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Bilanz zum 1. Mai in BerlinWeniger ist manchmal mehr

Innensenator und Polizeipräsident klopfen sich auf die Schultern: So friedlich war der 1. Mai. Der Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg sieht das anders.

Viel Polizei half hier jedenfalls nicht. Bild: dpa

BERLIN taz | Stolz und voll des Lobes für ihre Ordnungshüter traten Innensenator Frank Henkel (CDU) und Polizeipräsident Klaus Kandt am Donnerstag vor die Presse. „Dieser 1. Mai war einer der friedlichsten seit dem Beginn des Gewaltrituals 1987“, vermeldete Henkel. Polizeipräsident Klaus Kandt leitete daraus die Prognose ab: „Ein völlig friedlicher 1. Mai ist seit Mittwoch keine Utopie mehr“.

In der Walpurgisnacht und am 1. Mai waren rund 7.000 Polizisten im Einsatz. Gerade genug, um die vielen zum Teil kritischen Einsätzen zu bewältigen, meinte Kandt. Als besondere Hausforderung bezeichnete er die NPD-Demonstration und die Gegenkundgebungen in Schöneweide und die 18-Uhr-Demonstration in Kreuzberg. In Schöneweide hatte die Polizei gegen einen Teil der Gegendemonstranten Pefferspray, Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Kandt verteidigte das damit, dass 300 vermummte Personen versucht hätten, hinter die Absperrungen zu gelangen. Sie seien aber nur beregnet worden. „Es war kein harter Strahl“.

Die Polizei habe einen Protest in Sicht- und Hörweite größtenteils verhindert, lautet eine weitere Klage von Gegendemonstranten. Kandt führte das am Donnerstag auf die beengten räumlichen Gegebenheiten zurück. Last not least warfen Abgeordnete von Land und Bund wie Udo Wolf (Linke) und Christian Ströbele (Grüne) dem Einsatzleiter Michael Knape vor, sie nicht durch die Absperrung gelassen zu haben. Henkel konzedierte: „Das ist nicht gut gelaufen“. Es gebe eine klare Regelung für Abgeordnete und Journalisten. „Das müssen wir nacharbeiten“.

Laut Polizei wurden an beiden Tagen 94 Personen festgenommen und 54 Polizisten verletzt. 2012 waren es 133 verletzte Beamte und 123 Festnahmen. Die Anzahl der verletzten Beamten ist für die Politik ein wichtiger Indikator für den Verlauf der Maifeierlichkeiten. Am 1. Mai 2011, der als einer der erfolgreichsten Einsätze gilt, wurden 74 Polizisten verletzt. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit meldete sich zu Wort: „Ich bin stolz auf die Bürgerinnen und Bürger und die Polizei, die diesen entspannten 1. Mai 2013 möglich gemacht haben.“

Polizeipräsident Kandt sagte, die Polizei habe gezeigt, dass man sich auf sie verlassen kann. Damit spielte er darauf an, dass die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration allen Skeptikern zum Trotz ihr Ziel Unter den Linden erreichte. „Wer friedlich ist, kommt bis zum Endpunkt.“ Auch der Senator betonte immer wieder, die „Besonnenheit und Präsenz“ der Polizei habe für den friedlichen Verlauf gesorgt.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) deutete das gegenüber der taz ganz anders: Es habe sich „etwas verändert in der politischen Selbstwahrnehmung und Zielsetzung“ von Feiernden und Demoteilnehmern. Henkel sei aufgefordert, das anzuerkennen und die Zahl der eingesetzten Beamten beim nächsten Mal deutlich zu reduzieren.

Dieser Forderung wollte sich der Innensenator nicht anschließen: „Das ist ein zu schlichter Schluss“.

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6 Kommentare

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  • UK
    unfreiwillige Komik

    Manchmal sagen Bilder mehr als 1000 Worte. Das Foto auf:

     

    http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2013_05/erstermai/Erster_Mai_kaum_Krawall.html

     

    ist so ein Bild. Die teuren Markentreter von Adolph Dassler tragen, aber seine Ablehnung des Kapitalismus an der Scheibe einer öffentlich rechtlichen Sparkasse ausdrücken.

     

    Werdet endlich erwachsen!!!

  • KS
    kleiner Spinner

    „Wer friedlich ist, kommt bis zum Endpunkt.“

     

    klingt wie "Wer brav ist, kriegt ein Leckerli."

  • N
    Name
  • D
    D.J.

    Nanu, sollte diese hochpubertierende Stadt allmählich erwachsen werden?

  • KG
    Karl Gernholz

    A Bigger Bang (Stones)

     

    Sartre schrieb 1947: “Ich gebe zu, dass Gewalt in welcher Form sie sich auch immer äußert, ein scheitern ist. Aber es ist ein unvermeidbares scheitern, weil wir in einer Welt der Gewalt leben, und wenn es wahr ist, dass der Rückgriff auf Gewalt gegen Gewalt sie zu verewigen droht, so ist auch wahr, dass sie das einzige Mittel ist, sie enden zu lassen.“

     

    In der Zeit von 2007 – 2010, haben sich 39.481 Menschen in Deutschland das Leben genommen. In den Folgejahren haben die Selbstmordraten dramatisch zugenommen. Die 4- Jahres- Studie ermittelt als mögliche Ursache Arbeitslosigkeit und Hartz IV, räumt allerdings ein, dass die Todesursache aufgrund des Ablebens, nicht eindeutig zugeordnet werden kann, jedoch ein direkter Zusammenhang festzustellen ist.

     

    In Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern, töten sich die Menschen selber, da ihnen durch Politik und Wirtschaft das Leben zerstört wurde. Das Gesundheitssystem ist völlig ausgefallen.

     

    Von welcher Seite aus, wird Gewalt ausgeübt? Wer verstößt gegen das Grundgesetz und die Menschenrechte? Wo stehen die Verfassungsfeinde?

     

    Sie sitzen in den Parlamenten, den Wirtschaftsetagen und Banken. Schröder und Fischer haben mit den Deregulierungen den Kampf gegen die Bürger eingeleitet. Was jetzt kommt und noch kommen wird, ist notwendiger Widerstand gegen die Unterdrücker und Ausbeuter und ist schon längst überfällig. Friedliche Demonstrationen werden daran nichts ändern. Die neoliberal unterwanderten Medien, berichten kaum über die enormen Protestwellen in den südeuropäischen Ländern, sie verschweigen die Wahrheit, weil sie ähnliches in Deutschland befürchten. Die Protestaktionen werden auch an Härte zunehmen müssen. Wir müssen von den arabischen Protestanten lernen.

     

    Die demokratische Qualität eines Staates, zeigt sich vor allem im Umgang mit Menschen, die staatliche Leistungen empfangen. Die ehemals Dienstleistende Verwaltung, hat obrigkeitsstaatliche Strukturen (Jobcenter) aufgebaut, die mit dem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat unvereinbar sind weil sie nicht für den Menschen konzipiert sind, sondern den profitorientierten Zielen der Wirtschaft angepasst wurden.

     

    Das veranlasste Johannes Paul II. vor einer “Demokratie ohne Werte” zu warnen, denn sie “verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus”. (Centesimus annus, n. 46; Veritatis splendor, n. 101).

     

    Der Finanzguru Sores sagt: “Wir haben den Kampf gegen die Armen begonnen und wir werden ihn gewinnen”. Mal abwarten.

     

    „Let ist bleed“, (Stones)

  • A
    Aha

    133 verletzte Beamte.

    Ansonsten:

    http://www.welt.de/newsticker/news2/article115816920/Anschlag-auf-Bahnstrecke-Berlin-Potsdam-legt-Schienenverkehr-lahm.html

     

    Wie nennt man das?

     

    a)Friedlich

    b)Großteils friedlich

    c)Kampf gegen Rechts