Straße nach Hausbesetzer benannt: Meier kommt aufs Schild
Nach Rückzug der Klage eines Anwohners steht der Umbenennung der "Silvio-Meier-Straße" nichts mehr im Weg. Aber hätte das dem ermordeten Hausbesetzer gefallen?
Jetzt ist er historisiert, eine „Person der Zeitgeschichte“, demnächst ziert sein Name ein Straßenschild: Silvio Meier. Der Ost-Punk und Hausbesetzer, 1992 von Neonazis am U-Bahnhof Samariter Straße in Friedrichshain erstochen. Schon im November, zu Meiers 20. Todestag, wollte Friedrichshain-Kreuzberg die kleine Gabelsberger Straße nahe des U-Bahnhofs umbenennen. Nur kam ein Ladenbetreiber mit einer Klage dazwischen.
Die Klage zog der Mann am Freitag vorm Verwaltungsgericht zurück, nachdem ihm der Richter die Erfolglosigkeit seines Unterfangens vorgehalten hatte. Schon im April sollen nun die Meier-Schilder angebracht werden. Das ist in der Tat historisch: Erstmalig wird in Berlin auf diese Art ein Hausbesetzer geadelt (der Kochstraßen-Kaperer Rudi Dutschke war auf anderem Terrain tätig).
Dass eine Straßenehrung, dieser Akt förmlichster Bürgerlichkeit, dem Anti-Spießer Silvio Meier gefallen hätte, davon ist freilich nicht auszugehen. „Dieses System“, den ganzen Kapitalismus, hatte Meier einmal in einem Interview gesagt, das habe er nie gewollt. Freunde Meiers sträuben sich bis heute, den Häuserkämpfer zu „maskottisieren“. Seit Freitag ist klar: Es war vergebens.
Friedrichshain bekommt seine Silvio-Meier-Straße: Am Freitag stellte das Verwaltungsgericht ein Widerspruchsverfahren gegen die Umbenennung der Gabelsberger Straße ein. Schon im April soll es neue Schilder geben.
Der Hausbesetzer Silvio Meier war 1992 im nahegelegenen U-Bahnhof Samariterstraße von Nazis erstochen worden. Im April 2012 votierte eine Bürgerwerkstatt, die Gabelsberger Straße nach Meier zu benennen, später beschloss dies auch das Bezirksparlament. Dagegen klagte ein ansässiger Ladenbetreiber.
Dieser nannte die Wahl seiner Straße "willkürlich" - andere Straßen hätten nicht zur Debatte gestanden. Auch habe die Bürgerwerkstatt nur aus Interessengruppen bestanden. Er schlug vor, die nahe Mainzer Straße umzubenennen, weil diese zum Szene-Umfeld Meiers gehört habe.
Der Richter sprach dagegen von einer "sachlich fundierten und nachvollziehbaren Entscheidung". Die Straße liege nahe des Tatorts, jeder hätte auf der Bürgerwerkstatt andere Vorschläge einbringen können. Dies sei nicht erfolgt, auch der Ladenbetreiber war nicht vor Ort. Dieser zog darauf seine Klage zurück.
Bezirksstadtrat Hans Panhoff (Grüne) zeigte sich "zufrieden", dass das Verfahren abgeschlossen sei. Die Schilder gebe es bereits, nun werde eine "kleine Feierlichkeit" zur Umbenennung vorbereitet. Lars Laumeyer von der Antifaschistischen Aktion, die in einem Bündnis die Umbenennung gefordert hatte, nannte den Vollzug "eine Würdigung mit großem Symbolwert". Der geltende Beschluss, Straßen nur nach Frauen zu benennen, wurde aufgrund der Bürgerbeteiligung ausgesetzt.
Gewiss, die künftige Meier-Straße ist ein Symbol, ein gutgemeintes, das antifaschistischen Einsatz honorieren soll. Das stärkere Symbol aber steht in der Schreiner Straße 47. Noch kurz vor seinem Tod äußerte sich Meier skeptisch, ob sein Haus, ob besetzte Häuser überhaupt zu halten sind. Die Schreiner 47 gibt es heute noch, als linkes Projekt, selbstverwaltet mit einer Genossenschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen