Die Wahrheit: Wein auf Irrwegen
Man kann problemlos Geld nach Irland einführen, selbst Pferde sind kein Problem – zumindest in der Lasagne. Aber was ist mit Wein? Wo ist mein Wein?
D ie Europäische Union ist eine feine Sache. Sie garantiert für den freien Verkehr von Geld, Waren und Personen. Wenn man eine Bank ist, kann man Milliarden transferieren und sogar versenken. Als Unternehmen kann man nach Herzenslust importieren oder exportieren und zahlt für die Profite in Irland nur eine lächerliche Steuer. Und als Ross kann man ungehindert auf die Grüne Insel reisen – entweder als Rennpferd, denn das ist ein Wirtschaftsfaktor, oder als Gehacktes, denn das ist auch ein Wirtschaftsfaktor.
Andere Tiere, ob lebendig oder in Bulettenform, müssen leider draußen bleiben, wenn sie Privatpersonen gehören. Die dürfen ihren Schoßhund nämlich nur nach aufwendiger Impfprozedur nach Irland mitnehmen. Fleischwaren jeglicher Art sind gänzlich verboten, selbst wenn man sie impfen würde, denn Waldi oder Steak könnten ja Tollwut übertragen.
Die Gefahr besteht bei Wein nicht. Da die irische Regierung im letzten Haushaltsplan einen weiteren Euro Steuern auf eine Flasche Wein aufgeschlagen hat, schaute ich mich in Deutschland nach günstiger Ware um. Ein kleiner Laden feierte sein zehnjähriges Bestehen, und aus diesem Anlass bot er Sonderangebote an. Ein grandioser französischer Landwein für 2,50 Euro? Ich kaufte 18 Flaschen und sandte ein Paket an mich selbst nach Dublin. So kostete die Flasche zwar 4,50 Euro, aber im Vergleich zu irischen Preisen war das immer noch sehr günstig. Die Silvesterparty schien gesichert.
Dann kam ein Brief vom Zoll mit dem lapidaren Satz, dass die Kiste Wein konfisziert worden sei. Mitte Januar erwischte ich endlich einen Zollbeamten am Telefon. Wein, Zigaretten und Autos dürfen ohne vorherige Anmeldung – und Bezahlung der Steuern, versteht sich – nicht eingeführt werden, schon der Versuch gelte als Betrug, sagte der Beamte streng. Ich wies jeden Verdacht des vorsätzlichen Gesetzesbruchs von mir und redete mit Engelszungen auf ihn ein, bis er die Nase von meinem Gewimmer voll hatte und einwilligte, sich zu erkundigen, ob der Wein schon „vernichtet“ worden sei. Er war es nicht. Gegen Zahlung der Alkohol- und Mehrwertsteuer würde er das Paket ausnahmsweise herausrücken und der Spedition zurückgeben. Ich zahlte. Das schraubte den Preis pro Flasche auf nicht mehr allzu günstige 8,50 Euro.
Drei Wochen später war der Wein noch immer nicht angekommen. Ich erkundigte mich bei der Spedition, wo man mir erklärte, das Paket sei an mein lokales Depot geschickt worden, aber die Kollegen konnten es nicht zustellen, weil die Adresse fehlte. Woher man denn gewusst habe, welches mein Depot sei, wenn doch die Adresse fehlte, fragte ich die Angestellte, doch sie ignorierte meine Frage. Der Wein sei nun in Birmingham und werde an den Absender zurückgeschickt, sagte sie stattdessen. Ich fragte, wie man denn den Absender ohne Adressaufkleber ermitteln wolle? Ich könne ja mal im Fundbüro in Birmingham nachfragen, antwortete sie und legte auf.
Im nächsten Leben werde ich als Bank geboren. Oder als Rennpferd.
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