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ZivilcourageAlles war geplant

Ein kanadischer Fotograf verhindert in Berlin-Tegel die Abschiebung eines Asylbewerbers aus Pakistan. Dann belügt er die taz. Warum?

Was Demonstranten fordern, motivierte François-Xavier Sarrazin. Bild: dpa

François-Xavier Sarrazin, 38, Kanadier in Berlin, wurde gefeiert für seine Zivilcourage. Am 20. Juni ist er auf dem Flughafen-Tegel im Flugzeug aufgestanden, um die Abschiebung des pakistanischen Asylbewerbers Usman Manir zu verhindern. In der taz hat er danach ausführlich beschrieben, wie er sich nach dem Check-in spontan zu der Aktion entschlossen habe. „Es gibt Dinge, die sind ein bisschen wichtiger als der eigene Spaß“, sagte er. Ein Bürger, der sich einmischt, wenn er Unrecht erkennt.

Der Spiegel hat das taz-Interview zum Anlass genommen, in seiner Rubrik „Eine Meldung und ihre Geschichte“ über Sarrazin zu berichten. Und da erzählt der nun eine andere Geschichte. Er habe es von Anfang an geplant, die Abschiebung zu verhindern, berichtete er der Reporterin. Seinen (One-Way-)Flug habe er allein deswegen gebucht. Von einem Bekannten, der Aktivist bei einer Flüchtlingsorganisation ist, habe er von Manirs Schicksal erfahren. Und warum hat er die taz zuvor angelogen?

Sarrazin steht hinter seinem kleinen Stand am Maybachufer in Neukölln, wo er Fotos verkauft. Er zittert, ihm ist das alles sehr unangenehm. „Mir tut es wahnsinnig leid“, sagt er. Er habe Angst gehabt, dass es für ihn negative Konsequenzen hat, wenn herauskommt, dass er alles geplant hat. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so ein riesen Ding wird“, sagt Sarrazin. Die taz sei eine kleine Kreuzberger Zeitung, habe er gedacht.

Und dann sei die Fanpost gekommen, viele Mails. Mit der Lüge habe er es da nicht mehr ausgehalten. Zumal sein Anwalt ihm gesagt habe, dass es juristisch keine große Rolle spielt, dass er nicht spontan gehandelt hat. Und die Freundin in Budapest, die er angeblich besuchen wollte und die so stolz war auf „meinen Helden“? Er habe überhaupt keine Freundin, sagt Sarrazin.

Die Bundespolizei hat gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, §20 Luftsicherheitsgesetz, weil er „als an Bord befindliche Person den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nicht Folge leistet[e]“. Ihm droht nun eine Geldbuße von bis zu 25.000 Euro. Sarrazin weiß nur, dass ihm eine Strafe droht. Er kenne sich mit den deutschen Gesetzen nicht so aus, sagt er, der nach eigenen Angaben seit 18 Monaten in Berlin lebt. Über sich will er auch gar nicht mehr reden. Es gehe doch um das //www.taz.de/Nach-verhinderter-Ausreise/!119619/:Schicksal von Usman Manir.

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8 Kommentare

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  • S
    Sebastian

    Gleich fünf mal wird hier vom Autor das Wort Lüge benutzt. Als Zeitung - und da wird schon verbal abgemildert - will man natürlich nur keine >unwahren< Behauptungen verbreiten.

    Auch wenn S. vielleicht nicht sonderliche rhetorisches Geschick an den Tag gelegt hat, entscheidend ist wie er gehandelt und welche evtl. erheblichen Konsequenzen er für sich in Kauf genommen hat. In diesem Artikel wird das in den Hintergrund gedrängt, weil die Kollegin und Verfasserin des Ursprungsartikels sich ein bisschen at an der Nase herumführen lassen. So empfinde ich das als doppeltes Eigentor für die taz.

  • F
    Fritz

    So moechte ich einmal das Thema ziviler Ungehorsam behandelt sehen.

  • SE
    Sebastian Erb

    @Lara: Das Problem ist, dass wir als Zeitung keine unwahren Behauptungen verbreiten wollen, weil darunter nicht zuletzt auch unsere Glaubwürdigkeit leidet. Das lässt sich - gerade bei politischer Berichterstattung - natürlich nicht immer vermeiden. Aber wir versuchen immer, solche Behauptungen einzuordnen und wenn möglich zu widerlegen. Auch wenn ein Interviewpartner, der bei vielen Menschen aufgrund seines Handelns auf Sympathien gestoßen ist, offensiv gelogen hat, haben wir die Verantwortung, darüber zu berichten. Allein schon, um irritierten Lesern Aufklärung zu schaffen, die sowohl das taz-Interview als auch den "Spiegel"-Text gelesen haben. Das ganz unabhängig von der Bewertung Sarrazins Handelns. Und übrigens ist verschweigen etwas anderes als zu lügen.

     

    @Eva: Mit der kleinen Kreuzberger Zeitung hat Herr Sarrazin ja gar nicht so Unrecht. Nur dass diese Zeitung eben überregional erscheint und online weitere Leserinnen erreicht. Das wusste er offenbar nicht.

     

    @OWiG: Das Ordnungswidrigkeitsverfahren hat mit der Lüge nichts zu tun. Es wird wegen §20 Luftsicherheitsgesetz ermittelt, weil Sarrazin „als an Bord befindliche Person den Anordnungen des Luftfahrzeugführers oder seiner Beauftragten nicht Folge leistet[e]“. Ich habe das im Text ergänzt.

  • E
    eva

    Das macht seine Tat nicht schlechter, sondern besser.

     

    Das selbstverliebte Gejammere der TAZ (keine kleine Kreuzberger Zeitung? was denn? ein Blatt von Weltrang?! lol) ändert daran keinen Deut.

  • S
    Schloch

    Idiotischer Selbstdarsteller. Ich wuensche ihm, dass er islamisch bereichert wird.

  • L
    Lara

    "Dann belügt er die taz." Wofür zahle ich eigentlich das Abo? Für solch selbstgerechtes Gejammer bestimmt nicht. Was ist denn hier eigentlich das Problem, Sebastian Erb? Sie scheint es viel mehr zu stören, dass ein zivilcouragierter Mensch die genauen Umstände seines Einsatzes lieber verschweigt, als dass er nun einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird. Statt dem engagierten jungen Mann hinterher zu stellen, sollten unsere Ressourcen für Sinnvolles genutzt werden. Ich erwarte von der taz, dass sie kritisch über gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen berichtet und einen Gegenpol zu den großen Medienkonzernen bildet. Dieser Artikel ist einerseits ganz schön peinlich und andererseits ziemlich unsolidarisch. Bitte so etwas in Zukunft der BZ überlassen.

  • O
    OWiG

    Worin soll den die Ordnungswidrigkeit bestehen? In der Lüge?

    Da müssten die Merkel und die Merck ständig ein Ordnungswidrigkeitsverfahren am Hals haben, die lügen täglich doch der Bevölkerung in die Taschen.

  • T
    T.V.

    Sarrazin schreibt Geschichte. So schön mehrdeutig, ich hab gelacht.