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Kolumne Press-SchlagPrediger am Spielfeldrand

Kolumne
von Johannes Kopp

Nach Uli Hoeneß' Fall werden im Fußball weiter wohlfeile Tugendreden geschwungen. Überall sind Moralapostel unterwegs.

Ehrenwerter Fußballpräsident: Silvio Berlusconi im Heino-Look Bild: dpa

E s ist eine bemerkenswerte Tugenddebatte rund um Uli Hoeneß entbrannt. Das Entsetzen kennt in der Bundesliga keine Grenzen. Der oberste Tugendwächter hat sich diskreditiert. Und schon drängen sich die vielen anderen ambitionierten Prediger aus der Branche an die Kanzel.

Um Jahre sieht der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger den deutschen Fußball durch die Steueraffäre von Uli Hoeneß zurückgeworfen. Und er stellte die rhetorische Frage in den Raum: „Wer kann denn in Asien, Afrika oder in den anderen Konföderationen jetzt noch ernsthaft glauben, dass die Deutschen sauber sind?“

Als wäre mit dem deutschen Fußball eine moralische Instanz ins Wanken geraten, ähnlich der katholischen Kirche, deren Glaubwürdigkeit durch zahllose Fälle sexuellen Missbrauchs untergraben wurde. Mittlerweile geht es den zahlreichen Moralaposteln des deutschen Fußballs aber nicht mehr nur um die Zockermillionen von Uli Hoeneß. Seines Betrugs am Gemeinwesen haben sich nun auch die Politiker dankbar angenommen, die vom sauberen Sportsmann Hoeneß regelmäßig die Leviten gelesen bekamen.

privat
Johannes Kopp

ist Mitarbeiter im Leibesübungen-Ressort der taz.

„Pfui Teufel“, schallt es dem FC Bayern nun von den Sittenlehrern aus der Liga entgegen, weil der Klub nach der Vertragsverpflichtung von Mario Götze nicht sogleich Borussia Dortmund über den Transfer verständigt hatte. Christian Heidel, der Manager von Mainz 05, urteilte moralinsauer: „Wie sich die Bayern derzeit verhalten, ist nicht würdig für einen deutschen Meister.“ Als ob der höchste Fußballadel im Lande ganz besonders zur Achtung höher stehender Werte verpflichtet wäre. Das ist natürlich scheinheiliger Unfug.

„Fair Play“ und „Respect“

Letztlich tritt auch Heidel mit seiner Kritik in die Fußstapfen von Hoeneß und vieler anderer Fußballfunktionäre, die glauben machen wollen, der Fußball tauge als Blaupause für eine bessere Welt. „Fair Play“ und „Respect“ heißen etwa die schlichten, zum allgemeinen Glück fürhrenden Losungen, mit denen Werbebanden und Mittelfeldkreise vor Spielbeginn geschmückt werden. Nur wenn sich die Nazis allzu laut bemerkbar machen, rückt man ab vom Glauben an die gute Parallelwelt. Dann heißt es plötzlich kleinlaut, der Fußball sei nur ein Spiegel der Gesellschaft.

Aber auch die kriminelle Energie der Verantwortungsträger in dieser Gesellschaft spiegelt sich unverhohlen im Fußball. Uli Hoeneß steht ja beileibe nicht allein auf weiter Flur. Die Bösewichte sind hinlänglich bekannt: Silvio Berlusconi, der Präsident des AC Mailand, hat sich schon etliches zuschulden kommen lassen – auch Steuerhinterziehung. Erst vor einem halben Jahr wurde er in erster Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt. Auch in Fifa-Kreisen kennt man sich bestens aus mit illegaler Geldvermehrung. Die Namensliste würde den Rahmen hier sprengen.

Eine gewisse Skrupellosigkeit hilft immer im kapitalistischen Wettbewerb. Dass auch der spendierfreudige Uli Hoeneß sich entsprechend verhält, sollte schon länger bekannt sein, war Hoeneß doch zum Beispiel in die Kirch-Affäre verwickelt. Der FC Bayern ließ sich damals stillschweigend Sondervergütungen von dem Medienmogul zusichern.

Auch im Falle Götze verhält sich der Verein nicht anders als in den Jahren zuvor. Der Klub nutzt wie jedes Wirtschaftsunternehmen seine Standortvorteile aus und schwächt die Konkurrenz, wo es nur geht. Warum soll das akzeptabler sein, wenn es zuvor angekündigt wird? Mit Benimmregeln wird man nichts Grundsätzliches verändern.

Es ist noch nicht lange her, da lobte Hoeneß Heidel. Er sei ein Schlawiner, schlau und gehe an die Grenzen. Was er damit wohl gemeint hat?

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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8 Kommentare

 / 
  • P
    polyphem

    Spielanlage, Geldanlage,

    Immer gilt die selbe Frage:

    "Sind wir richtig aufgestellt,

    Auf Rasen und an Zockertischen,

    Wenn wir die Götter unsrer Welt,

    "Markt" und "Fußball" listig mischen?"

     

    ("Er wollte das Geheimnis finden,

    Großmut und Arglist zu verbinden

    [.,,..]

    Möcht selbst solch einen Herren kennen,

    Würd ihn Herrn "Uli Hoeneß" nennen."(

     

    (Viel Schönes von Herrn Goethe,

    Wenig Schönes von Herrn Hoeneß)

  • N
    Njerion

    Man muss froh sein über diesen Artikel. Er entlastet und macht unbeschwert. Nur mein Gerechtigkeitsempfinden sperrt sich noch ein wenig

  • H
    Heisenberg

    Der erste halbwegs vernünftige Artikel, den ich in der taz zu diesem Thema lese. Der Rest ist nichts weiter als unerträglicher Populismus auf unterstem Niveau, der die ach so tiefgründigen "Scheißstürme" anfacht.

  • D
    dasgrossespiel

    Genau!

    Es ist ein Rätsel wie jemand jetzt von U. Hoeness "enttäuscht" sein kann. Der Mann verhält sich doch geradezu archetypisch so wie jeder es von einem Sportfunktionär erwartet. Und von einem deutschen Fussballunktionär erst recht. Und von einem Funktionär des reichen FC Bayern München sowieso. Könnte er seine Rolle noch besser spielen? Wohl kaum!

  • I
    Irmi

    Ulli Höneß hat auch viel gespendet von seinen Millionen, wenn man den ital. Mr. Bunga Bunga ansieht, der Kohle ohne Ende hat (wodurch nur ?), der schert sich einen Dreck um das Volk, feiert lieber als gäbe es kein morgen.

    Jetzt wo das Land eigentlich am Ende ist, schert er sich auch einen Dreck um die Menschen, wozu sparen, lieber für sich und seine Freunde selbst weiter leben wie bisher.

    Dann kommt unsere liebe Anschi und ihr Finanzschenie und schieben Milliarden rüber nach Italien, Geld das wir nie wieder sehen werden, wie von Italien, Zypern, Griechenland usw.

    Wozu all die Sparmaßnahmen, wozu diese Völer und unser Volk in die Armut stürtzen, wenn die Milliarden für die Feste der Regierenden verschleudert werden, oder Banken gerettet werden die dumm und dreist alles verzockt haben. Wie naiv muss man sein da noch Geld zu geben?

  • I
    Irmi

    In der Nähe von Hr. Höneß hat man sich ausgiebig gesonnt, hat seine Würstl gefuttert, seine Partys genossen und nun drischt man auf ihn ein. So viel Scheinheiligkeit ist schon unerträglich

     

    Andere, viele andere haben es auch getan (siehe all die Leute auf den für Millionen gekauften CD's), die hatten nur Glück nicht erwischt worden zu sein. Könnte auch sein, er hatte den falschen Berater, sich selbst anzuzeigen.

     

    Wenn er aber sagt, der deutsche Staat muss endlich kapieren, das er haushalten muss als immer mehr Schulden zu machen, dann könnte man fast verstehen was er gemacht hat. Er sagte sich evtl. was immer man dieser Regierung an Steuern gibt (Thema war Vermögens und Reichensteuer bei Jauch)sie senken nicht die Schulden sondern machen jedes Jahr mehr. Das ist irre was unsere Regierung macht mit seinen Bürgern das ist meine ganz persönliche Meinung als kleiner Steuerzahler.

     

    Es war nicht richtig was er gemacht hat, auch das er predigte man solle nicht nur nach dem Staat schreien, oder Wein saufen und Wasser predigen bei Jauch usw.er erlebt ja nun die Folgen. Aber er hat auch viel Gutes getan, allein das verdient Respekt und echte Freundschaft.

    Schade, das die Strafe die Ulli Höneß nun zahlen muss in den Staatshaushalt einfließt. Diese Strafe und die Hinterlegung der Kautionssumme, davon könnte viele Kinder oder Rentner satt werden, oder man könnte damit ein älteres Haus sanieren, wo Einheimische zahlbar wohnen könnten.

    Ulli Höneß, jetzt kennen sie mit Sicherheit ihre wahren Freunde.

  • R
    ridicule

    Much all weesen.

     

    Was wirklich irritiert, ist, daß die Debatten,

    Rülpser, Knallfrösche und weiteres …

    sich alle allein an der Steuerhinterziehung festmachen.

    Daß das so bleibt, liegt erkennbar in Hoeneß Interesse.

     

    Was aber ist mit seiner Zockerei an der Börse?

    der er sich ja ganz offen selbst bezichtigt;

    merkwürdigerweise geradezu als erklärende

    Entlastung.

    Damit aber stellt sich doch die Frage nach offenen oder

    - eher - verdeckten Insidergeschäften;

    mit einer Strafbarkeit in ganz anderer Dimension.

    Ich kenne keinen " Börsenjobber" dieser Provinienz

    und finanzieller Dimension, der nicht der Verlockung erlegen ist,

    über - verbotene - Insidertipps nicht nur das eigene Risiko

    zu minimieren, sondern auch groß Kasse zu machen.

    Einer wie Großmaul, aber Schwab Hoeneß dürfte dafür besonders

    anfällig sein.

     

    By the way wäre das auch eine schlüssige Erklärung

    für die von ihm offensichtlich in kurzer Zeit geheckte

    Geldmenge.

  • B
    bismarckhering

    "Liebes Nutzvieh!

    Nachdem der GEWISSENLOSE VERBRECHER, der sich an euren tiefsten Emotionen, eurer LIEBLINGSMACKE so schnöde vergriffen hat, nachdem dieser UNMENSCH für sein SCHÄNDLICHES TUN zur Rechenschaft gezogen wird, glaubt ihr uns jetzt daß VATER STAAT alle BÖSEN bestraft, und nicht nur Kleinviech?"

     

    So billg, so durchsichtitg.

     

    b.