piwik no script img

EU will Fluggäste gläsern machenDatenspeicherung hintenrum

Eine Ausschreibung im Netz macht klar: Die EU-Kommission will nach US-Vorbild Fluggastdaten speichern. Das EU-Parlament wird nicht gefragt.

Zukunftsszenario: Er liegt auf der Bank, seine Daten tun es auch. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission will für den Aufbau einer europäischen Fluggastdatenbank 50 Millionen Euro ausgeben – ohne dafür ein politisches Mandat des Europäischen Parlaments zu haben.

Die EU-Behörde hat eine entsprechende Ausschreibung im Internet veröffentlicht. Dies wurde an diesem Dienstag bekannt: „Die EU-Kommission hat dafür keine Rechtsgrundlage. Das ist eine absolute Anmaßung auf Kosten der Steuerzahler und der Demokratie“, kommentierte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro das Vorhaben. Bisher hat das EU-Parlament einer solchen Datenbank nämlich nicht zugestimmt.

Die EU-Kommission bestreitet zwar, dass es sich bei der Ausschreibung um einen Auftrag für den Aufbau eines zentralen EU-weiten Systems handelt. Sie räumt aber ein, dass mit den Forschungsgeldern nationale Datenbanken in den EU-Staaten geschaffen werden sollen. Vorbild für die EU-Datenbank ist das US-amerikanische System mit dem schon seit Jahren Daten von Fluggästen gesammelt und ausgewertet werden, um verdächtige Passagiere direkt am Flughafen abfangen zu können.

Im April vergangenen Jahres hatte sich eine Mehrheit der EU-Innenminister für die Schaffung einer europäischen Datenbank für Passagierdaten ausgesprochen. Österreich stimmte dagegen. Dänemark will auf keinen Fall mitmachen, und Deutschland hat sich enthalten.

"Mit dem Grundgesetz nicht vereinbar"

In Berlin bemängelt man die langen Speicherfristen für die Daten. Alexander Alvaro geht sogar davon aus, dass diese nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. „Das zeigt auch das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Vorratsdatenspeicherung. Dies wäre ein sehr ähnlicher Fall.“ Die Daten der Passagiere sollen fünf Jahre lang gespeichert werden.

Auch die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Birgit Sippel hält die eigenmächtige Ausschreibung der EU-Kommission für einen „Skandal“. Außerdem fehle bisher jeder Beleg dafür, dass die Sammlung von Passagierdaten effektiv ist, um Terrorismus und schwere Verbrechen zu bekämpfen.

Der Kommissionsvorschlag zur Verwendung von Fluggastdatensätzen, der derzeit im Parlament noch in den Verhandlungen steckt, soll angeblich der Verhütung und Aufklärung von Terrorattacken dienen. Die Richtlinie würde Fluggesellschaften dazu verpflichten, bis zu 19 verschiedene Daten von Passagieren – wie etwa ihre Reiseroute, Anschrift und Zahlungsart – an die Behörden der Mitgliedstaaten weiterzuleiten.

Im EU-Parlament ist der Vorschlag höchst umstritten. Bisher konnten sich die Abgeordneten auf keine gemeinsame Linie einigen. Aber erst dann können die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten beginnen. Dies kann sich noch Monate hinziehen.

Alexander Alvaro und Birgit Sippel wollen nun in einer schriftlichen Anfrage von der EU-Kommission eine Erklärung für die ominöse Ausschreibung haben. Geplant soll die bis Mitte April laufen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • A
    Arbeitbeschaffung

    Vor einer "ominöse Ausschreibung" ist der Auftragnehmer häufig bekannt. Schily, Bosch, Byometrics systems AG?

    Das geht meist aus der Leistungsbeschreibung hervor.

     

    Eine kurzfristige Datenspeicherung in entsprechenden Bereichen ist vielleicht sinnvoll.

    Die Arbeit soll der Letzte übernehmen, zur Entlastung der Banken und Behörden.

     

    Speicherung aber nicht 5 Jahre lang, womöglich die Übernahme der Daten in die Datenbank der überlebenslangen Steuernummer Tax Identification Number, TIN, EU-Zinsinformationsverordnung.

    Wie häufig mal wieder schräg, halbherzig seitens EU durchdacht. Babys und Kinder werden steuerlich erfasst.

     

    Mit aller Macht will Deutschland hintenrum die bezahlt, geleistete Arbeit der mega Datenbanken, ELENA u.a. durchsetzen.

     

    Ein Klick und alle Lebens-/Bewegungsdaten sind sichtbar? Da freut sich die Industrie.

  • I
    IhrMeinName

    interessant wäre doch zu wissen wer hinter diesem vorhaben steckt oder es fördert welche kontakte da eine rolle spielen wer davon profitiert.

     

    und wundern würde es mich nicht das irgendwas an einem europäischem flughafen passiert damit wieder alle dieser überwachung zustimmen müssen

  • Q
    quer-ulantin

    Auch hier hat die EU-Kommission ihre schmutzigen Finger drin: sie will den Markt für die Privatisierung der Wasserrechte freigeben.

     

    Gegen die Privatisierung der Wasserrechte unterschreiben:

     

    http://www.right2water.eu/de

  • DD
    der dampfenden Kacke

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • S
    Seraquael

    Einfach herrlich,

     

    nachdem das Bundesverfassungsgericht unseren letzten drei Innenministern, die in unserem Grundgestz das sie geschworen hatten zu schützen eher ein Hindernis in Bezug auf Bürgerrechte und Datenschutz sahen, gezeigt hat das es wenigstens noch ein bisschen Persönlichkeitsschutz gibt, zumindest für die die ihr Leben nicht online bei Facebook und Co. führen, versucht nun diese miese, kleine, in Hinterzimmern zusammengemauschelte Gruppe von lobbyistenabhängigen Kommissaren wieder einmal an jedem demokratischen Prozess vorbei dem Bürger zu schaden.

     

    Das weiterhin so gut wie machtlose EU-Parlament kann nur fragen was los ist und ich als Bürger frage mich wozu wir diese Mischpoche die seit Jahren einen Kotau nach dem Anderen vor Wirtschaftlobbys und nicht zuletzt den USA macht, den Bürgern schadet und viele Meschen in Armut getrieben hat, überhaupt noch brauchen.

     

    Ich bin ein großer Fan der Grundidee EU aber die momentanen mafiösen Machenschaften und Strukturen sind der Tod der Demokratie und das Ende Deutschlands als Staat in dem es sich noch lohnt zu leben.

  • UM
    Ullrich Mies

    Diese EU-Kommission kann man nur noch abschaffen, sie arbeitet auf allen nur denkbaren Gebieten gegen die Interessen der Völker:

    Bahnprivatisierung, Wasserprivatisierung, Wettbewerbsterror, nationen-übergreifende Billigkräfte, Steuerdumping.

     

    Zum Kotzen, dieser Haufen.

  • B
    Bachsau

    Wo haben die eigentlich ihre Macht her? Und wer macht da eigentlich Programm? Ein Vorstoß gegen Bürgerrechte nach dem anderen, keine Kontrollinstanzen, und die setzen ihr Konzept von einer neuen Weltordnung um, oder wie? o_O