Missbrauchsfälle in Österreich: Vergewaltigung im Jugendknast

Erneut ist ein Jugendlicher in Österreich von Zellengenossen sexuell misshandelt worden. Die Justizministerin spielt die Vorfälle herunter.

Gewalt im Jugendknast. Der Kinofilm „Picco“ ist bittere Realität. Bild: dpa

WIEN taz | Vergewaltigungen im Jugendgefängnis sind in Österreich keine Seltenheit. Das musste am Dienstag nach Bekanntwerden mehrerer Fälle auch das Justizministerium zugeben. Allein in diesem Jahr sind vier Fälle aktenkundig.

Eine Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte (BIM) legt nahe, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Denn sowohl die Angst vor weiteren Repressalien als auch ein ungeschriebener Ehrenkodex gebieten Schweigen.

Als die Wochenzeitung Der Falter im Juni aufdeckte, dass ein Vierzehnjähriger in Untersuchungshaft von Zellengenossen mit dem Besenstiel anal penetriert worden sei, reagierte Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) lapidar: Strafvollzug sei eben „kein Paradies“.

Nachdem ihr jemand den Unterschied zwischen U-Haft und Strafvollzug erklärt hatte, versuchte sie in späteren Interviews zu beschwichtigten, sprach von einem bedauerlichen Einzelfall und tappte doch von einem Fettnäpfchen ins andere. Seit den jüngsten Berichten ist sie überhaupt auf Tauchstation.

Sexuelle Gewalt an der Tagesordnung

Die Studie vom BIM und der Opferorganisation Weißer Ring kommt zu dem Schluss, dass sexuelle Gewalt in der Jugendhaft an der Tagesordnung sei. Jugendliche, die sich von Zellengenossen bedroht fühlen, können zwar über einen roten Knopf Hilfe herbeirufen. Doch laufen sie dann Gefahr, von den Aufsehern verprügelt zu werden, so die Studie.

Eigentlich dürften nicht mehr als zwei Jugendliche in eine Zelle gesperrt werden. Doch wegen notorischer Überbelegung müssen sich oft vier minderjährige Straftäter eine Zelle teilen. An Wochenenden, wenn das Personal früher nach Hause geht, wurden die Jungen bereits um 15:00 Uhr eingesperrt. Dass sie dann auf dumme Gedanken kommen, sei nicht verwunderlich, meinen Sozialarbeiter. Zumindest diese frühe Einschließung ist abgestellt worden.

Für Albert Steinhauser, den Justizsprecher der Grünen ist Justizministerin Karl rücktrittsreif: „Eine Ministerin, die öffentlich von einem Einzelfall spricht, obwohl ihr bekannt sein müsste, dass es weitere sexuelle Gewaltdelikte im Jugendstrafvollzug gegeben hat, ist nicht mehr vertrauenswürdig.“

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