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Luftverschmutzung in PekingMit Milch gegen den Krebs

Unser Autor lebt in Peking und bekommt gerade keine Luft mehr. Wie es sich anfühlt, wenn man sich mitten im Smog nach frischem Wind sehnt.

Der aktuelle Hit in Peking: Luftreiniger. Bild: dpa

PEKING taz | Er verspricht himmlische Frische. Zusammen mit einem eingebauten Ionisator sei das schwedische Produkt laut Eigenbeschreibung in der Lage, in einem 16-Quadrat-Meter-Zimmer 99,97 Prozent der Partikel größer als 0,1 Mikron zu filtern – bei voller Leistung innerhalb einer halben Stunde. Er ist momentan der absolute Renner in Peking. Die Rede ist vom Luftreiniger.

Seitdem die Luftverschmutzung in Peking an diesem Wochenende neue Rekordwerte erreicht hat, sind die umgerechnet rund 300 Euro teuren Geräte in der gesamten Stadt so gut wie ausverkauft. Auf Taobao, dem chinesischen Gegenstück zu eBay, werden sie bereits für umgerechnet 1.000 Euro und mehr versteigert.

Offiziellen Angaben zufolge lagen die Feinstaubwerte am Wochenende zeitweise bei über 700 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die US-Botschaft, die eigene Untersuchungen vornimmt, hatte zwischendurch sogar 884 Mikrogramm gemessen. Und auch am Montag stiegen die Werte wieder dramatisch an. 20 Mikrogramm beeinträchtigen laut Weltgesundheitsorganisation die Gesundheit. Werte über 300 gelten als gefährlich.

Trotz dieser giftigen Schwaden – die meisten Pekinger wirken erstaunlich gefasst. Zwar hat am vierten Tag der gefährlichen Luftverschmutzung die Stadtverwaltung für ganz Peking Smog-Alarmstufe Orange ausgerufen. 54 Fabriken im Stadtgebiet müssen seit Montagmorgen ihren Schadstoffausstoß reduzieren. 28 Großbaustellen haben die Arbeiten eingestellt. Die Grund- und Mittelschüler sollen ihre allmorgendliche Frühgymnastik nicht draußen abhalten. Zudem hat Pekings Führung Regierungsangestellte dazu aufgefordert, ihre Autos stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.

Kinder in Smogschwaden

Leerer als sonst sind die Straßen aber nicht. Auf den vier großen Ringstraßen staut sich der Verkehr wie an jedem Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. Und auch in den Gassen wuseln die Pekinger im Freien herum, als handele es sich bei dem nach Schwefel riechenden Nebel bloß um Abenddämmerung. Spielende Kinder waren am Sonntag auf den Straßen in Smogschwaden ebenfalls anzutreffen – viele ohne Mundschutz.

Der war in vielen Drogerien übrigens ebenfalls ausverkauft. Und wenn es noch welche gab, dann nur die günstigen aus Japan im Dreierpack, die im Gesicht so passungenau sitzen, dass der Atem bei Brillenträgern das Glas beschlägt. Das heißt: So viel Atemluft an der Seite herausströmt, so viel Außenluft strömt von der Seite auch unter die Maske – und damit wieder in die Atemwege.

Schlaganfälle, Herzerkrankungen, Atemwegsleiden

Anders als in der jüngeren Vergangenheit berichten die chinesischen Medien ausführlich über den Extremsmog. Haben die staatlich kontrollierten Zeitungen an vergangenen Smogtagen lediglich von „dichtem Nebel“ geschrieben, wird nun ganz klar vor den gesundheitlichen Folgen gewarnt. Ärzte mahnen, die hohe Schadstoffkonzentration könne Schlaganfälle, Herzerkrankungen, Atemwegsleiden, Geburtsschäden oder Krebs auslösen.

Eine chinesische Webseite empfiehlt Milch. Das würde die Giftstoffe im Körper binden. Das mag auf den Magen zutreffen. Wie das tierische Eiweiß aber auch den Feinstaub in der Lunge binden soll, wird auf der Seite nicht erklärt.

Bleibt als unmittelbarer Schutz nur der Luftreiniger – auch wenn wissenschaftlich gar nicht erwiesen ist, ob er wirklich gegen Smog hilft. Ein Blick auf den austauschbaren Filter beantwortet diese Frage aber: ganz dunkel – nach nur halbjährigem Betrieb. Und besser, dieser Dreck klebt am Filter als in der Lunge. Produkttest bestanden.

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4 Kommentare

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  • O
    oberham

    Erinnert sich noch jemand an das London der 50er im Winter 52, da sind binnen kurzer Zeit (etwa 4 Tage) tausende gestorben.

     

    Aber die Chinesen sind wohl widerstandsfähiger, oder die Presse schreibt wie hier eben, über die Luftfilter und die Gesundheitsgefährdung, die Toten sind ja grundsätzlich nicht mehr wichtig.

     

    Kürzlich (habe leider den Link nicht mehr... - darf man hier ja auch nicht - bitte selber suchen) las ich von ca. 200.000 Toten im Großraum Peking aufgrund von unmittelbaren Folgeschäden der Umweltverschmutzung (auch Wasser etc.).

     

    Aber das ist sich nur haltlose Propaganda, nicht wahr?

  • K
    Kotzbrech

    Wahnsinn ! Diese chinesischen Wachstumsraten ! Dieser nicht endende Auto-Boom ! Und unsere Edelmarken Daimler BMW Audi in Pole Positions ! Wahnsinn .

     

    Dieser wahnsinnige Vollpfosten-Totalidiotismus des automobilen Individualverkehrs in Ballungszentren .

    Es wird Zeit , unsere Spezies umzubenennen :

    von homo sapiens sapiens in : homo stultus plennissimus .

    (...bei mir , am Rande einer Großstadt , bekomme ich regelmäßig schon einen dicken Hals , wenn ein einziger Kleinmotoradfahrer mit seinem Zweitakter auf ein paar Hundert Metern die Luft unentrinnbar verstänkert hat )

  • A
    anke

    Sagen Sie bitte, Herr Lee: Wie wird Ihr Luftreiniger eigentlich betrieben? Mit Batterien oder elektrisch?

     

    Kommt die Energie dafür womöglich nicht bloß aus der Steckdose, sondern zuvor aus einem jener Betriebe, deren Schornsteine gerade in Schweden für steigende Gewinne sorgen – und in Peking für schlechte Sicht? Und natürlich dafür, dass es in China inzwischen eine Mittelschicht gibt, deren Konsumverhalten ein mehr als 300%-iges Preiswachstum bei technischen Geräten erlaubt? Ein Wachstum, das man sich zwar schenken könnte, wenn nicht ausnahmslos alles und jeder nach Möglichkeit mehrstellig wachsen müsste im bevölkerungsreichen Land der Mitte. (Weil "das Volk" sein Glück mit Händen greifen können muss, wenn es nicht aus Versehen die Regierung lynchen soll.) Aber immerhin ein Wachstum, das laut offizieller Import-Ideologie als wichtigstes Maß für die Modernität und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft gilt?

     

    Nun: So lange "das Volk" schön gelassen bleibt, weil größere Proteste momentan eher eine Krebserkrankung zur Folge hätten als eine Verbesserung der Lage, ist vermutlich alles in Ordnung in Peking. Smog, kann ich mich erinnern, gab es früher in Weimar auch. Der verfliegt von selber, wenn "die Wirtschaft" erst einmal weiter gezogen ist, weil Arbeit anderswo billiger war.

  • TR
    the real günni

    krass krass krass

     

    ich habe lange in mailand gelebt und bin dort auch wegen der luftverschutzung weggezogen. ganz norditalien mit seiner industrie hat auch durch alpen und appenin eine kessellage. 70 autos kommen auf 100 menschen, oeffentliche verkehrsmittel sind auf ganz schlechtem niveau. wohnhaeuser sind alle schlecht isoliert, heizung laeuft mit oel, alles zentral, meine heizkoerper konnte ich nicht ausstellen, daher immer fenster auf und 25 grad in der wohnung. fand ich unfassbar, aber schien bei allen meinen bekannten aehnlich zu sein.

    bei induktionslage genau das gleiche lied, alle hoffen auf wind. nach 3 tagen bildet sich ein schmierfilm auf der windschutzscheibe der autos. die sichtweite sinkt auf 100 meter, die kreuzung am ende der strasse erkennt man kaum noch. und das bei feinstaubwerten von PM10 150. was der autor in peking gerade durchmacht, kann ich mir kaum vorstellen. und das absolut kranke ist, dass alle weiter autofahren, aber im fahrzeug ist die luft natuerlich auch nicht so schlecht. uebertragen haben wir zwar nicht ganz so schlechte luft hier in deutschland, aber das gleiche bewusstseinsproblem. in den staedten sollte eigentlich der verbrennungsmotor ausgedient haben, es gibt genuegend alternativen an transportmitteln.

    wer da wohl dahinter steckt...