Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
In den diversen Kommentaren zur Lage in Ägypten zeigt sich bei vielen ein merkwürdiges Demokratieverständnis. Lieber eine Militärregierung als eine demokratisch legitimierte Machtausübung durch Islamisten.
Sicher ist eine demokratische Wahl kein Freibrief für eine brutale Unterdückung der Opposition. Davon kann aber in Ägypten nicht die Rede sein. Es ist die Opposition, die Mursi nie als legitimen Präsidenten anerkannt hat und stattdessen auf Totalverweigerung setzt. Eine Demokratie lebt von Kompromissen und Gesprächsbereitschaft. Eine Opposition, die das verweigert, und sich mit den alten Mächten in Justiz und Militär verbündet, produziert ein Bürgerkriegsszenario oder sorgt für eine neue Herrschaft des Militärs.
Besser eine Militärdikatur als ein Islamistenstaat der Muslimbrüder- sowohl für Europa als auch für das ägyptische Volk ist das besser.
Ein Putsch ist eine Machtübernahme - was für die Lage in Aegypten nur bedingt stimmen würde. Wenn dort jemand etablierte Macht hat ist es das Militär. Daran hat sich seit den "freien Offizieren" nichts geändert.
Es fällt aber auf, dass dieses Militär seine Macht seit Jahren meistens klug und zurückhaltend einsetzt (und damit seine Interessen bestens wahrt). In der aegyptischen Bevölkerung ist das Militär die einzige staatliche Institution mit nennenswertem Rückhalt. Schliesslich ist über die Hälfte der Aegypter wirtschaftlich direkt mit der Armee verbunden.
Das Ultimatum der Armee sieht deshalb von Aegypten aus gesehen nicht so dramatisch aus wie aus der internationalen Perspektive und kommt keineswegs überraschend.
Alles ist besser als Islamisten in Machtpositionen. Und wen es nur über ihre Leichen geht, dann ist es ihre eigene Entscheidung, der Zivilgesellschaft wird es auf lange Sicht eher nutzen als schaden. Islamisten sind, wie alle radikalen Religionsfanatiker, Feinde der Menschheit. Mit ihnen ist eine zivilierte Gesellschaft nicht zu machen. Ich freue mich, für die ziviliserten Ägypter, dass das Militär ihnen zur Seite steht. Ich hoffe sie halten ihr Wort und kämpfen bis zum Ende für eine säkulare Gesellschaft in Ägypten. Das wäre der erste richtige Erfolg und das erste Positive dieses "arabischen Frühlings".
Militär-ökonomischer Nepotismus - Vetternwirtschaft - in Ägypten!
Es handelt sich um einen Putsch des ägyptischen Militärs!
Vor allem zur Wahrung ihres wirtschaftlichen, privat-ökonomischen und korrupten Familien und Drohnendaseins!
Aufwachen, brave bürgerliche Idealisten!
Ich verstehe ohnehin nicht, wie es sein kann, dass sich die Demonstranten über die "Schützenhilfe" der Armee freuen. Leiden die an Amnesie?
Es ist ja gerade mal zwei Jahre her, da hat das Militär schon einmal bewiesen, dass es der Sargnagel der Revolution ist. Und auch damals konnte die Armee darauf setzen, dass die Demonstranten, die Mubarak gestürzt hatten, so naiv und leichtgläubig waren und die Armee als Bündnispartner wahrgenommen haben.
Die Folge dieser Naivität bekamen Tausende Ägypter am eigenen Leib zu spüren: Mord, Folter, Vergewaltigung und Gefängnishaft. Also ist es Amnesie oder ein politisches Kurzzeitgedächtnis ohne Gleichen?
"Viele Gegner des ägyptischen Präsidenten Mursi freuen sich über die Unterstützung des Militärs. Doch das ist ein großer Fehler." - Nicht ganz, liebe Überschriften-Abteilung. Sie freuen sich über die Unterstützung "durch das Militär".
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas lässt alte Konflikte in der linken Szene wieder aufbrechen. Ein Dialog erscheint so gut wie unmöglich.
Kommentar Krise in Ägypten: Ein Putsch – nichts anderes
Viele Gegner des ägyptischen Präsidenten Mursi freuen sich über die Unterstützung des Militärs. Doch das ist ein großer Fehler.
Unterstützt das Militär das Volk? : reuters
Die gegenwärtige Lage in Ägypten ist mit „komplex“ falsch beschrieben. Es ist komplizierter. Gleich mit zwei Ultimaten ist der von den Muslimbrüdern stammende Präsident Mohammad Mursi angezählt.
Zunächst hatte ihm die Rebellenbewegung Tamarud bis Dienstagnachmittag um 17 Uhr gegeben, bevor sie eine Kampagne des zivilen Ungehorsams starten will. Dann meldete sich Ägyptens Militär zu Wort und gab beiden Seiten 48 Stunden um die politische Krise zu lösen, ansonsten würden die Streitkräfte ihren eigenen Fahrplan vorlegen und durchsetzen.
Auch wenn die Militärführung betont, dass es sich dabei nicht um einen Staatsstreich handelt. Seinen eigenen Fahrplan durchzusetzen, bedeutet einen Putsch und nichts anderes. Viele der Tamraud-Demonstranten begrüßen die Schützenhilfe des Militärs. Und doch ist es ein Unterschied, wer dem Präsidenten das Vertrauen entzieht.
Ist es die Straße in Massendemonstrationen, die die Anzahl jener übersteigt, die damals Mursi in einer demokratischen Wahl ihre Stimme gegeben haben, ist es etwas anderes als wenn die Generäle das tun. Passiert beides gleichzeitig, dann haben wir eine Situation wie heute in Ägypten. Und die Frage ist: Unterstützt das Militär das Volk oder nützt es die Demonstrationen aus, um seine eigenen Interessen durchzusetzen? In anderen Worten: Stiehlt das Militär die Revolution zum zweiten Mal, wie es das nach dem Sturz Mubaraks mit der Herrschaft des obersten Militärrates getan hat? Eine Militärführung als Bündnispartner gegen die Islamisten sollte auf jeden Fall mit Vorsicht genossen werden.
Und bei all dem darf man nicht vergessen, dass die Muslimbrüder stark sind. Vielleicht nicht stark genug, um ihren Präsidenten nun gegen Tamarud und das Militär halten zu können, aber sicher stark genug, um Ägypten ins Chaos zu stürzen.
Die Warnung vom Muslimbruder Führungskader Muhammad El-Beltagi ist daher ernst zu nehmen, wenn er sagt, dass ein Staatsstreich gegen die Legitimität des gewählten Präsidenten nur über die Leichen der Muslimbrüder laufen werde. Ein angezählter Präsident und in die Ecke gedrängte Muslimbrüder können Ägypten gefährlich werden.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
Themen