Finnland entdeckt Neonazis: Brutale Angriffe
Eine Messerattacke von drei Rechtsextremen rüttelt Medien und Politik auf. Bisher ließ man die finnischen Neonazis einfach gewähren.
STOCKHOLM taz | Drei mit Messern bewaffnete Neonazis drängen sich in eine Veranstaltung zur Vorstellung eines Buchs über Rechtsextremismus in Finnland, attackieren Wachleute und verletzen einen Besucher so schwer, dass er ins Krankenhaus muss.
Dieser Vorfall, der sich am Mittwochabend im finnischen Jyväskylä abgespielt hatte, werde hoffentlich Sicherheitsbehörden und Öffentlichkeit endlich aufwachen lassen, sagt Mikael Brunila. „Denn bis jetzt hat man der extremen Rechten hier freien Lauf gelassen.“
Brunila ist Mitverfasser von „Äärioikesto Suomessa“, des Buchs über die finnische rechtsextreme Szene, dessen Präsentation die zwischenzeitlich festgenommenen Neonazis verhindern wollten. Er wundert sich nicht, dass so etwas passieren konnte, war er doch ebenso wie die beiden MitverfasserInnen der Studie selbst mehrfach Drohungen und Attacken ausgesetzt. „Ein Problem mit dieser Szene ist, dass sie bislang niemand ernst genommen hat. Wir haben keine antirassistische Tradition in unserem Land.“
Vom Vorfall in Jyväskyla aufgerüttelt zu sein, scheinen nun aber nicht nur die Medien, sondern auch die Politik. Ministerpräsident Jyrki Katainen, zeigte sich „zutiefst betrübt“, verlangte „Nulltoleranz“ gegen alle Versuche, die Meinungsfreiheit einzuschränken und forderte „Hassrethorik und Rassismus müssen gestoppt werden“. Paavo Arhinmäki, Vorsitzender der Linkspartei, sprach von einem ernsten Zeichen.
Dass die extreme Rechte nun zu Gewalt greife, um demokratische Debatten zu sabotieren, dürfe man nicht als bloßen Einzelfall abtun. „Die Sicherheitsbehörden zeigen keinerlei aktives Interesse an diesen Gruppen“, wirft die Tageszeitung Hufvudstadsbladet Polizei und Verfassungsschutz vor. „Wie vieler Gewalttaten bedarf es eigentlich noch, bis sie als Bedrohung wahrgenommen werden?“
Mehrere Attacken
Laut Medienberichten standen offenbar Personen der Gruppe „Suomen Vastarintaliike“ (SVL – „Finnische Widerstandbewegung“) hinter der Jyväskylä-Attacke. Gegründet 2008 versteht sie sich selbst als „nationalsozialistisch“ und machte in den letzten Jahren wiederholt durch Gewalttaten auf sich aufmerksam.
So gegen die Gay-Pride in Helsinki, Wahlveranstaltungen und erst vor einem halben Jahr eine Gaspistolen-Attacke auf einen Politiker der Linkspartei. Ein Extremismusbericht des Innenministeriums ordnete die SVL zu Jahresbeginn als „Extremismus-inspiriert“, antidemokratisch und potentiell gefährlich ein.
Ein Bericht des finnischen Kulturzentrums „Hanaholmen“ und der schwedischen Antirassismus-NGO „Expo“ über „Organisierte Intoleranz in Schweden und Finnland“ weist auf die Verbindungen der rechtsextremen Szene zu den im Parlament vertretenen „Schwedendemokraten“ und „Wahren Finnen“ hin. Wie zur Bestätigung riet nach der Attacke der Vizevorsitzende der „Wahren Finnen“ den SVL-Aktivisten, wenn sie wieder eine Versammlung „besuchen“ wollten, nicht erkennbar als Gruppe und „Patrioten“ aufzutreten.
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