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Arabische Wahrnehmung HolocaustZorn und Mitleid

Omar Kamil untersucht die Erinnerung an den Holocaust in der arabischen Welt. Blockiert dort die Kolonialerfahrung eine angemessene Wahrnehmung?

Aufarbeitung in der Türkei: Eine Aktion jüdischer Schulkinder zum Holocaustgedanktag Bild: reuters

Im Jahr 1946 wurde der ägyptische Schriftsteller Taha Hussein in Haifa Zeuge einer Szene, die ihn nachhaltig beeindruckte. Er erlebte die Ankunft jüdischer Flüchtlinge, die in Europa der Vernichtung entkommen waren, und die Emotionen der arabischen Einwohner: Zorn auf die Einwanderer und Mitleid.

Diese Szene beschreibt Omar Kamil, Mitarbeiter am Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur in Leipzig, in seinem Buch „Der Holocaust im arabischen Gedächtnis. Eine Diskursgeschichte 1945–1967“. Für Kamil ist Husseins Beobachtung ein historisches Schlüsselereignis, reflektierte der Ägypter doch zu einem Zeitpunkt über den Zusammenhang zwischen dem Mord an den europäischen Juden und dem Kolonialismus, als man dies in Europa noch gar nicht denken wollte.

Während in Europa der Holocaust als Zivilisationsbruch zum zentralen Bezugspunkt von Geschichtserfahrung geworden war, nahm die arabische Welt das Ereignis nur eingeschränkt wahr. Bis heute beschränkt sich die Wahrnehmung der Vernichtung der europäischen Juden weitgehend auf den Kontext der „Palästinafrage“, der Holocaust wird oft geleugnet oder relativiert.

Sündenfall des 20. Jahrhunderts

Wie aber kam die Rede vom Holocaust in den arabischen Raum? Um das zu klären, nimmt Kamil einen Perspektivwechsel vor. Er zeichnet beispielhaft die Rezeption dreier europäischer Intellektueller im arabischen Raum nach: Arnold Toynbee, Jean-Paul Sartre und Maxime Rodinson. „Gemeinsam war ihnen, dass sie sich mit dem Holocaust und dem Kolonialismus befasst hatten“, erklärte Kamil auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

„Und alle waren von Kairo bis Bagdad herzlich willkommen.“ Ähnlich wie Taha Hussein 1946 in Haifa befanden sie sich als europäische Antikolonialisten mit teilweise jüdischem Hintergrund an einem Schnittpunkt der Geschichtserfahrungen.

Arnold Toynbee etwa war ein scharfer Kritiker des Kolonialismus. Der britische Gelehrte hielt nicht den Holocaust für den Sündenfall des 20. Jahrhunderts, sondern die jüdische Besiedlung und ihre Folgen für die Palästinenser. „Dies wurde im arabischen Raum herzlich aufgenommen“, so Kamil. Toynbee galt dort alsbald als europäischer Kronzeuge gegen den Zionismus.

Auch Jean-Paul Sartre, der in seinem legendären Vorwort zu Frantz Fanons „Die Verdammten dieser Erde“ die antikoloniale Gewalt legitimiert hatte, wurde von arabischen Intellektuellen gefeiert. Seine Erfahrung aber war auch geprägt vom französischen Antisemitismus. Doch anders als Sartre waren die arabischen Intellektuellen nicht zerrissen zwischen Judenvernichtung und Kolonialgewalt, Juden waren für sie nur die Kolonisatoren Palästinas.

Die Kluft

Als Sartre 1967 auf seiner Nahost-Reise neben Kairo auch Tel Aviv besuchte, empörte sich der ägyptische Schriftsteller Ahmad Abbas Salih: „Zweifelsohne herrscht zwischen uns und Ihnen eine Kluft.“ Als sich Sartre nach dem Sechstagekrieg mit Israel solidarisierte, wurde er zur Persona non grata.

Auch Maxime Rodinson befand sich als französischer Antikolonialist, der in Tripolis lehrte und dessen Eltern in Auschwitz ums Leben kamen, an einem Schnittpunkt der Erfahrungen. Anders als Toynbee und Sartre setzte er den Holocaust und die arabische Kolonialerfahrung nicht in einen verpflichtenden Zusammenhang. Einerseits weckte er so das Interesse liberaler Araber.

Andererseits war er wegen seiner jüdischen Herkunft immer auch Teil eines radikal antizionistischen Projekts. „Die arabische Welt benötigte jüdische Stimmen im Kampf gegen Israel, und eine von diesen war Rodinson“, schreibt Kamil. Bis in die Sechziger hatte man sich in Beirut, Kairo, Bagdad und Damaskus kaum mit dem Holocaust auseinandergesetzt.

Das änderte sich spätestens 1961, mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem. Zeitgleich beginnt die Dekolonialisierung. Für Kamil sind beide Ereignisse „Marksteine“ der Gegenläufigkeit der Gedächtnisse – einem von der Kolonialzeit bestimmten arabischen und einem europäischen, das um die NS-Verbrechen kreist. Dieser Zusammenstoß sei der Anfang einer Debatte gewesen: „Wie sollen sich arabische Intellektuelle angesichts ’eigener‘ Leiderfahrungen durch den Kolonialismus und ’fremder‘ Leiderfahrungen durch den Holocaust verhalten?“

Die Kolonialerfahrung blockiert Wahrnehmung

Gelingt es nun Omar Kamil anhand der selektiven Rezeption von Toynbee, Sartre und Rodinson nachzuweisen, dass die arabische Kolonialerfahrung, zu der er explizit auch die jüdische Besiedlung Palästinas zählt, eine angemessene Wahrnehmung des Holocaust blockiert? Die Studie ist ein Meilenstein in der Erforschung der Rezeption des Holocaust im arabischen Raum, die sich in Deutschland bisher auf den „Großmufti“ von Jerusalem zur Zeit der Nazis beschränkt, wie Kamil zu Recht kritisiert.

Die Sympathien der antikolonialen Bewegungen mit den Nazis aber gingen weit über die Figur des „Großmuftis“ hinaus – man denke nur an den pro-deutschen Putschisten Raschid Ali al-Gaylani oder das Farhud-Pogrom gegen irakische Juden 1941, das eben nicht von einem antikolonial motivierten Antizionismus getragen war, sondern vom Antisemitismus.

Dieser Zusammenhang bleibt ein blinder Fleck in Kamils Arbeit. Für das Verständnis des aktuellen Konflikts und der – begründeten – Angst jüdischer Israelis ist er indes bedeutend. Dass Kamil auf einige arabische Intellektuelle verweist, denen es gelang, sich dem „Sog des eigenen Opfernarrativs“, wie er es nennt, zu entziehen und neue Perspektiven auf die eigene Geschichte zu wagen, gibt da ein wenig Hoffnung.

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16 Kommentare

 / 
  • D
    D.J.

    @Thomas,

     

    Zwei Fragen:

    1. Warum ist eigentlich die Lebenserwartung in Gaza höher als in den meisten nicht-Öl-besitzenden arabischen Staaten?

    2. Warum ist die Gaza-Propaganda eigentlich immer so primitiv?

  • D
    Denninger

    Sehr geehrte Frau Rechtsanwalt Rölke-Sommer,

    Als europäisch und proisraelisch eingestellter Eidgenosse mit Bürgerrecht in Disentis verbitte ich mir die Pauschalisierung der europäischen Staaten als Kolonialisten.

    Auch der grosse Kanton hat nur ein unbedeutendes koloniales Erbe aufzuweisen.

  • T
    Thomas

    Hallo Murat,

     

    leider ist das auf vielen Gebieten vergleichbar, was Israel da treibt und was man man gruseliges den jüdischen Menschen angetan hat:

     

    Menschen werden eingesperrt - mit einem Zaun, der Videokameras und fernsteuerbare Maschinengewehre hat, so dass Töten zum Videospiel wird;

     

    Die Devisen werden abgenommen - Es gibt Zölle von Israel auf alles; Steuergelder werden nicht übergeben.

     

    Das Arbeiten wird verboten - Fischer werden vor der Küste samt ihrer Boote versenkt.

     

    Das Überleben wird verboten - UN- und DRK-Hilfskonvois werden nachweislich von Israel blockiert und sogar angegriffen. Man hat sogar eine UN-Schule bombadiert und einen deutlich gekennzeichneten UN-Hilfskonvoi per LKW angegriffen und 2 Mitarbeiter schwer verletzt.

     

    Freie Berichterstattung wird unterbunden - Reporter sind nicht erwünscht und erhalten von Israel aus keine Einreise in den Gaza.

     

    So gibt es nicht ausreichend Nahrung, nicht ausreichend Bildung, keine Devisen, kein Flüchten, keine Informationen, keine Freiheit.

    Und generell sind alle Palis radikale terroristische Islamisten...

     

    Das sind erschreckende Parallelen; und wer das verdrängt und so unkommentiert zulässt sollte sich ernsthaft fragen, warum er das tut.

     

    Jeder hat das Recht auf seine Menschenrechte -

    auf Nahrung, frei zu reisen und zurück zu kehren, seine Meinung in Schrift Bild und Wort zu veräußertn, unverletzt zu bleiben oder medizinische Hilfe zu bekommen -

    selbst ein Nationalist, Massenmöder - oder gar ein Phädophiler.

     

    "Ich werde dich dafür hassen was du sagen wirst, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass du es sagen kannst." Voltaire

  • S
    Schnabel

    Es gibt bereits ein erstklassiges und sehr neues Buch zum Holocaust und der Rezeption in der arabischen Welt:

     

    "Die Araber und der Holocaust: Der arabisch-israelische Krieg der Geschichtsschreibungen" von Gilbert Achcar, einem libanesischen Professor.

     

    Da geht er alle historisch durch: Kommunisten, Islamisten, Nationalisten, Baath-Partei, Muslimbrüder, Großmufti usw.

     

    Denn "die arabische" Welt gibt es nicht. Sondern eine Vielzahl unterschiedlichster Gruppen und Bewegungen.

     

    Lesenswert und sicherlich aufschlussreicher.

  • JM
    J. Murat

    Man muss schon - mit Verlaub - total fanatischer Judenhasser sein, um den Gazastreifen mit Auschwitz gleichzusetzen.

    "Marco Hoffmann", Du bist ein erbärmlicher Hetzer.

  • M
    Matthias

    Schon seltsam - der arabische Raum ist tatsächlich über viele Jahrhunderte kolonisert worden – und zwar von Tunis bis Bagdad einschliesslich Mekkas und Medinas.

     

    Allerdings eben nicht von westlichen Mächten, deren Herrschaft im Wesentlichen nur eine kurze Phase von wenigen Jahrzehnten darstellte, wie Murat weiter unten schön gezeigt hat, sondern vom Osmanischen Reich.

     

    Diese Epoche des türkischen Imperialismus endete erst Anfang des 20. Jahrhunderts und endgültig mit der türkischen Niederlage im ersten Weltkrieg. Aber selbst Ägypten war beim Ausbruch des ersten Weltkriegs trotz aller britischen Präsenz völkerrechtlich noch Teil des osmanischen Reichs; Palästina, Jordanien, Libanon, Syrien, der Irak und große Teile der arabischen Halbinsel standen noch unter direkter türkischer Herrschaft und waren osmanische Provinzen. Und Libyen ging der Türkei grade mal ein Jahr vor dem Weltkrieg durch den italienischen Einmarsch verloren.

     

    Für mich ist diese ganze Kolonialismusdebatte tatsächlich nur eine Vernebelungstaktik, um von dem tiefsitzenden und althergebrachten Judenhass abzulenken. Und daran ändern auch alle etwaigen Verweise auf das mythische Al Andalus (wo tatsächlich eher der moderne Pogrom erfunden worden ist – siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Granada) oder andere Phantasiewelten oder der Umstand, das es, was ich ja gar nicht bestreite, den Juden tatsächlich phasenweise im islamischen Raum – auch – deutlich besser ging als in Europa, nichts.

     

    Denn von einer Gleichstellung konnte nie auch nur ansatzweise die Rede sein. Das vielbeschworene rosarote Bild des brüderlichen Zusammenlebens bis, ach, der böse Westen kam, funktionierte – soweit es überhaupt etwas mit der Realität zu tun hatte – stets nur solange, wie der Status als Dhimmi von den Juden (aber auch den Christen und anderen „Ungläubigen“) widerstandslos und demütig akzeptiert und der totale Herrschaftsanspruch der islamischen Sieger nicht in Frage gestellt wurde.

     

    Wenn es aber darauf ankam, waren die Juden (e.a.) hier wie dort nur Menschen zweiter oder gar dritter Klasse, was dann im Zweifelsfall teilweise auch drastisch klargestellt wurde.

  • D
    D.J.

    @J. Murat,

     

    völlig richtig. Noch zu ergänzen: Kolonialherrschaft der Osmanen im arabischen Raum: 1517-1918 (401 Jahre).

  • D
    D.J.

    @Marco Hoffmann:

     

    "Was blockiert die wahrnehmung der taz? Erinnert sich niemand an hitlers reaktion auf den afro-olympioniken oder welche bezeichnung beliebt? Was glaubt die taz, hielt hitler von arabern?"

     

    Sie (Araber und tw. andere Muslime) waren für ihn nützliche Verbündete, tatsächliche (al-Husseini; Irak; Bosnische SS-Truppen) und potentielle. Kennen Sie gegenteilige Aussagen Hitlers?

     

    "Die taz suggeriert hier, zigeuner, homosexuelle, araber, asiaten, sonstige nicht-arier und behinderte seien vom holocaust nicht tangiert, was veranlasst Sie dies zu glauben und zu behaupten?"

     

    Araber/Muslime waren nicht tangiert - was veranlasst Sie, das Gegenteil zu behaupten?

     

    "Das Todeslager gaza2008f erinnert natürlich an den holocaust. Genau so ist die wehrmacht in polen und russland vorgegangen, der zaun drumrum ist ausschwitz-like. Die araber erleben den holocaust und sind entsetzt, lediglich der bundestag kennt kein mitleid."

     

    Mein Herr, ich bin für absolute Meinungsfreiheit, solange nicht zu Straftaten aufgerufen wird. Ansonsten würde ich Sie aufgrund dieses unfassbaren Satzes wegen Volksverhetzung anzeigen.

  • CR
    Christine Rölke-Sommer

    müßte man nicht sogleich auch die frage stellen, ob nicht die holocaust-erfahrung die wahrnehmung dafür blockiert, als europäer teil der kolonisatoren (gewesen) zu sein? und eben immer noch ein kolonisatorisches projekt fortzusetzen.

     

    ich kann mir allerdings vorstellen, dass auch diese frage am simoin-dubnow-institut diskutiert wird.

  • IK
    Irma Kreiten

    Auch wenn es ketzerisch klingen mag: meines Erachtens blockiert nichts so sehr eine angemessene Aufarbeitung ethnischer Gewalttaten wie die Hypokrisie und Ueberheblichkeit des Westens selbst, der von sich zum einen behauptet, Faschismus und Naziverbrechen mustergueltig aufgearbeitet zu haben, dabei aber die alten Eliten, einschliesslich rechter Wissenschaftsnetzwerke und Wissenschaftstraditionen, in grossen Teilen intakt liess, und zum anderen eine hoechst selektive Wahrnehmungsweise pflegt, wenn es um Gewalt gegen Muslime oder vermeintliche Muslime geht. Dies findet sich so nicht nur in der zugegebenermassen politisch ueberfrachteten Israel-Palaestina-Thematik, sondern auch in Bezug auf andere Regionen. So etwa gibt Deutschland laut und energisch vor, fuer die Belange der Armenier und Kurden in der Tuerkei zu sprechen und instrumentalisiert diese dabei ganz in kolonialer Manier fuer seine eigenen Interessen, d.h. gegen den tuerkischen Staat. Wenn es um muslimische oder vermeintlich muslimische Minderheiten wie die Tscherkessen oder Afrotuerken geht, koennte das Desinteresse, Schweigen und Wegschauen jedoch nicht groesser sein, auch von seiten von Institutionen wie der Boell-Stiftung, die vorgeben, sich insgesamt mit der Thematik Minderheiten in der Tuerkei zu beschaeftigen. Ich habe beispielsweise auch erlebt, dass waehrend eines Hrant Dink Memorial Workshops, u.a. unterstuetzt von der Open Society Foundation, der sich auf Minderheiten in der Tuerkei allgemein haette beziehen sollen, ein russischer Kollege ungestoert seine apologetische Geschichtsversion ausbreiten durfte, waehrend zeitgleich draussen Tscherkessen anlaesslich des 21. Mai als Jahrestag des Kriegsendes und Symbol von Trauer und Vertreibung fuer die Anerkennung des an ihnen veruebten Voelkermordes demonstrierten - wohlgemerkt ohne dass dies in irgendeiner Form thematisiert worden waeree. Das sogenannte demokratische Europa, dass so gerne und so laut nach Anerkennung des Genozids an den Armeniern schreit, legt an sich selbst ganz andere Massstaebe an, besondern deutlich zu sehen am Beispiel des deutschen Staates, der nach wie vor gar nicht daran denkt, den eigenen Genozid an den Herero und Nama endlich auch offiziell anzuerkennen. Einer der Hauptgruende hueben wie drueben fuer das Festhalten an Geschichtsapologetik: eine Anerkennung wuerde Geld in Form von Entschaedigungszahlungen kosten, und der Verlust von Geld und historischer Fassade schmerzt offensichtlich mehr als das eigene Taeter-Gewissen. Ich selbst bin, als ich in Deutschland versuchte, mich mit der Thematik ethnischer Saeuberungen im Nordkaukasus wissenschaftlich zu befassen, von eben denjenigen Traditionen und Netzwerken meines Faches, die sich aus Deutschlands mangelnder Aufarbeitung seiner Vergangenheit ergeben, massivst blockiert und angefeindet worden. Waehrend angesehene deutsche Professoren wie selbstverstaendlich russischer Geschichtsklitterei das Wort reden und damit die russische genozidale Politik entweder rechtfertigen oder schlichtweg unter hartnaeckigem Ignorieren von allgemein zugaenglichen Quellen und Sekundaerliterature behaupten, es haetten keine ethnischen Saeuberungen und Deportationen stattgefunden, wurde ich u.a., und das als Biodeutsche mit lupenreinem biodeutschen Aussehen, als Terroristen-Sympathisantin dargestellt. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie die Reaktionen ausgefallen waeren, wenn ich etwa selbst noch einen entsprechenden ethnischen Hintergrund gehabt haette. Ich habe letztendlich die Schikanen, Diskriminierungen und Ausgrenzung in Deutschland nicht mehr ausgehalten und habe das Land verlassen. Fuer mich klingt seitdem jegliches Reden des Westens ueber verfehlte Vergangenheitspolitik im sogenannten Orient wie der pure Hohn. Es dient fest dazu, die eigenen Interessen hochzuhalten und von den eigenen Schwaechen abzulenken. Wer als Lehrmeister auftreten will, muss seine Lektionen jedoch erst einmal selbst gelernt haben. Wer dagegen Menschenrechte und historische Verantwortung als Instrument begreift, mit dem sich der politische Gegner diffamieren laesst, schadet letztlich eben denjenigen Gruppen und Belangen, die er zu unterstuetzen vorgibt. Deswegen nochmal: kehrt zuerst vor eurer eigenen Tuer!!!

  • G
    Gerald

    ".. dass die arabische Kolonialerfahrung, zu der er explizit auch die jüdische Besiedlung Palästinas zählt, eine angemessene Wahrnehmung des Holocaust blockiert? "

     

    also erstmal hat Murat recht, die 'Kolonialerfahrung' der meitsen arabischen laender mit dem Westen war sehr kurz, die mit der Kolonialisierung durch die |Tuerkei wesentlich laenger - da sollte man vielleicht mal nachhaken.

     

    Zum zweiten: die juedische Besiedlung Palaestinas wurde ja durch die Nazis in Zusammenarbeit mit dem Bund der Zionisten gezielt gefoerdert (H'avara Abkommen), wobei durch die Uebertragung juedischen Eigentums nach Palaestina sehr bedeutende Summen eingefuehrt wurden. Diese feuhrten zur Entwicklung einer Finanzwirtschaft in dem bis dahin recht rueckstaendigen Mandatsgebiet, zu verstarktem Wachstum des juedischen Bruttosozialprodukts (etwa 3mal soviel pro Kopf wie das der arabischen bevoelkerung), zu starken Verschiebungen der Eigentumsverhaeltnisse und schliesslich fast zum Buergerkrieg zwischen Arabern udn Juden, und zu Auseinandersetzungen der juedischen paramilitaerischen Organisationen mit der Mandatsbehoerde. Die weitere Eskalation wurde durch die Mandatsbehoerde (GB) dadurch verhindert, dass die Einreise von juedischen Aussiedlern aus Deutschland ab 1938 praktisch verboten wurde.

     

    Die Fronten waren also vertauscht, Nazis foerdern juedische Besiedlung, Englaender verhindern sie. Ich glaube Herr Kamil sollte etwas genauer hinschauen

  • MH
    Marco Hoffmann

    Was blockiert die wahrnehmung der taz? Erinnert sich niemand an hitlers reaktion auf den afro-olympioniken oder welche bezeichnung beliebt? Was glaubt die taz, hielt hitler von arabern?

     

    Die taz suggeriert hier, zigeuner, homosexuelle, araber, asiaten, sonstige nicht-arier und behinderte seien vom holocaust nicht tangiert, was veranlasst Sie dies zu glauben und zu behaupten? Lassen Sie mich raten: es hat ja 1945 aufgehört, hitler war fertig mit dem holocaust...

     

    Das Todeslager gaza2008f erinnert natürlich an den holocaust. Genau so ist die wehrmacht in polen und russland vorgegangen, der zaun drumrum ist ausschwitz-like. Die araber erleben den holocaust und sind entsetzt, lediglich der bundestag kennt kein mitleid.

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Sollte eine These nicht verworfen werden, wenn sie widerlegt ist? Oder sollten offensichtliche Widersprüche nicht offen erörtert werden?

  • JM
    J. Murat

    Dann schauen wir uns, liebe So ja, doch einmal die "Kolonialerfahrungen" der Neuzeit mit dem "Westen" an:

    Ägypten: 40 Jahre (1882-1922)

    Syrien und Libanon: 23 Jahre (1923-1946)

    Jordanien: 23 Jahre (1923-1946)

    Irak: 10 Jahre (1920-1930)

    Saudi-Arabien : wenn überhaupt 1918-1923

    Jemen: mit Unterbrechungen 130 Jahre (1837-1967)

    Der Hintergrund für die nicht "angemessene Wahrnehmung" ist Judenhass, nichts anderes.

  • H
    Hubert

    Warum sollten die Araber mit dem Holocaust anders umgehen, als die Menschen in Südamerika oder Asien? Erst wurde der arabische Raum von den Europäern (Christen) kolonialisiert, und anschließend wurde ihnen ihr Land genommen um den Staat Israel zu errichten. Wo bleibt hier die Gerechtigkeit?

  • OK
    Oma Kruse

    Das NS-Regime war am Anwachsen eines modernen Antisemitismus in der arabischen Welt stärker beteiligt, als viele es heute in Deutschland wahrhaben wollen. Es gibt dazu ein paar interessante Forschungen von Jeffrey Herf.

     

    Man sollte auch nicht vergessen, dass in vielen Ländern wie Marokko oder Algerien die Juden auch Opfer des üblichen "Teile und Herrsche"-Spiels der Kolonialmächte wurden, die zwischen sie und die arabische Mehrheitsbevölkerung einen Keil trieben.