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Kommentar ProstitutionsgesetzMenschenhändler weiter sicher

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Die Regierung wollte mit dem neuen Prostitutionsgesetz die Fehler von Rot-Grün ausbessern. Das ist gründlich misslungen – und liegt an den Borniertheiten der Koalition.

Irgendwie musste jetzt ein Gesetz her – Herzen fliegen ihm nicht zu. Bild: dpa

D ie Regulierung der Prostitution geht ein zweites Mal baden. Schon das erste Prostitutionsgesetz von 2002 war eine untaugliche Konstruktion aus Ideen vorpreschender Grüner, bremsender SPDlerInnen und einem Bundesrat, der gegen alles war. Das Ergebnis: Prostitution wurde ein halbwegs normaler Beruf.

Es gab seitdem aber weiterhin Sperrgebiete – und vor allem waren Bordellbetreiber nun irgendwie halbe Chefs, die manche Dinge bestimmen durften und manche nicht. Dem Gros der Prostituierten, die aus anderen Ländern kommen um hier mehr oder weniger freiwillig zu arbeiten, nützte das Gesetz nichts. Wird das nun anders? Nein. Die Union hat zwar ordentlich Wind gemacht und allenthalben das Scheitern des Gesetzes von 2002 verkündet – aber sie hat nun kaum etwas geändert.

Von dem neuen Gesetz profitieren die Opfer von Menschenhandel wieder nicht, weil die Bedingungen, unter denen sie gegen Menschenhändler aussagen könnten, genauso schlecht bleiben wie zuvor.

taz
Heide Oestreich

ist Inlandsredakteurin mit einem besonderen Fokus auf Geschlechterpolitik.

Wer nach seiner Aussage abgeschoben wird und im Herkunftsland um sein Leben fürchten muss, wird weiterhin den Mund halten. Dafür hätte man Opfern von Menschenhandel zumindest ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht geben müssen. Das tut die Union natürlich nicht, weil sie ja eine Ausländer-Draußenhalte-Partei ist. Besonders merkwürdig ist, dass die Union lange gerufen hat, dass sie Bordelle wieder regulieren möchte, um Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel ausfindig zu machen – und dann laschere Regeln vorschlägt als die Grünen sie mittlerweile wollen.

Woran liegt das? Natürlich vornehmlich an den Borniertheiten in der Koalition: Die FDP ist nämlich als Gegen-Regulierungs-Partei gegen neue Vorschriften für Bordelle. Aber ein Gesetz durchzupeitschen, das sämtliche ExpertInnen bei einer Bundestagsanhörung ablehnen, das zeugt von etwas anderem. Nämlich von Ignoranz gegenüber der Zielgruppe.

Irgendwie musste jetzt ein Gesetz her, weil die EU drängelte. Und nun wird das Prostitutionsgesetz ein zweites Mal auf die hohe See geschickt und zum zweiten Mal quasi ohne Segel. Ein zweites Mal werden wir sein Absaufen erleben können.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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11 Kommentare

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  • RB
    Rainer B.

    @ S.K.

     

    Die Realität sieht leider anders aus!

  • S
    @S.K.

    Leute, die anderen vorschreiben wollen, was sie zu tun und zu lassen haben, sind überflüssig.

  • HL
    Hauke Laging

    Das Problem ist hier wohl eher das (fehlende) Wollen als das Verständnis. Dennoch möchte ich mal ganz deutlich sagen, dass Deutschland kein Prostitutionsproblem hat, sondern ein Problem mit der Behandlung von Frauen aus gewissen Problemländern.

     

    Es wäre also schon ausreichend, diejenigen Betriebe an die Kette zu nehmen, die mittels solcher Frauen Umsatz machen. Außerdem sollte man den Tatbestand des Menschenhandels (oder einen neuen, leicht abgeschwächten) weniger an Zeugenaussagen und mehr an objektiv überprüfbare Umstände binden. Wer Geld von einer Prostituierten nimmtdie keinen Zugriff auf ihren Pass oder keine vom Milleu unabhängige Wohnung hat, oder eine länger als acht Stunden am Tag arbeiten lässt, wird eingesackt. Ebenso alle, die unregistriert Forderungen ("Reisekosten") gegenüber solchen Frauen haben. Alle Beteiligten bekommen ein langes Betätigungsverbot in dieser Branche.

     

    Es WÄRE ziemlich einfach.

  • L
    Lora

    Mit dem rot-grünen Prostitutionsgesetz wurde der Menschenhandel (Frauenhandel) erleichtert.

     

    Das Gesetz hat offenbar nur den Bordellbetreibern genutzt, die sich in Deutschland eine goldene Nase verdienen. wie man aus Panorma-berichten u.a. entnehemn kann werden die Frauen mehr ausgebeutet seit diesem Gesetz und gesundheitlich schlechter versorgt.

     

    In dem Artikel wird taz-typisch wieder mal grundlos so getan, als seien die Grünen die Guten gewesen bei dem schlechten rot-grünen Prostitutionsgesetz. Sowas fällt unter manipulative Meinungsmache, das nervt.

     

    Wahr ist: Rot-grün hat kein einziges gutes Gesetz verabschiedet, als SPD und Grüne von 1998-2005 regeirt haben im Bund. Sozialabbau ohne Ende, Deregulierung des Finanzmarktes,

    Kriegseinsätze Zustimmung zu sinnlosen Kriegseinsätzen, sind nur einige Stichworte.

     

    Schwarz -Gelb ist genauso schlecht wie Rot-Grün. Alternative Positionen vertritt in der Regel lediglich die Linkspartei. Wie diese in Sachen Prostitutionsgesetz aussieht wäre interessant gewesen.

  • S
    S.K

    Prostitution ist überflüssig.

  • G
    gesch

    Was ist seit 2002 besser geworden? Die Frauen können ihren Lohn einklagen, aber die Realität sieht anders aus. Sie können sich als "Prostitutierte" versichern, machen es aber nicht. Vor 2002 war Prostitution "sittenwidrig", aber nicht strafbar. Jetzt können Bordellbetreiber und Zuhälter ruhigen Gewissens "Weisungen" erteilen. Zum Beispeil, dass die Frauen keine Kondome benutzen dürfen. Das ist in vielen noblen Häusern längst üblich - weil es die Männer so wollen. Und Ausbeutung findet heute auf offener Straße statt: Bulgarische, ungarische und rumänische Zuhälterbanden stellen gefahrlos "ihre" Frauen an die Straße und müssen nicht wirklich befürchten, belangt zu werden. Ja, das jetzt verabschiedete Gesetz ist Stückwerk. Um so wichtiger ist es, dieses Thema immer und immer wieder neu auf die Tagesordnung zu setzen. Der Anfang ist gemacht, aber wirksame Mittel zur Bekämpfung des Menschenhandels stehen noch aus.

  • DL
    dem lentz

    @Rainer B.

    letzlich liegt das problem in den ausländergesetzen.

    wenn die hintermänner im zweifelsfall wg abschiebung (schlimmstenfalls dahin wo die die sie das erste mal einkassiert haben schon wieder auf sie warten.kein witz sondern altag)nicht zur rechenschaft gezogen werden können, sich aufgrund der unmöglichkeit einen aus illegaler (ohne aufenthalts und arbeitserlaubnis) beschäftigung entstandenen lohnanspruch durchzusetzen alles erlauben können; ihren "sclaven" MIT DER POLIZEI DROHEN oder sie, im gelindesten fall, für die aufrechterhaltung ihrer auffenthaltserlaubnis dank arbeitsvertrag unentgeltlich schuften lassen kann man diese gesammte gesetzgebung nur als förderung von menschenhandel bezeichnen.

    die behörden und gesetzgeber, genau wie alle anderen die an grenz und abschiebungsregime beteiligten somit als kriminelle vereinigungen zu bezeichnen würde ich nicht als zu hoch gegriffen betrachten.

     

    grenzen zu erzeugt sclaven

    egal in welchem gewerbe

     

    aber ist ja alles bekannt, nur schimpfts sichs besser über freier und billigarbeiter die jobs wegnehmen.

  • RB
    Rainer B.

    Bei dem Prostitutionsgesetz von 2002 ging es erstmals darum, Prostitution als Dienstleistung rechtlich anzuerkennen und damit einen Weg aus der Schmuddelecke zu eröffnen. Erst dadurch haben Prostituierte einen einklagbaren Anspruch auf Bezahlung bekommen. Vorher war die Situation so, dass die Verträge zwischen Prostituierten und Freiern als "sittenwidrig" galten und damit nichtig waren. Ansprüche gegen Freier konnten praktisch nur mit Gewalt und unter Zuhilfenahme von Zuhältern durchgesetzt werden. Die heutigen Kritiker des Gesetzes blenden diesen Aspekt leider gern aus.

     

    Was den Menschenhandel betrifft, so beschränkt sich der keineswegs nur auf Prostitution, sondern greift auch im gesamten Gastronomiebereich, in der Bauwirtschaft und im übrigen Dienstleitungsgewerbe um sich. Wenn heute mehr und mehr Prostituierte nach Deutschland kommen, dann zeigt dies nur, dass die Gesetzgebung und die Bedingungen in den anderen Ländern noch viel schlechter ist.

    Eine Harmonisierung der Prostitutionsgesetzgebung wäre zumindest innerhalb der EU machbar und allemal besser als ein zurück zur Kriminalisierung von Prostituierten.

  • A
    agtrier

    Prostitution ist eben nicht nur Menschenhandel und Zwangsprostitution, sondern es gibt eine ganze Menge Frauen, die mehr oder weniger gerne in diesem Gewerbe arbeiten.

     

    Und diese empfinden die Regulierungswut oft als viel schlimmer als die Gefahr von Ausbeutung - letztlich haben viele auch schon erlebt, dass sie von "Freunden und Helfern" zum "freiwilligen und kostenlosen" Sex gezwungen wurden, weil sie sonst "Ärger mit der Sitte" bekommen würden.

     

    Die Frage wird sein, wie kann man die hässlichen Seiten der Prostitution bekämpfen und gleichzeitig diejenigen schützen, die gerne in diesem Gewerbe tätig sind?

     

    Bisher fehlt da noch eine gute Antwort darauf - aber mit Repressalien wird man nicht weit kommen. Eher schon damit, dass Prostituierte und Freier wissen, dass sie sich der Polizei (oder anderen Stellen) anvertrauen können. Bisher ist das eher nicht der Fall.

     

    ag.

  • D
    D.J.

    Weibliche Prostitution wird wohl nie ganz ohne Bordelle auskommen, zu berechtigt ist die Angst vor möglichen Übergriffen durch Freier, die viele Sexarbeiterinnen haben. Umso mehr wäre es wünschenswert, wenn selbstverwaltete Prostitution gestärkt würde - z.B. in Form von "genossenschaftlichen" Wohnungen/Häusern. Warum wird das kaum diskutiert? Statt dessen kommen zuweilen eher idiotische Forderungen wie nach dem repressiven und untauglichen "schwedischen Modell" hoch (wenn auch nicht von Frau Oestreich, wenn ich es recht sehe).

  • A
    arribert

    Was ist besser?

    ein schlechtes Gesetz oder kein Gesetz

    Wenn der Aktionismus siegt und die FDP Angst vor Regulierungen im Puff hat, dann kommt sowas bei raus. Warum soll denn auch ein Nutzviehhalter seinen Stall vom Gesundheitsamt/Tierarzt und vom Tierschutz(ggf.) prüfen lassen? Was ist denn da die Denkweise in der FDP?