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Bürgerkrieg in SyrienAssad-Regime feiert seinen Sieg

Die Regierungsarmee hat die strategisch wichtige Stadt Kusair erobert. Der Krieg ist damit noch lange nicht entschieden.

Syrischer Soldat in der Stadt Kusair. Bild: dpa

KAIRO taz | Es war das syrische Staatsfernsehen, das am Mittwochmorgen als Erstes die Eroberung von Kusair durch Truppen des Regimes von Baschar al-Assad und Hisbollah-Kämpfern verkündete. „Unsere heldenhaften Truppen haben der Stadt Kusair Sicherheit und Stabilität zurückgebracht“, hieß es in einer offiziellen Erklärung, untermalt von Bildern syrischer Soldaten, die im Zentrum der völlig verwüsteten Stadt patrouillieren.

Kurz darauf folgte die Bestätigung der Rebellen. „Angesichts der Tatsache, dass wir einem riesigen Waffenarsenal gegenüberstanden, kaum Nachschub hatten, und der offenen Intervention der Hisbollah […] blieben Dutzende Kämpfer zurück, um den Rückzug unser Kameraden zusammen mit Zivilisten abzusichern“, ließen sie verlauten. „Ja, wir haben eine Runde verloren, aber die intensive Rivalität (mit dem Regime, d. Red.) geht weiter“, hieß es später aus einer der Kommandozentralen der Rebellen in Homs.

Drei Wochen lang war die von den Rebellen gehaltene Stadt schwer umkämpft. Seit vierzehn Tagen war sie von den Regierungstruppen praktisch von der Außenwelt abgeschlossen. Die neue Qualität in der Schlacht um Kusair unweit der Grenze zum Libanon war die direkte Einmischung der schiitisch-libanesischen Hisbollah-Miliz aufseiten des Regimes. In der Schlacht um Kusair wurde die Hisbollah offiziell zur Kriegspartei.

Ein Wendepunkt für den Libanon?

Kusair kann sich damit als ein Wendepunkt erweisen, an dem sich der syrische Bürgerkrieg schleichend auf den Libanon ausweitet. Selim Idriss, Chef der Freien Syrischen Armee, kündigte nach dem Verlust Kusairs an, die Hisbollah-Kämpfer nun auch im Libanon herauszufordern. Erste Anzeichen dafür gab es bereits. Etwa, als die südliche Vorstadt Beiruts, eine Hochburg von Hisbollah, letzte Woche von Unbekannten mit Raketen beschossen wurde.

Der Fall Kusairs ist für die syrischen Rebellen ein schwerer strategischer und psychologischer Rückschlag. Sie verlieren eine wichtige Nachschublinie in den Libanon. Die Stadt diente monatelang als Umschlagplatz für ihre Waffen. Aber auch für das Regime in Damaskus ist die Kontrolle Kusairs von großer strategischer Bedeutung. Denn damit kontrolliert es das Hinterland entlang der Verbindung zwischen der Hauptstadt Damaskus und den Küstengebieten am Mittelmeer, einer Hochburg des Regimes.

Schlechte Aussichten für die internationale Konferenz

In den letzten Wochen war der Kampf um Kusair von beiden Seiten zur Entscheidungsschlacht hochstilisiert worden, wohl auch, um die eigenen Truppen voranzutreiben. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass sich der Bürgerkrieg noch lange hinziehen wird. Das Regime kontrolliert derzeit die Hauptstadt und die Küstengebiete, die Rebellen den Norden und die zweitgrößte Stadt des Landes, Aleppo.

Für das Regime ist der Sieg in Kusair zugleich ein großer moralischer Erfolg. Wahrscheinlich werden die Regimetruppen und die Hisbollah dies nutzen und als nächstes Rebellengebiete in dem nur 30 Kilometer von Kusair entfernten Homs angreifen sowie möglicherweise auch wieder versuchen, Aleppo militärisch unter Druck setzen.

Für die inzwischen in den Juli verschobene internationale Friedenskonferenz dürfte der Regime-Sieg in Kusair wenig Gutes verheißen. Solange die Front in Bewegung ist, werden die sich zurückziehenden Rebellen nicht bereit sein, sich aus einer schwachen Position heraus mit dem Regime an einen Tisch zu setzen, das seinerseits hofft, durch weitere Gebietsgewinne die eigene Position stärken zu können. Verhandlungen dürften nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten sich in einer Pattsituation militärisch abnutzen, oder wenn eine Seite unterlegen ist. Beides ist im Moment nicht der Fall.

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9 Kommentare

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  • G
    Gertrude

    Das dumme nur, lieber Meyer, ist, dass die syrischen "Rebellen" nur eine kleine Minderheit sind. Die meisten dieser Gangs und Banden sind arbeitslose Tunesier, Libyer, etc. , die so perspektivlos sind, dass sie sich von religösen Irren für den Jihad anwerben lassen. In Syrien sammeln sich die religiösen Spinner der ganzen Welt. Assad hat wirklich einen sehr schweren Job. Was bitte sollen die Zivilisten sagen die von diesen "Rebellen" an der Flucht gehindert, eingeschlossen und als menschliche Schutzschilde benutzt werden? Die anfänglich berechtigten Proteste in allen Ehren, ... Niemand in Syrien braucht solche "Rebellen" die Christen töten und jeden der vermeindlich ein falsches Wort sagt. Man kann nur hoffen dass Assad diesem Spuk bald ein Ende setzt.

  • M
    Meyer

    Ihr schaut aus deutschland heraus und, behauptet die Rebellen währen schlecht?Ihr wisst schon das die Rebellen aus zivilisten bestehen oder ?Wenn man eure Familie abschlachtet dann würdet ihr nach der zeit auch anders ticken.Das syrische Volk flehte die welt an um hilfe ,doch sie ignorierten das was bleibt denn anderes übrig als zu denn Waffen zu greifen.Es waren anfangs Demontstrationen das syrische Regime antworterte mit Terror,und dann wundert ihr euch warum so mancher Rebell nicht all zu nett mit gefangen genommen Assad truppen um geht ????

  • B
    Blausäure

    Vielleicht hätten die Rebellen nicht den Libanon beschießen sollen, Vielleicht hätten die Rebellen die Augen öffnen müssen als die Zivilbevölkerung gegen Sie war, Vielleicht zahlt Saudi Arabien, Türkey, USA, Israel und die Nato einfach zu gut, das die Rebellen lieber für ein paar Dollar und Djihad sterben als in Frieden in ihren eigenen Ländern zu leben!

  • H
    Herbert

    Im Artikel wird wider die Karte des bösen "Assad-Regimes" und der guten Vollbartrebellen (der Kopfab- und Harzherausschneider) gespielt. Eine Einordnung in den geostrategischen Kampf Saudifront (incl. Westen) gene Iranfront fehlt völlig. Denn erst diese geostrategische Einordnung erklärt das Eingreifen der Hizbollah.

    Insgesamt ein Erfolg für Syrien und eine Niederlage der Aggressoren!

  • K
    Kiko

    Ein guter Tag für Syrien, vor allem für seine ethnischen und religiösen Minderheiten. Man mag Assad mögen oder nicht, aber z.Zt. garantiert nur er einen säkularen, multikulturellen Staat. Daß der Krieg "noch lange nicht entschieden" sei, ist wohl Wunschdenken von Karim El-Gawhary. Kusair ist das Stalingrad, der vom Ausland entsandten und bezahlten Terroristen.

  • HS
    Hari Seldon

    Zur "Glaubwürdigkeit" vom Karim El-Gawhary: Vor einigen Monaten wollte der TAZ-Leserschaft in einem Artikel verkaufen, dass "die einzige Waffe" der Rebellen Mobiltelefone wären. Nun, mindestens 80% von Aleppo ist auch unter der Kontrolle der Regierungstruppen.

     

    Die TAZ sollte mit solchen Artikeln sich nicht blamieren. Übrigens, weder in Aleppo als in Qusair wurde die Bevölkerung überhaupt nicht gefragt, ob die dort lebenden Menschen eine "Befreiung" wünschen würden. Tausende mussten vor 18 Monaten auch aus Qusair flüchten: Die wollten keine "Befreiung" durch die Kopfabschneider (pardon, "Freiheitskämpfer").

  • M
    Marcus

    "blieben Dutzende Kämpfer zurück, um den Rückzug unser Kameraden zusammen mit Zivilisten abzusichern“

     

    also für mich klingt das nach der Verwendung menschlicher Schutzschielde. Zivilisten die von den Rebelen benutzt werden sind menschliche Schutzschielde. Kämpfen sie mit den Rebellen sind sie keine Zivilisten, sondern einweimische Kämpfer, Rebelen, Milizen, Soldaten usw.

  • T
    toyak

    Die syrische Regierung und Soldaten feiern natürlich ihren Sieg. Ich hoffe, dass die Regierung sicherstellt, dass die Bevölkerung mit aller nötigen Mittel versorgt wird.

    Mir ist lieber, dass die Regierungssoldaten ihren Sieg mit Tanz etc. feiern, als mit Abschlachtung von Gefangengenommenen, wie die bei den "Rebellen" des öfteren vorkam.

  • G
    Gonzi

    Wenn die Rebellen sich bislang über den Libanon versorgten, damit ihre „Erfolge“ verwirklichten, dann waren sie es, die den Libanon mit ins Spiel gebracht und die Hisbollah herausgefordert haben.

     

    Das wirft auch die Frage auf, was den Zivilisten von Kusair bislang widerfahren ist, was man ihnen zumutete. Wenn von strategischen Interessen die Rede ist, wird das Wohl der Bewohner weniger, wahrscheinlich überhaupt nicht im Vordergrund stehen.