Silvio-Meier-Demo in Berlin am Samstag: „Den Burgfrieden in Marzahn stören“

Erstmals zieht die traditionelle Silvio-Meier-Demo durch den fernen Osten. Weil die Initiativen dort dringend Unterstützung brauchen, sagen die Organisatoren.

Silvio-Meier-Demo

Gilt als traditionell attraktiv für junge Antifas: Silvio-Meier-Demo, hier 2012. Foto: dpa

taz: Herr Friedlich, bisher war jedes Jahr klar: Die Silvio-Meier-Demo findet dort statt, wo Silvio Meier 1992 ermordet wurde, also in Friedrichshain rund um den U-Bahnhof Samariterstraße. Warum brechen Sie jetzt mit dieser Tradition und gehen stattdessen nach Marzahn?

Maik Friedlich: Wir sind ja früher schon einmal vom Ostbahnhof und einmal in Lichtenberg gestartet. Aber richtig: So weit weg von der Samariterstraße wie am kommenden Samstag waren wir noch nie.

Aber warum in diesem Jahr?

Wir verfolgen die Situation in den Randbezirken schon länger und sind überzeugt, dass die Situation in Marzahn nach einer antifaschistischen Intervention verlangt. Schon 2013 gab es in Hellersdorf die Anti­heimproteste; seit dem vergangenen Herbst hat sich das dann in Marzahn fortgesetzt. Und auch wenn die Proteste kleiner geworden sind, gibt es sie immer noch. Bekannte Neonazis versuchen, dort den Kiez zu prägen. Fast täglich gibt es Angriffe auf Geflüchtete oder Linke. Und in diesem Herbst wurden bereits mehrere Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte unternommen. Da wollen wir hin, auch um die linken Strukturen vor Ort – die es ja gibt – zu ­stärken.

Ist das eine Kampfansage an die Marzahner Bevölkerung?

Nein. Es ist eine Kampfansage an die Neonazis dort und sicher auch eine Ansage gegen das weit verbreitete Schweigen, das leider viele der rechten Aktionen dort begleitet. Da geht es schon darum, diesen Burgfrieden zu stören und die Leute aufzuschrecken. Aber wir wollen natürlich auch mit Leuten vor Ort ins Gespräch kommen, auch außerhalb der linken Szene.

Eine Antifa-Demo als Gesprächsangebot? Das hört sich nicht gerade sehr erfolgversprechend an.

Es geht ja nicht nur um die Demo. Wir finden, dass die linken Strukturen in Marzahn insgesamt ziemlich allein gelassen worden sind von den Innenstadtlinken, und das wollen wir ändern – dafür ist die Demo quasi der Startschuss. Wir haben Tausende Flyer in den Häusern entlang der Demoroute verteilt, und darauf haben wir Reaktionen aus der Anwohnerschaft bekommen – auch negative natürlich, aber nicht nur. Man darf nicht vergessen, dass die Silvio-Meier-Demo gerade auch für junge Leute attraktiv und identitätsstiftend ist. Wir glauben, dass sich auch Jugendliche in Marzahn davon angesprochen fühlen können. Und: Wir haben den Beginn der Demo extra vorverlegt, weil wir ja schon wissen, dass wir im Hellen anders wirken als im Dunkeln.

Trotzdem: Nach der Demo werden die meisten TeilnehmerInnen Marzahn wieder den Rücken kehren. Welche Ideen haben Sie für eine langfristige Arbeit dort?

Die Silvio-Meier-Demo beginnt in diesem Jahr um 15 Uhr am S-Bahnhof Marzahn. Zuvor findet um 13 Uhr eine Mahnwache am U-Bahnhof Samariterstraße statt – dem Ort, an dem am 21. November 1992 der linke Aktivist und Hausbesetzer Silvio Meier von Neonazis erstochen wurde.

Seitdem gibt es jährlich eine in der Regel gut besuchte Demon­stration zu seinem Gedenken. Das Silvio-Meier-Bündnis, das den Protest organisiert, besteht aus verschiedenen linksradikalen und Antifa-Gruppen, darunter zum Beispiel die Radikale Linke Berlin. (mgu)

Marzahn ist ein Arbeiterbezirk, in dem knapp 20 Prozent die Linke wählen. Wir glauben, dass es dort Leute gibt, die für linke Ideen empfänglich sind – man muss halt nur erst mal ins Gespräch kommen. Und es gibt ja – wie gesagt – auch schon Leute, die vor Ort antifaschistische Arbeit machen. Die muss man natürlich unterstützen. Stadtteilversammlungen, die unabhängig von staatlichen Institutionen durchgeführt werden, könnten da eine Möglichkeit sein. Außerdem müssen die Willkommensiniativen dort politisiert werden. Die Leute merken ja gerade, dass vom Staat keine Hilfe zu erwarten ist. Das ist auch ein guter Ansatzpunkt.

Rechte Gewalt richtet sich momentan vor allem gegen Flüchtlinge. Inwiefern spielt das auf der Demonstration eine Rolle?

Wir haben uns viele Gedanken gemacht, inwiefern der Fokus dieses Jahr auch noch mal ein anderer ist, und versuchen das Kernthema der Demo – also die Gewalt gegen Linke – auf jeden Fall in diese Richtung zu erweitern. Allerdings ist uns auch klar, dass diese Demo sehr stark im Blick der Repressionsbehörden steht. Das heißt, wir laden natürlich Geflüchtete ein, an der Demo teilzunehmen – aber eben mit der Einschränkung, dass zum Beispiel für Illegalisierte da ein Risiko besteht.

Im Moment gehört die Straße in Marzahn eher den Rechten. Erwarten Sie, dass es bei Ihrer Demo Auseinandersetzungen geben wird?

Wir denken schon, dass es sehr viel Unmut im rechten Milieu über diese Aktion gibt. Da kann man damit rechnen, dass es Störversuche und Angriffe geben wird. Für uns als Bündnis gilt: Wir wollen die Demo bis zum Ende durchführen, wir werden uns nicht provozieren lassen, und von uns geht keine Eskalation aus.

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