Neuer Superman-Blockbuster: Harte Zeiten für Außenseiter
Viele Muskeln, wenig Seele und noch weniger Witze: „Man of Steel“, der neue Superman-Film von Zack Snyder, ist ein zähes Vergnügen.
Was für ein Schicksal. Einmal auf der Erde zu landen – und dann ausgerechnet in Kansas. Das Interessanteste an Zack Snyders Superman-Adaption „Man of Steel“ ist die Geschichte, die der Film nicht erzählt, aber in Rückblenden immer wieder aufruft.
Es ist die Geschichte eines Findelkinds, das adoptiert wird. Dem sein Anderssein als die anderen Kinder Angst macht. Und das seine wahren Talente verheimlichen muss, weil die Welt, wie sein Adoptivvater ihm sagt, noch nicht bereit ist, die Wahrheit zu ertragen.
In Superman steckt natürlich eine ganz große Außenseitergeschichte über einen kleinen Jungen, der vom Planeten Krypton zur Erde geschickt wurde, um ihn zu retten. Gerade diese Außenseitergeschichte macht einen Großteil der Faszination für Zwölfjährige – und den Zwölfjährigen im Erwachsenen – aus.
Sich als adoptierter Adelsspross zu imaginieren, kann helfen bei dem unweigerlichen Schicksal, sich während der Pubertät von seinen Eltern lösen zu müssen (Näheres lässt sich nachlesen in Freuds klassischer Studie „Der Familienroman der Neurotiker“). Aber Zack Snyder muss gewusst haben, dass er nicht der richtige Regisseur ist, um diese Geschichte zu erzählen.
Also deckt er die Außenseitergeschichte zu – mit lauten Effekten, Zweikämpfen ohne Ende und einem Showdown, der einen kalt lässt. Psychologie ist nicht sein Ding, was in seiner großartigen Verfilmung der „Watchmen“ und der martialischen Kriegsfantasie „300“ auch gar nichts machte. Im Gegenteil, gerade in der unpsychologischen Fremdheit liegt ein Reiz dieser Filme. Aber in „Man of Steel“ ist er nun eben an seine Grenzen geraten. Am bezeichnendsten vielleicht, dass – während das explodierende Krypton am Anfang toll aus Science-fiction-Filmen wie „Alien“ zusammengeklaut ist – die Erde immer dann am meisten nach einem Comic aussieht, wenn sie eigentlich ganz real wirken soll.
Das Manhattan, das am Schluss (inklusive dutzendfacher 9/11-Anspielungen) platt gemacht wird: eine riesige Kulisse. Die US-Armee: lauter Pappkameraden. Clarks Liebesgeschichte mit der Reporterin Lois Lane: unglaubwürdig. Nicht die Effekthascherei ist dabei das Problem. Sondern, dass die Superman-Figur im Zentrum leer bleibt.Die Rückblenden immerhin, in denen der Film die Geschichte des kleinen Clark Kent evoziert, aus dem einmal Superman werden wird, sind stark.
Wie Clark sich als Junge einschließt, weil er Dinge wahrnimmt, die man eigentlich gar nicht wahrnehmen können sollte – er muss seinen Röntgenblick erst kontrollieren lernen. Oder wie der junge Erwachsene nach jeder Rettungstat (einmal hält er eine riesige Ölplattform so lange vom Einstürzen ab, bis die Mannschaft gerettet werden kann) wieder weiterziehen und seine Spuren verwischen muss.
Coming of Age mit eindrucksvollem Oberkörper
Dieser Coming-of-Age-Strang kumuliert in der einen Szene, in der sich Kevin Costner in einem Hurrikan opfert, um Clarks Fähigkeiten nicht der Öffentlichkeit zu verraten. All diese Krisen gehen an Clark Kent dann aber offensichtlich spurlos vorüber. Spätestens wenn der Schauspieler Henry Cavill (eindrucksvoller Oberkörper!) in den Superman-Anzug schlüpft, kann ihm nichts mehr etwas anhaben.
Wer aber braucht Superhelden, die keine inneren Anfechtungen bestehen müssen? Und es hilft dramaturgisch keineswegs, dass die Gegenspieler berechenbar sind – es geht um einen Krypton-General, der dafür kämpft, die alte Ordnung Kryptons wiederherzustellen, in der jedem Einzelnen sein Platz von vornherein zugewiesen war. Während Clark sich, in etwas hölzernen Dialogen in den raren Kampfpausen, streberhaft dafür entscheidet, Mensch zu werden, weil er als solcher nach seiner eigenen Identität selbst suchen kann.
Es hilft auch nicht, dass dieser Film so gar keinen Sinn für die wahren Herausforderungen der Jugend hat, die gerade darin liegen können, sich gleich mit zwei gütigen Übervaterfiguren herumschlagen zu müssen: Neben Kevin Costner ist Russell Crowe als leiblicher Kryptonvater zu sehen – noch so eine rundum perfekte Vatergestalt, von der sich abzugrenzen eigentlich sicher nicht leichtfällt.
Seine Lautstärke (Musikbombast: Hans Zimmer) und seine Beflissenheit kann man diesem Film noch nachsehen. Aber seine Humorlosigkeit nimmt man ihm geradezu übel: gehört über sich selbst lachen zu können doch zu den unverzichtbaren Lebensbewältigungsstrategien von Außenseitern. Vielleicht läuft es darauf hinaus: Dieser Film hilft einem nicht, einer zu sein.
„Man of Steel“. Regie: Zack Snyder. Mit Henry Cavill, Russell Crowe, Kevin Costner u. a. USA 2013, 143 Min
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