piwik no script img

Pausenklingeln in Essener Schule„Ohne Gong verunsichert“

In einer Essener Schule sollte es aus pädagogischen Gründen nicht mehr klingeln. Warum der Gong trotzdem blieb, erklärt die Schulleiterin.

Puh. Ob es bald schellt? Bild: dpa
Bernd Kramer
Interview von Bernd Kramer

taz: Frau Wenning, Sie wollten an Ihrem Mädchengymnasium das Pausenklingeln abstellen. Was stört Sie am Gong?

Katy Wenning: Nichts, wir haben einen schönen Gong, einen angenehmen Dreiklang. Das Problem ist nur: Pädagogisch ist der Gong überholt. Ein offenes, projektorientiertes Arbeiten ist unmöglich, wenn es alle 45 Minuten klingelt. Stellen Sie sich vor, Sie wollen Lernstationen in den Klassen aufbauen, wo jede Schülerin im eigenen Tempo arbeitet. Ein Klingeln für alle macht da gar keinen Sinn.

Wir haben uns daraufhin an die Stadtverwaltung gewandt und darum gebeten, dass sie zu Jahresbeginn die Gongschaltung abstellt. Das können wir als Schule nämlich nicht selbst.

Die Schülerinnen wollten ihren Gong zurück und haben Unterschriften gesammelt. Waren Sie überrascht vom Gegenwind?

Ja, damit hatte niemand gerechnet. Die waren ohne Gong verunsichert. Viele Schülerinnen tragen heute ja keine Armbanduhren. Für mache sind die 5-Minuten-Pausen wichtig, um auf dem Gang mal eben kurz mit Freundinnen aus der Nachbarklasse zu reden. Das fehlte plötzlich.

Aber wirklich erstaunt war ich, wie sehr selbst die Großen am Gong hingen. Die Abiturientinnen wollten nicht von einer Schule gehen, an der es nicht mehr klingelt. Da spielte wohl schon die Nostalgie hinein.

Im Interview: Katy Wenning

,44, leitet das Mädchengymnasium Essen-Borbeck

Ist der Gong nicht totzukriegen?

Wir haben einen guten Kompromiss gefunden. Es klingelt jetzt nur noch 6- statt 15-mal am Tag. Ich würde mir wünschen, dass auch an anderen Schulstandorten so intensiv über den Gong diskutiert wird wie bei uns.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Themen #Schule

2 Kommentare

 / 
  • N
    noeffbaux

    Als Rektorin eines Gymnasiums den Unterschied zwischen "Sinn machen" und "Sinn ergeben" nicht zu kennen, lässt darauf schließen, dass es bei der Dame zu selten "Gong" macht.

  • T
    tino

    In den 90ern ist in der Gesamtschule Schinkel in Osnabrück der Blitz eingeschlagen und dadurch der Gong ausgefallen. Als sich die Reparatur hinzog mussten die Lehrer überrascht feststellen dass es auch ohne ging, sogar besser. Da Schüler eigenverantwortlich zum Unterricht erscheinen mussten, konnte niemand mehr "den Gong überhören". Lehrer wurden tatsächlich nicht im letzten Satz vom Going unterbrochen. Der Gong ist bis heute abgestellt.

     

    Es ist nicht einzusehen wieso der, dem Schulbetrieb doch sehr ähnliche Uni-Bertrieb ohne auskommt, aber in Schulen aber unabdingbar ist. Es wird hier an der Entstehungsgeschichte liegen, nicht an fehlenden Armbanduhren. Wir waren eine Notgemeinschaft, die eine große Schule ohne Gong am Laufen halten musste und an die Mündigkeit der einzelnen Schüler appellierte. In dem hier geschilderten Fall ist der Gongausfall wohl leider als Befehl von Oben verstanden worden und hat einsprechenden Widerstand hevorgerufen. Das ist aber auch schon mal gut.