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ZDF auf QuotenfangZwangspause dank Liebesschnulze

Das ZDF will den ersten Platz unter den TV-Sendern verteidigen. Unter dem Namen „Sonderprogrammierung“ opfert es dafür gehaltvolle Sendungen.

Wann immer das Erste Fußball zeigte, legte das ZDF Filme wie Rosamunde Pilchers „Über den Wolken“ auf. Bild: dpa

Ja, 222 Minuten sieht jeder von uns im Schnitt fern, fast vier Stunden pro Tag, behauptet jedenfalls die Marktforschung für das vergangene Jahr. Die sagt auch: Die Zuschauer schalteten 2012 am häufigsten das ZDF ein. Und nach allem, was sich bisher absehen lässt, stehen die Chancen für das Mainzelmännchen-Programm gut, seine Vorherrschaft verteidigen zu können. Damit das klappt, hilft der Sender aber auch kräftig nach.

Was es heißt, für die Programmpolitik bluten zu müssen, haben die Rechercheure von „Frontal 21“ in den ersten Monaten dieses Jahres erlebt. An 17 möglichen Dienstagen, bei denen bereits der Neujahrstag außen vor war, ging das Magazin gerade zehnmal auf Sendung. Mal mussten sie James Bond Platz machen, dann wieder dem närrischen Treiben.

Eine bisschen Sonderprogrammierung, wie dieses Phänomen im Sendersprech heißt, ist rund um den Jahreswechsel normal. Der neue Umfang, der sich bis in den April hineinzog, allerdings nicht. Da war vor allem dieses Muster erkennbar, das nicht allein auf „Frontal 21“ zutraf: Wann immer im Ersten dienstags gekickt wurde, legte das Zweite statt seiner regulären Sendungen lieber schnulzige Spielfilme auf.

Mit Rosamunde Pilchers „Über den Wolken“ etwa griff das ZDF so gezielt weibliches Publikum ab, wenn es mutmaßlich bei den Herren schon keine Chance hatte. Dem hauseigenen Investigativmagazin wurden für diese Strategie wiederholt Zwangspausen verordnet.

Möglichst viele Zuschauer zu erreichen

Auch die Reihe „ZDF Zeit“, die den Dienstagabend eröffnet, avancierte so vom Regel- zum Ausnahmeprogramm. Dabei ist sie überhaupt erst gut ein Jahr auf dem Schirm. Die Aufseher des Senders geben sich gewohnt zurückhaltend. „Dafür wird das Programm ja produziert: möglichst viele Zuschauer zu erreichen“, sagt der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der dem Fernsehrat vorsitzt. „Und natürlich freut man sich, wenn einem das besser gelingt als anderen Programmen.“ Der Frage, welchen Preis die Marktführerschaft haben darf, weicht er hingegen aus.

Nun geht der neuerliche Erfolg des ZDF, das lange den zweiten oder dritten Platz belegte, nicht nur auf das Konto der Programmplaner um Intendant Thomas Bellut. Sein Sender profitiert nicht zuletzt auch davon, dass andere schwächeln. Vor allem RTL ist zuletzt die Innovationskraft abhandengekommen. Einstige Zuschauermagneten wie „Deutschland sucht den Superstar“ verlieren an Kraft.

Zumindest 2012 half dem ZDF auch, dass es Olympische Spiele und die Fußballeuropameisterschaft zeigte. „Die Kenner der reinen Quotenbetrachtung wissen, dass es vor allen Dingen auch davon abhängt, ist man in einem Sportjahr oder nicht“, sagt Chefaufseher Polenz. Doch auch in diesem Jahr war das ZDF mit Blick auf das gesamte Publikum bisher an der Spitze, im April etwa mit einem Marktanteil von 12,9 Prozent.

Für einen Quotenschub sorgt beim ZDF die Champions League, die sich der Sender pro Saison gut 50 Millionen Euro kosten lässt. So wird dann jedes Jahr ein Sportjahr. Das ist einerseits ärgerlich, weil das ZDF fast zeitgleich einige Informationssendungen wie „Europa Plus“ strich.

Im Anschluss gucken mehr

Auf der anderen Seite aber lässt sich diesem Kniff auch etwas Positives abgewinnen: Es profitieren auch die Sendungen, die anschließend laufen. Das „Auslandsjournal“ etwa jubelte gerade, im Anschluss an die Partie Dortmund – Madrid die beste Quote seit mehr als 20 Jahren eingefahren zu haben.

Bei „Frontal 21“ meckern sie unterdessen nicht offen über die Programmpolitik. Sie haben einen eigenen Weg gefunden, damit umzugehen. Neulich strahlten sie einfach eine Szene aus einer Talkshow aus, in der ihr Intendant versprach: „ ’Frontal‘ kommt mindestens auf 35, 36, 37 Sendungen in diesem Jahr.“ Darauf nageln sie ihn nun fest.

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9 Kommentare

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  • M
    Mainzelmännchen

    Die Programmierung des ZDF ist logisch: Wenn Fußball als Männerprgramm läuft ist ein Frauzen-Programm wie "Rosamunde Pilcher" das, was man Kontrast nennt und insofern nicht zu beanstanden. Wichtig wäre es, insgesamt, weniger für Fußball auszugeben und schöne Filme und Serien zu senden. Weniger Experimente, mehr bewährtes Programm wäre dem ZDF zu empfehlen. Und was die Magazine angeht, würden alle von grösserer Seriosität profitieren. Gerade "Frontal21" neigt dazu Nichtigkeiten völlig unverhältnismässig zu angeblichen Affären aufzublasen.. Schon die Moderation wirkt agressiv und verbissen - so eine Art Domina mit Peitsche fürs ZDF - nur, dass das ZDF eigentlich nicht für Sadamasochisten gesendet wird´, sondern für brave Rundfunkbeitragszahler. Die Erwartungen sollte die Anstat des öffentlichen Rechts in Mainz gerecht werden.

  • WV
    W. von Nichts

    WTF!?

    Was, bitte, ist ein "ZDF" und in welcher Sprache programmiert man das?

  • M
    manni.baum

    Zielgruppengerecht - auch die BILD bietet bewusst schlechtere Inhalte um damit 100 mal soviel Leser wie die taz zu erreichen.

  • D
    Drecksland

    Brot und Spiele! Je dümmer die Massen desto ungenierter kann dieses System seinen demokratischen Mantel abstreifen. Und dafür müssen die Menschen auch noch selbst zahlen. Das ist in etwa so, als wenn ich zur Gehirnamputation gezwungen werde. Nun ja, "Sonderprogrammierung" - Mit "Sonder..." haben es die Deutschen ja. Drecksland.

  • V
    vic

    @ Nepomuk,

    sie zahlen keinen Rundfunkbeitrag- aha. Daraus schließe ich:

    Sie sind wohnungslos und haben keine Meldeadresse?

  • X
    xtraa

    ZD...was? Dass man auf dem Zweiten schon immer etwas blind war, ließ sich ja verschmerzen. Zu drollig sind ulkige Ansammlungen wie "Gartenschau" und Ähnliches. Doch langsam sollte man mal darüber nachdenken das BVerfG zu fragen, ob dieser Laden überhaupt noch dem allgemeinen Demokratieverständnis und dem off.rechtl. Bildungsauftrag nachkommt, oder ob das Gebühren-Monstrum zum Berlusconi-Sendeformat verkommt.

  • M
    meiName

    Der regierungsnahe Fernsehrat wäre ja auch schön blöd, wenn er (regierungs-)kritischen Sendungen wie Frontal21 mehr Platz im Programm lassen würde als irgend nötig. Der Große Putin lässt sich ja auch nicht von irgendwelchen Medienfritzen rummäkeln. Und dass sich unsere Räte am ehesten an den mächtigsten Machthabern orientieren ist ja wohl auch verständlich.

  • M
    muh

    Tja, das Staatsfernsehen verschenkt den letzten Rest Legitimität, wenn es schon seinen Bildungs- und Informationsauftrag zugunsten von Rosamunde Pilcher (!) vernachlässigt. Wird allerhöchste Zeit den Laden ein für alle mal dicht zu machen. Aber dann muss man ja neue Pöstchen für Politiker (er)finden.

  • N
    Nepomuk

    Vielen Dank für den erhellenden Artikel. Ich zahle keinen Rundfunkbeitrag und sehe daher auch nicht fern. Der Artikel bestärkt mich in meiner Haltung. Besonders dass durch erzwungene Beiträge den freien Sendern das Leben schwer gemacht wird, betrübt mich sehr.