Korruption in Spanien: Schwarze Kassen für illegale Spenden
Der frühere Schatzmeister der Volkspartei hat bestätigt, dass er jahrelang für die Partei Schwarzgeldkonten geführt hat. Der Regierungschef wird schwer belastet.
MADRID taz | Es wird eng – sehr eng – für Spaniens Ministerpräsidenten und Chef der konservativen Partido Popular (PP) Mariano Rajoy. Der ehemalige Schatzmeister der Partei, Luis Bárcenas, bestätigte am Montag vor dem Ermittlungsrichter Pablo Ruz am obersten spanischen Strafgericht, dass er seit 1990 eine Kasse mit Schwarzgeldern aus illegalen Großspenden geführt hat.
Die von El País im Februar veröffentlichten Kopien einer handschriftlichen Buchführung und die Originale in El Mundo von vor einer Woche seien echt. Am Montag soll Bárcenas, so Informationen aus dem Gerichtssaal, dem Ermittler Papiere und einen Pendrive mit weiteren Dokumenten übergeben haben.
Diese Informationen dürften beweisen, welche Großunternehmen bei der PP mittels Spenden Gefälligkeiten gekauft haben und welche hohen Parteifunktionäre wie viel Geld bezogen haben. Bárcenas soll – so bisher noch unbestätigte Informationen – rund 50 Quittungen in seinem Besitz haben.
Darunter wohl auch die von Rajoy, der – so Bárcenas – jahrelang Umschläge mit Bargeld in einem Gesamtwert von über 300.000 Euro erhalten haben soll.
Die Situation Rajoys hatte sich bereits am Sonntag extrem zugespitzt, nachdem die Tageszeitung El Mundo Screenshots des SMS-Verkehrs von Bárcenas mit dem Regierungschef aus den letzten beiden Jahren veröffentlichte.
„Sei stark, Luis!“, heißt es da Anfang des Jahres, als Rajoy längst leugnete, überhaupt noch Kontakt mit seinem einst engsten Mitarbeiter in der Parteizentrale zu unterhalten. Presse und Ermittler gehen davon aus, dass der Schatzmeister auch den SMS-Verkehr mit anderen namhaften Parteiführern aufbewahrt.
Bárcenas, der seit knapp drei Wochen in Untersuchungshaft sitzt, änderte seine Strategie, als seine Partei ihn fallen ließ. „Du wirst schon wissen, was du machst. Aber ich bin damit frei von jedweder Verpflichtung gegenüber dir und der Partei“, heißt es in einer SMS an Rajoy vom März dieses Jahres.
„Ein Regierungschef kann nicht jeden Tag zu allen Gerüchten, die veröffentlicht werden, Stellung nehmen“, erklärte Rajoy gestern auf einer Pressekonferenz anlässlich des Besuchs seines polnischen Amtskollegen Donald Tusk. Die SMS würden beweisen, dass er und die Institutionen nicht erpressbar seien. Seine Regierung sei stabil und würde das Land aus der Krise führen.
Mehrheit verhindert Aufklärung
„Spanien ist ein ernsthaftes Land und ich werde dazu beitragen, dass das so bleibt“, sagte er. Die PP verhindert bisher dank ihrer absoluten Mehrheit eine parlamentarische Fragestunde zum Skandal.
Um Rajoy doch noch vor der Sommerpause aufs Podium zu zwingen, laufen hinter den Kulissen Verhandlungen der Opposition zur Vorbereitung eines Misstrauensvotums. Die sozialistische PSOE kündigte am Sonntag alle Kontakte mit der PP auf und fordert den sofortigen Rücktritt Rajoys.
Die Nebenkläger im Verfahren gegen Barcenas fordern ebenfalls Ermittlungen gegen den Regierungschef. Die SMS würden beweisen, dass Rajoy „Verbrechen gedeckt“ und „die Justiz behindert“ habe. Insgesamt stehen auf beide Delikte bis zu vier einhalb Jahre Haft.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Prozess zum Messerangriff in England
Schauriger Triumph für Rechte
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument