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Kommentar GuantanamoDas nie enden wollende Unrecht

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Die rechtlose Zone in Guantánamo war politisch gewollt. Der Hungerstreik der Gefangenen wird ihnen in den USA nicht viel nützen.

Guantánamo: Hinter diesem Zaun beginnt die Rechtlosigkeit Bild: ap

D a musste erst der Hungerstreik der Guantánamo-Häftlinge kommen, um die Gesellschaft daran zu erinnern, dass da noch was ist. 166 Menschen, der Großteil seit vielen Jahren, sitzen da noch, die meisten ohne Anklage, ohne Prozess, ohne Chance auf Freilassung.

Von Präsident Obamas großspuriger Ankündigung zu Beginn seiner ersten Amtszeit, das Lager „binnen einem Jahr“ zu schließen, ist nichts übrig. Er stieß auf Widerstand und gab klein bei, andere Politikfelder erschienen wichtiger und erfolgversprechender.

Von Beginn an war Guantánamo ein einziges großes Unrecht, und genau darum ging es der damaligen Bush-Regierung ja auch. Die rechtlose Zone war gewollt, deshalb wurde jener Marinestützpunkt auf Kuba gewählt. Von den „Black Sites“, den CIA-Geheimgefängnissen, in denen die heute prominentesten Guantánamo-Häftlinge jahrelang gefoltert wurden, einmal abgesehen, konnte nirgendwo sonst ein System entstehen, in dem US-Personal so offen gegen rechtsstaatliche, völkerrechtliche und strafprozessuale Regeln verstößt wie in Guantánamo.

Proteste blieben bescheiden, die Öffentlichkeit reagierte zu oft nach dem Motto: Was sind die Menschenrechte von ein paar Gefangenen, die vermutlich am Ende so unschuldig gar nicht sind – denn für irgendwas werden sie schon verhaftet worden sein! –, gegen den Kampf gegen den Terror?

privat
Bernd Pickert

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Die Guantánamo-Häftlinge haben jenseits von Menschrechtsorganisationen keine Lobby. Niemand setzt sich für sie ein, niemand sagt: Es reicht jetzt. Schlimmer noch: Wer sich die Kommentarseiten der US-Medien im Netz ansieht, wird unter Artikeln zum Hungerstreik Hasseinträge wie diesen finden: „Lass sie verhungern, Problem gelöst!“

Unrechtsbewusstsein lag den USA seit je fern. Als Barack Obama noch im Wahlkampf andeutete, Fehler wie Folter und eben auch Guantánamo zu korrigieren, wurde er sofort angegangen, wie er dazu käme, sich im Ausland für Amerika zu entschuldigen.

Viel wichtiger aber: Die Gefangenen, gegen die kein Prozess geführt wird, müssen umgehend freigelassen und entschädigt werden. Die Diskussion erzeugen sie mit ihrem Hungerstreik jetzt selbst. Allerdings: Vermutlich werden sie nicht einmal dann Erfolg haben, wenn die ersten von ihnen tot sind. Amerika hat andere Prioritäten. Nach den Anschlägen in Boston erst recht.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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7 Kommentare

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  • J
    Jaja

    Seit wann wird die USA nicht von Kriminellen und Verbrechern im Amtes des Präsidenten angeführt? Wie kann man nur so naiv davon ausgehen, diese lange Kette würde unterbrochen werden, nur weil es nun ein farbiges statt ein weißes Arschloch ist?

     

    Antiamerikanismus ist seit Schaffung des "militärisch-ökonomischen Komplexes" im 2. Weltkrieg ab dem Ende des Selbigen praktisch Pflicht für jeden gerechtigkeitsempfindsamen Menschen. Den werden die nämlich nicht mehr nur aus ökonomischen Gründen nicht los: Sobald die Militärmacht Nordamerikas ein gewisses Machtpotential unterschreitet, werden eine Menge Leute und Nationen bereit stehen und sie für ihre Verbrechen völlig zu Recht büssen lassen.

     

    Es ist ein Dilemma für den kleinen Mann und die kleine Frau, sodass es auch nicht verwundert, dass mind. 50% der Bevölkerung sich Augen und Ohren zuhält, sich manipulieren und verblöden läßt. Dann schrein sie "USA, USA, USA ..." und heizen ihre Feinde noch zusätzlich an ohne es zu merken.

     

    Dumm nur: Soviel sie auch schreien und sich selbst verblöden: Weggebombt werden SIE, nicht die Nixons, Reagans, Bushs und Obamas. Denn diese Klientel weiß genau was sie tut und welche Konsequenzen drohen; und haben natürlich auch die Mittel, sich diesen zu entziehen. Der Dummbösblöde nicht.

  • J
    Jörn

    Viele Staaten begehen Menschenrechtsverletzungen. Insofern sind die USA trotz Guantanamo nicht am unteren Ende der Skala der Wahrung der Menschenrechte angelangt. Doch darum geht es nicht! Die USA "befreien" Länder von ihren Diktatoren und hinterlassen ihnen dabei nicht selten Verhältnisse, die schlimmer als vorher sind. Vielleicht könnte das noch als "Betriebsunfall" abgetan werden - wenn dann aber die USA ganz offen die Menschenrechte mit Füssen treten, stellen sie sich auf die gleiche Stufe wie andere Diktatoren - nur dass sie die weltgrösste Armee haben und ihr "Recht" weltweit durchsetzen.

    George Bush jr. wird sicher nicht im Ausland geehrt werden. Er hat effektiv Ausreiseverbot, denn er muss wegen seiner Folteranordnungen mit einer Verhaftung rechnen - die Immunität gilt bzgl. der Antifolterkonvention nicht.

  • E6
    einem 68er

    Die armen eingekerkerten Islamisten!

    Satan USA – typisch!

  • I
    ion

    Ich DANKE der taz, dass sie zumindest noch sporadisch an dieses unfaßbare Unrecht vor Augen der gesamten Weltbevölkerung erinnert , das das ‘Rechtsverständnis’ einiger krimineller Republikaner in seiner fratzenhaftesten Variante und den aktuellen, demokratischen US-Präsidenten – dem der (vormalige) Wille zur Schließung wohl nicht abzusprechen ist – als Hampelmann der im Würgegriff eines deviierten, von Lobbyismus gesteuerten ‘Demokratie’-Systems vorführt.

    Aber: Wäre es Obama wirklich so wichtig, wie er damals immer wieder sehr großmäulig (unter gr0ßer Zustimmung der US-Bevölkerung) und zuletzt nach seiner Widerwahl auch in D verkündete, dann hätte, sollte er, würde er nicht an der (¿jeden?) korrumpierenden Macht hängen, mit Rücktritt drohen, wenn die Schließung weiterhin blockiert werden sollte, zumal in seiner jetzigen, letzten Amtsperiode im Grunde vergleichsweise nix wirklich wichtiges mehr auf der Agenda steht und US-Amerika um einen echten Denkzettel reicher wäre; einen, der Obama den Rest seines Lebens aufrecht weiterleben ließe.

     

    Es ist bezeichnend, dass die tazleserschaft infantilen (Ohren zu halten) Neusprech-Quaksalbern wie auf dem taz.lab und z.B. D. Yücels´ themenkontextueller Kolumne ihre ungeteilte, exorbitante Aufmerksamkeit widmet – Guantánamo-Hinweise hingegen im Winde verwehen. Vielleicht sollte künftig jede Berichterstattung über US-interne Terror-Anschläge (Boston, etc.) mit einem angemessen memorierenden Artikel zum Guantánamo-Disaster einhergehen.

  • TS
    Typisch Siedler

    Wieso, das machen die Amis doch schon immer so. Gefangene verschwinden spurlos mitten in Amerika, die ganze Gesellschaft ist ein komplettes Knastregime mit Namen "25 to Life", 5% der Gefangenen sind Indianer und der überwiegende Rest lebt in Konzentrationslagern und für Obama existieren Indianer eh nicht, er kennt nur "Vier Rassen für die ich stehe: Asiaten, Weiße, Schwarze und Hispanier".

    Außerdem wäre der allerste Punkt: Was haben die da zu suchen, auf Kuba oder im Pazifik?

     

    Imperialisten zum Mars!

    Amis Raus aus USA - Geronimo ist wieder da!

    HOMELAND SECURITY - FIGHTING TERRORISM SINCE 1492

  • HK
    Hady Khalil

    Was für ein Tag

    President Obama weiht mit allen noch lebenden ehemaligen Us Presidents die Goerge W. Bush Bibliothek und Museum ein. Ist da auch eine Zelle drin für kommende Tage? Ich glaube nicht. Es wird nie ein US President für seine Politik national, oder international vor Gericht stehen. Stattdessen wird Bush geehrt. Was soll man auch machen? Kann der Staat ein solches Geschenk eines ehemaligen Presidenten ablehnen. Da macht man eher aus der Not eine Tugend macht ein freundliches Gesicht und sagt artig danke. Hat denn Bush auch für das Irakische Museum gespendet, das durch das barbarische Verhalten seiner Truppen, nach Einmarsch in Bagdad geplündert und verwüstet wurde. Uralte Kulturschätze wurde vernichtet, oder über Schwarzmärkte an private Sammler verkauft. Hoffentlich wird nicht noch die Deutsch Amerikanische Gedenkbibliothek hier in Berlin umbenannt.

    Gibt es im Museum auch einen Raum, in dem aus Sicht unbeteiligter Opfer in den betreffenden Ländern berichtet wird, was der Drohnenkrieg und permanente Ausnahmezustand, wo man jederzeit mit willkürlichen Hausdurchsuchungen rechnen muss, oder das die Drohnenstationen als Besatzung empfunden werden, was sie ja auch de facto ist. Auch kam die Meldung, das die Mehrheit der Deutschen für die Anschaffung von Kampfdrohnen seien. Gegen Hollywood-Mainstreammache war noch nie ein Kraut gewachsen.

    Und wieder ist eine Sklavenfabrik mit vielen Opfern in Bangladesch zusammengebrochen.

    Mindestlöhne müssen weiter warten, weil Regierungstreue vorgeht im Jahr der Bundestagswahl.

    Was noch so einfach selbstverständlich in kurzen Meldungen über den Ticker läuft, als wäre das kein riesen Skandal die Verurteilung der FDP zu mindsestens(?) 2 Millionen Euro Strafe in der Möllemann Affaire. Eine Regierungspartei hat seit Jahren mehrere Millionen Euro Schulden und darf regieren? ICH VERSTEH DAS NICHT! Wenn man Schulden hat, darf man kein Geschäftsführer sein, weil nicht sicher ist, in welchem Interesse man arbeitet und erpressbar wäre. Für eine Partei gilt das nicht??? I(ch glaube ja das die 50 Mitarbeiter die Niebel im „Entwicklungshilfe“Ministerium eingeschleust hat , zahlen alle mindestens 1000 Euro im Monat in die Schuldenkasse der FDP. Daraus erklärt sich wohl auch die wertfrei Klientelpolitik der FDP. Solange das niemand beweisen kann... Und vor allem solange das niemanden interessiert...

    Morgen ist ein neuer Tag.

  • I
    Irmi

    Wie in den meisten Regierungen regieren nicht die Präsidenten, sondern deren Berater. So wie man in Amerika drauf ist, werden die Menschen rechtlos bleiben und in GUANTÁNAMO entweder irre werden, oder irgendwann sterben können.

    Das unmenschliche an dem System ist, das die Leute nicht mal angeklagt sind, geschweige ein Urteil gibt, es konnte ihnen nichts bewiesen werden bislang.

    Ich denke das sind Opfer um die Terroristen abzuschrecken.