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Kommentar Royales BabyAuch nur ein kackender Wurm

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Die Positionen der Linken sind heute längst nicht mehr so eindeutig wie früher. Bei der Geburt eines Prinzenbabys tritt da dann auch linke Nostalgie zutage.

Komparsen der Entertainmentindustrie: Kate, William und Baby Bild: reuters

M onarchen, die regieren, stehen der Demokratie und der Freiheit im Weg, und konstitutionelle Monarchen, die nur repräsentieren, sind verwöhnte Bengels, die auf Kosten anderer Leute leben. Denkmäler institutionalisierter Ungleichheit! Also weg mit ihnen! Es lebe die Republik! So in etwa denken Linke und Radikaldemokraten seit bald 250 Jahren.

Klar: Da und dort hat man sich mit konstitutionellen Monarchien arrangiert, schließlich schaden sie ja kaum, wohingegen die Abschaffung der Show-Königinnen und -Könige Streitereien auslösen würde, die man sich besser spart. Aber Fans der Monarchien, das werden Republikaner und Demokraten nimmermehr.

Eine Schwundform des Antimonarchischen zeigt sich noch in dem Ärger darüber, warum öffentliche TV-Stationen und „die Medien“ so viel Sendezeit mit der Geburt eines armen Prinzenbabys verplempern, das ja auch nur ein kackender Wurm ist und ohne Krone aus der Mama schlüpft.

Robert Misik

ist freier Publizist und lebt in Wien. Seine Texte finden sich auch auf www.misik.at.

Und doch gibt es da noch eine andere politische Emotionalität, auch wenn sie nicht immer offen zutage tritt: linke Nostalgie. Verstanden sich die meisten Linken früher als Kraft des Fortschritts, wozu das Abschneiden alter Zöpfe ebenso zählte wie der Bau möglichst vieler Kraftwerke, so ist das heute längst nicht mehr so eindeutig. Beschleunigung, Technisierung und ein Wandel, der sich nicht immer nur zum Besseren vollzieht, machen auch Linke empfänglich für Sentimentalitäten.

Suche nach einem „echten Leben“

Wer Entfremdung in der Moderne empfindet, sucht nach einem „echten Leben“; ist vielleicht angerührt von Tradition, alten Accessoires und Bauernhäusern mit Holzkastenfenstern. Und was ist so eine Königin oder so ein Prinz denn anderes als ein Accessoire aus einer verlorenen Zeit? Vor allem pompöse Königsbegräbnisse sind ja sehr malerische Umzüge.

Letztendlich sind Könige, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen heute freilich auch nichts anderes als Komparsen der Entertainmentindustrie. Man kann wegzappen. Und die Frauenzeitungen, die noch immer wie in den fünfziger Jahren die Aristomilieus als „große Welt“ verkaufen, werden selbst von ihren LeserInnen kaum ernst genommen.

Ja, klar, man kann wie der Linke-Parteichef den „Monarchie-Hype“ kritisieren. Man kann, wenn man will, einer Traditionsinstitution in einer „geschichtsvergessenen“ Zeit sogar etwas abgewinnen. Man kann aber auch beides einfach sein lassen. Denn letztlich gilt: Es ist völlig bedeutungslos.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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19 Kommentare

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  • G
    Gastname

    Lustig, die taz heute auf der Titelseite: "Es ist völlig bedeutungslos. -> Schwerpunkt Seite 4"

  • A
    Andreas

    Nun, so ganz belanglos ist die Thematik leider nicht. Da sich vom Boulevard über die ÖR bis zur FAZ so ziemlich alles mit dieser Null-Thematik beschäftigt, fallen andere Themen schon mal hinten runter. NSA, NSU, Europa und Steuerhinterziehung - war da was? Ach Gott, das Baby ist ja so putzig, was hat dieses nette Königspaar den linken Nörglern nur wieder angetan? Da wählen wir im Herbst doch lieber wieder Mutti.

     

    Fussball, Königshäuser, Die Flut, alles der gleiche Dreck über den man sich wunderbar bei facebook austauschen kann, Gedanken, wie man noch seine Miete beim 9 Euro Stundenlohn bezahlen kann, sind weniger cool.

  • B
    bestanyol

    Na Gott sei Dank erklärt man uns endlich wie ein "Linker" denkt und das sogar seit 250 Jahren. Respekt an den Autor.

  • F
    FeministIn

    Die KomparsInnen fehlen.

  • "Beschleunigung, Technisierung und ein Wandel, der sich nicht immer nur zum Besseren vollzieht, machen auch Linke empfänglich für Sentimentalitäten."

     

     

     

    Das ist interessant. Hört sich an, als wären "Linke" früher keine Menschen aus Fleisch und Blut gewesen, sondern kalte und herzlose Politroboter.

     

     

     

    Sehr aufschlussreich Herr Misik, was so ein royaler Scheißer da alles bei den "Linken" bewirkt.

     

     

     

    Sieht schwer nach Revolution der königlichen Kackwürmer aus. Was würde die "Linke" bloß ohne die Monarchie machen, gell!?

  • Iih, hatten die etwa Sex?

  • F
    Fiftyna

    Ich hab's langsam so satt. Ewig die Pöbelei gegen Kinder und Menschen die Kinder haben. Welch eine unsägliche Wortwahl, ich denke daran, zu entfolgen.

  • R
    RoyalFan

    das Foto ist vollkommen irreführend. William hat deutlich weniger Haare UND Kate trug blau nicht gelb. solche Ungenauigkeiten mindern die Bedeutung dieses ansonsten excellent geschriebenen Artikels.

  • G
    gastnamen

    ohoh lauter monarchiefans, na denn wenn schon belanglos so ist es doch wenigstens amüsant einigen leuten, die sich lieber mit fremder leute leben beschäftigen als dem eigenen auf den schlips zu ka... jaja meine kinder sind bzw waren auch nur kackende würmer, ist trotzdem nichts schlechtes an ihnen ganz im gegenteil!

  • J
    JadotA

    Die lustige Beschreibung der Bedeutungslosigkeit ist die höchste Kunst des Schreibens. Wenn Shakespeare dies nicht sagte, dann tue ich es für ihn.

  • AN
    Auch nur ein Gast

    Ach Leute, "kackender Wurm" ist doch nur ein Versuch, mit Ironie zum Ausdruck zubringen, dass es eben auch nur ein Baby wie jedes andere ist.

     

     

     

    Und warum der "Schreiberling" (auch Ironie?) bedeutungslos sein soll, erschließt sich mir nicht so richtig. Warum? Weil es einen Kommentar geschrieben hat, den Sie, Nick, bedeutungslos finden?

     

     

     

    So, und jetzt will ich auch mal ausfallend werden: Dieses Rumgepöbel in den Diskussionforen finde ich einfach nur zum K....

    • M
      MartinM
      @Auch nur ein Gast:

      Der Wurm ist eben nicht ein Baby wie jedes andere. Solche werden gemeinhin von der Presse ignoriert. Taz.de widmet dem Baby gleich 2 Artikel an prominenter Stelle (23.7.) Der Artikel oben ist mir zu zynisch. Zynismus ist wie Alkohol, im Maßen ganz lustig.

       

      Solche Artikel kann man über so ziemlich jedes mediale Ereignis schreiben, Weltmeisterschaften zum Beispiel. Ziemlich belanglos. Wobei ich den Aspekt "Linke und Kinder" hier in den Kommentaren auch ganz interessant fand.

  • F
    fghfgfkgh

    Im Jahr 2013 in einem derartigen Übermaß mit Informationen über einen weiteren Royalistenspross zugebombt zu werden, ist schon überaus unappetitlich:

     

    Willkommen im Zeitalter der Reaktion!

  • J
    Jana

    "das ja auch nur ein kackender Wurm ist" ja klar - die Linken und die Kinder. Ein Kapitel für sich. Wie man ja sehr schön bei den Grünen sieht...

     

    Meine Meinung: Kinder sind die Zukunft unseres Landes! Wer keine Zukunft will soll kacken gehen!!!

    • @Jana:

      Also nach meiner Meinung haben Kinder ein Recht auf ihre EIGENE Zukunft und gehören nicht für irgendeine andere Zukunft instrumentalisiert - sprich: Ob konkrete Kinder "die Zukunft unseres Landes" sind oder sein wollen sollen die mal bitteschön selber entscheiden.

       

       

       

      In jedem Fall finde ich es ziemlich traurig, wenn einem bei einem frisch geborenen, kackenden Wurm vor allem das Vaterland einfällt und nicht das Individuum.

      • @Eine rechte Dummheit:

        P.S.: Und Sie haben recht - für einen SOLCHEN Umgang mit Kindern dürfte eine ernstzunehmende und seriöse Linke in der Tat nicht zu haben sein ... was ich ehrlich gesagt ganz ganz wunderbar finde :).

  • J
    JOhnny

    Und vergessen wir nicht: würde Putin nicht all seine Macht einsetzen, seine Kinder und deren Geburt geheim zu halten, das neue Deutschland und jede linke Zeitung würde eine bei weitem extremere Live-Berichterstattung ansetzen.

  • G
    Gastname

    Daneben kommentieren gehört ganz zweifellos zu den Rechten eines jeden Kommentators. Wollten Sie Ihr Kind als "kackenden Wurm" bepöbelt sehen? Wie wäre es mal wieder mit Fairness, wenn es zu Empathie nicht reicht?

     

     

     

    Über die Leistungen der Demokratie werden wir, wenn ich das richtig sehe, gerade u.a. durch die Veröffentlichungen von Snowden und mehr noch durch die (Nicht)Reaktionen der Politiker auf diesen Skandal unterrichtet.

  • N
    Nick

    Dieser primitive Kommentar ist - genauso wie der Schreiberling - auch völlig bedeutungslos.