Dreharbeiten im November 2012 geschehen, die M23-Rebellen in die Provinzhauptstadt Goma einmarschieren, tun sie nichts.

Begründung: Ihr Mandat lasse das nicht zu. Und UN-Soldaten vergewaltigen die Frauen im Kongo, so wie es andere Soldaten auch tun. Sie gehen zu Prostituierten, die letztlich auch Vergewaltigte sind, weil sie sich aus existenzieller Not prostituieren müssen. UN-Mitarbeiter – nicht nur die Soldaten – gerieren sich als Sugardaddys, die sich aus dem Staub machen, in ihre Heimatländer, sobald ein UN-Baby unterwegs ist. Im Grunde sind die Blauhelme auch nur Sextouristen mit Kopfschutz. Die UNO und ihren Truppensteller helfen den missbrauchten Frauen nicht.

Pagonakis und Kolvenbach fahren für ihre Doku in 45 Minuten nicht wenige Zeugen auf. Sie gehen über die Grenze nach Uganda. Sie fragen auch nach anderer als sexueller Ausbeutung. Sie fragen auch nach anderen Vergewaltigern, nach Tätern außerhalb der UN-Mission.

Der Belgier David Van Reybrouck schreibt in seinem Buch „Kongo – Eine Geschichte“ über den Zustand des östlichen Kongo in den Jahren nach den Wahlen 2006: „Sexuelle Gewalt war eine Waffe, deren sich alle Parteien bedienten. Straflosigkeit herrschte.“ Und herrscht den Autoren folgend bis heute – auch bei den Blauhelmen.

„Gefährliche Helfer“, Montag, 14. Januar, 23.30 Uhr, ARD

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8 Kommentare

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  • I
    irmi

    Nasiru Opkonowiye: Aber nur durch Dokumentarfilme wird bekannt was dort geschieht.

  • NO
    Nasiru Opkonowiye

    Ich habe es satt, dass die TV-Sender und so genannten Dokumentaristen minderjährige Kinder und arme, ungebildete Frauen und Männer in Afrika für ihre so genannten Dokumentarfilme missbrauen. Ich möchte wissen, ob sie jedem einzelnen Interviewpartner erklärt haben was mit den Interviews geschieht. Ich kann solche verlogenen Filme nicht mehr sehen! Obwohl ich mir über das Problem bewusst bin. Es sollte thematisiert werden, aber dann bitte als Re-Enactment, mit Darstellern (vor mir aus authentischen Darstellern), die man anständig bezahlt und auch informiert. Die Filmemacher machen sich sonst der Ausbeutung schuldig.

  • I
    irmi

    habe mir den Film gerade angesehen. Es ist erschütternd einerseits weil die UN Soldaten eigentlich dafür da sind die Menschen und besonders die Frauen zu schützen und sie dann wie die Landesarmee, die Milizen, die Rebellen auch vergewaltigen. Andererseits ist auch zu verstehen, das Frauen (nicht die Mädchen) sich prostituieren damit sie Essen haben, oder was vielen so wichtig ist Schulbildung zu bekommen.

    Scheint wohl so zu sein, dass alle Vorschriften die Frauen nicht anzufassen nutzlos zu sein, wie so viele andere Abkommen.

    Wenn die UN Soldaten Frauen brauchen, soll die UN ihre eigenen Prostituierten mitbringen, die dann in deren UN Lagern leben.

  • JB
    Jochen Braun

    Weil sich die europäischen Staaten und die USA kaum personell in UN Missionen engagieren und daher ein Grossteil der Blauhelme aus Indien, Pakistan, Nigeria und anderen Ländern kommt, werden diese Missionen in Deutschland kaum beachtet.

    Die UN Blauhelme im Kongo sind oftmals schlecht ausgerüstet und ausgebildet, auch weil die Bitten der UN um zumindest materielle Unterstützung durch die reichen Staaten auf wenig Resonanz stösst. Da sitzen also diese Jungs im Ostkongo, in einer Region dessen Sprache sie meist nicht sprechen, fahren Patroulien in ungepanzerten Fahrzeugen und mit nur leichter Bewaffnung, haben ein Gebiet der Grösse Mitteleuropas zu schützen und stehen einer Vielzahl ständig wechselnder Koalittionen von Rebellengruppen gegenüber, und es wird sich gewundert, dass diese Soldaten lieber den Kopf einziehen wenn es knallt?

    Ich arbeite seit fast 20 Jahren für verschiedene Hilfsorganisationen und habe gesehen wieviele UN Soldaten jedes Jahr ihr Leben verlieren, wie widersinnig oftmals die Befehle aus New York sind, wie frustriert die Soldaten sind.

    Es gibt Prostitution wie fast überall in der Umgebung von Kasernen, das muss mensch nicht mögen, es ist aber Realität, und es geht den Frauen bei den UN Soldaten wohl kaum schlechter als bei den Minenkamps 30 km weiter.

    Es gab immer wieder einzelne Fälle von Vergewaltigungen durch UN Personal und Fälle von sexueller Ausbeutung (Essen gegen Sex), diese können teilweise aufgeklärt werden, teils nicht. Das Interesse an einer Aufklärung ist leider auch bei Hilfsorganisationen nicht sehr weit verbreitet.

    Es ist dennoch infam die Einzelfälle von Vergewaltigungen durch UN/NGO Personal mit den systematischen Vergewaltigungen und Misshandlungen durch die FDLR und anderer Gruppen gleichzusetzen.

    Bei den Einen gilt Vergewaltigung als Verbrechen, bei den anderen als legitime Kriegswaffe.

     

    Europa und gerade Deutschland verstecken sich immer schön hinter der Strasse von Gibraltar und lassen lieber die Soldaten armer Länder für die UN Missionen arbeiten und sterben. Kritik ist sinnvoll und nötig, aber gerade französische Medien kritisieren gerne die UN, schweigen aber meist zu Aktionen wie der "Operation Turquoise" in Ruanda oder dem Festhalten Frankreichs an den überkommenen Strukturen des Weltsicherheitsrates.

     

    Mit freundlichen Grüssen aus Kinshasa/Dem. Rep. Kongo

  • A
    anke

    Wenn ich nicht mehr als 22 Jahre nach dem Ende der DDR längst begriffen hätte, was Pluralismus ist – ab heute wäre es mir klar: Pluralismus ist, wenn eine bekannte tages-Zeitung am Montag das berufliche Selbstbestimmungsrecht biodeutscher Berufs-Huren propagiert und am Dienstag darauf kongolesische Prostituierte kollektiv zu Vergewaltigungsopfern erklärt, weil sie die Kohle brauchen. Muss an der Farbe liegen, richtig?

     

    Irgendwie, finde ich, ist es kein Wunder, wenn die Leute scharenweise auf simple Wahrheiten und plumpe Propaganda abfahren oder gleich ihr Abo kündigen, wenn nicht mal mehr ihr Lieblingsmedium einigermaßen widerspruchsfrei "informiert". Die hält man ja im Kopf nicht aus, diese Kakophonie in Überlautstärke! Aber das ist wahrscheinlich das Großartige an der aktuellen Form der Meinungsfreiheit: Zensieren muss sich jeder selbst. Und zwar erst in dem Moment, in dem ihm das Medium seines Vertrauens erklärt, wie gefährlich es ist, wenn wildfremde Leute mit etwas technischem Aufwand eine Meinung mit einem Namen in Verbindung bringen können. Achtung, Internet!

     

    Angst wirkt. Verstand offenbar nicht. Schade eigentlich. Immerhin geht es in dem Text ja um die negativen Begleiterscheinungen von UN-Blauhelm-Einsätzen. Die, die solche Einsätze beschließen, brauchen sich mit offensichtlichen Ungereimtheiten gar nicht zu befassen. Wie schön für Leute, die ohnehin glauben, sie könnten nichts tun gegen die Gefahren, die mit dem "Helfen" leider verbunden sein können, weil Menschen nun mal Menschen sind.

     

    Verantwortung? Ach, scheiß doch drauf, Sugardaddy!

  • H
    Harald

    UNwesen

     

    In den UN, "deren Buchstaben für Begriffe wie Demokratie, Befreiung, Volk oder gar Gott stehen", stinkt der Fisch vom Kopf her.

     

    Am perversesten ist der sogenannte "Menschenrechtsrat" wo die schlimmsten Staatsverbrecher die Mehrheit stellen.

     

    Wie kaputt das System UN ist zeigt, daß vergangenes Jahr von insgesamt 26 UN Resolutionen sich allein 22! in Worten: zweiundzwanzig, der Verurteilung des demokratischen Rechtsstaats Israel widmeten.

     

    So ist die UN der globale Antisemitismusmotor, in dessen GA die Bluthenker dieser Welt, verkleidet als Operettenfürsten, ihr UNwesen treiben. Wen also wundert's, wenn quer zu den Strukturen die gleichen Typen am Werk sind. Nur unten gehts halt 'etwas' direkter zu.

     

    Sicher, zu einer globalen Staatenorganisation gibt es keine Alternative. Nur sollte die Glorifizierung in der Berichterstattung endlich aufhören.

     

    Was nicht geschehen wird. Zu verlockend ist das Angebot, den herrschenden, aberwitzigen Antisemitismus im Gewand des 'Völkerrechts' zu präsentieren.

  • PB
    Philipp B

    Ohne das Leid der Frauen irgendwie marginalisieren zu wollen:

    Interessanter Kontrast zwischen dem Artikel und diesem:

    http://www.taz.de/Film-ueber-Sextourismuns/!108297/

     

    Weibliche Sexarbeiter im Kongo sind Vergewaltigte, männliche Sexarbeiter in Kenia sind "Beach Boys".

     

    Sagt viel über das Geschlechterverständnis der taz-Redaktion aus, wirklich schade.

     

    Naja wer immer noch glaubt für die Rechte der Frau zu kämpfen, indem man biologischen Sexus und grammatikalischen Genus verwechselt...

  • D
    D.J.

    "Sie gehen zu Prostituierten, die letztlich auch Vergewaltigte sind, weil sie sich aus existenzieller Not prostituieren müssen."

     

    Nach meiner Überzeugung eine skandalöse Relativierung von Vergewaltigung.