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Umfragehoch für Union und FDPEs gibt keine Wechselstimmung

Laut ARD-„Deutschlandtrend“ bekäme Schwarz-Gelb eine Mehrheit, wenn am Sonntag Wahlen wären. Die Eurokrise müsste wieder akut werden, damit es anders aussähe.

Bleiben aneinander geklammert: Merkels Union und Röslers Liberale Bild: Imago / McPHOTO

BERLIN taz | Im aktuellen ARD-„Deutschlandtrend“ hat Schwarz-Gelb zum ersten Mal seit fast drei Jahren wieder eine Mehrheit. Die Union liegt bei 42, die FDP bei 5 Prozent. SPD, Grüne und Linkspartei kommen gemeinsam auf 46 Prozent, also ein Prozent weniger als Schwarz-Gelb.

Das Ergebnis dieser Umfrage ist wichtig. Denn es spricht viel dafür, dass die FDP es am 22. September in den Bundestag schafft. Gerade die Aussicht, nur knapp über die Fünf-Prozent Hürde zu kommen, mobilisiert konservativ-liberale WählerInnen. Die Blaupause für dieses Szenario war die Niedersachsenwahl im Januar 2013, als die FDP in Prognosen lange unter 5 Prozent lag, bei der Wahl aber fast 10 Prozent bekam.

Diese wundersame Stimmenvermehrung verdankte sich WählerInnen, die eigentlich lieber für die CDU votiert hätten, sich aber taktisch für die FDP entschieden.

Die Union wird im Bund zwar offiziell keine Leihstimmenkampagne für die FDP machen. De facto hat Angela Merkel mit ihrem Ja zu einem Mindestlohn light und den großzügigen Wahlversprechen von knapp 30 Milliarden Euro für mehr Kindergeld und die Mütterrente genau dies längst getan.

Wenn die Union finanziell großzügig und etatistisch auftritt, nutzt dies automatisch der FDP, die sich umso effektiver als wirtschaftliberales Korrektiv inszenieren kann. 39 Prozent befürworten zudem laut „Deutschlandtrend“, dass die FDP in der nächsten Regierung vertreten ist

Diese Umfrage ist keine Momentaufnahme: Dass die FDP im nächsten Bundestag sein wird, darf angesichts des taktischen Wahlverhaltens der konservativ-liberalen Klientel also als fast sicher gelten. Zudem gibt es eine langwellige Entwicklung in den Umfragen: Rot-Grün verliert, Schwarz-Gelb gewinnt Sympathien.

So waren im Oktober 2011 nur 20 Prozent für eine weitere schwarz-gelb dominierte Legislaturperiode. Eineinhalb Jahre später, im Juni 2013, hat sich das Bild völlig verändert. 40 Prozent waren der Ansicht, dass Schwarz-Gelb weiter regieren soll. Tendenz: steigend.

Für die Wahl ergibt sich somit folgendes Szenario: Es gibt faktisch keine Wechselstimmung. Für Rot-Grün wird eine eigene Mehrheit, je näher der 22 September rückt, immer illusorischer. Zur Wahl steht somit eine Fortsetzung der Merkel-Westerwelle Regierung oder eine Große Koalition.

SPD bleibt nur Juniorpartner-Rolle

Die SPD ist damit in einer ähnlichen lose-lose Situation wie 2009: Ihre einzige Chance zu regieren ist die Rolle als Juniorpartner von Angela Merkel. Aber genau das darf die SPD im Wahlkampf auf keinen Fall sagen, geschweige denn zum Ziel erklären. Denn damit würde sie ihre eigene Stammklientel demotivieren, zur Wahl zu gehen.

Aber muss es so weitergehen? Können nicht auch langfristige Trends im letzten Moment jäh kippen? Wenn man die Entwicklung der Umfragen der letzten drei Jahren anschaut, zeigt sich: Der Zuspruch für Schwarz-Gelb und Angela Merkel ließ stets nach, wenn sich Nachrichten über die Eurokrise verdichteten. Das war bei der akuten Griechenland-Krise so, es wiederholte sich im Fall Spanien und zuletzt bei der Bankenkrise in Zypern.

Allerdings stieg der Zuspruch für Schwarz-Gelb stets wieder auf das alten Niveau und sogar höher, nachdem die Krisenherde aus den Nachrichten verschwanden und der Anschein entstand, dass Merkel die Krise irgendwie beruhigt habe.

Wie es aussieht, ist eine akute Eurokrise kurz vor der Wahl das einzige Szenario, das eine weitere Kanzlerschaft von Angela Merkel gefährden könnte.

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16 Kommentare

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  • P
    Polyboy

    Schwarz-Gelb sind die einzigen Parteien, die in diesem Land noch den Durchblick haben. Mehr muss man nicht dazu sagen.

     

    Die Grünen sind von der SPD abhängig; sie können nichts. Die Linken können auch nichts.

  • A
    Arne

    Lächerlich.

     

    Einen Tag später erscheint eine Umfrage von der Forschungsgruppe Wahlen, in der CDUCSUFDP nur 45% haben, jenseits davon aber SPDGRÜNELINKE aber 48%.

     

    Wie langfristig doch dieser Trend für CDUCSUFDP mal wieder war. Der Artikel war schon für die Tonne, als er gedruckt wurde.

     

    In einem hat er aber Recht.

     

    Es gibt keine Wechselstimmung: Auch nach der letzten Umfrage wollen 86% der Wähler eine Partei wählen (CDUCSUFDPSPDGRÜNE), die weiter Löhne drücken will, Ungerechtigkeiten im Sozialsystem ausbauen will und die Bevölkerung verarmen lassen will.

  • April, April! Jetzt ist wieder Rot-Grün vorne: im ZDF-"Politbarometer"! Einzige Konstante: Die Alternative für Deutschland wird sowohl im ARD-"Deutschlandtrend" wie im ZDF-"Politbarometer" kleingerechnet oder verschwiegen! Obwohl sie bei 10,2 % der Wahlabsichten im unabhängigen Wahl-o-Meter liegt...

     

    Da sieht man einmal mehr: das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist nicht der Wahrheit sondern dem Parteienproporz und dem machterhalt der etablierten Parteien verpflichtet. Feiner GEZ-Zwangsfunk, super "Bildungsauftrag"!

    • @Stojan Bogumil:

      Vielleicht, lieber Stojan Bogumil, möchten Sie ja noch mal nachdenken: 10,2% für die AfD "im unabhängigen Wahl-o-Meter"? Na, super!

       

       

       

      Die Sache hat nur einen Haken: An solchen Aktionen kann sich jeder, vermutlich auch mehrmals, nach Lust und Laune beteiligen. Mit "repräsentativ" hat das Ergebnis nichts zu tun.

       

       

       

      Ihr "GEZ-Zwangsfunk", der, in Ansehung z.B. Ihres Beitrags, mit seinem Bildungsauftrag auch schon mal scheitern kann, beauftragt renommierte und erfahrene Institunte mit der Durchführung repräsentativer Umfragen. Bei nahezu jeder Wahl zeigt sich, dass die Umfrageergebnisse nur geringfügig vom Wahlergebnis abweichen.

      • @Naso poeta:

        Zu den Abweichungen der Umfrageergebnisse, gibt es im Netz Anschauungsmaterial en masse, und auch wenn mal der eine oder andere Beinahe-Treffer dabei ist, "geingfügige Abweichungen" sind das für mich nun wirklich nicht.

  • Lieber Stefan Reinecke, Sie mögen damit recht haben, dass es keine "Wechselstimmung" gibt. Trotzdem wundere ich mich, dass kaum ein Medium im Zusammenhang mit dem Jubel über dieses Schwarz-Gelb-Hoch erwähnt, dass das ZDF-Politbarometer seit dem Morgen des Tages, unter dem Ihr Artikel datiert ist, Verlust bei Union und Zuwachs bei Rot-Grün publiziert?

     

     

     

    Nun mag das natürlich alles noch im Bereich der Fehlertoleranz liegen. Nur sind nach meiner Erinnerung die Wahltag-Prognosen des ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) in aller Regel die zuverlässigsten.

  • Sogenannte Wahlprognosen und Umfragewerte sind nahezu immer extrem unpräzise, bewerten die großen Parteien in dem meisten Fällen über und die kleinen unter, und sind, meiner Meinung nach, auch nur ein weiteres Instrument, um das Wahlverhalten zu beeinflussen, und die Stimmen auf die großen Parteien zu lenken, oder Resignation hervorzurufen.

  • Eurokrise? Sie ist immer noch da: heute verlangt der IWF weitere 10,9 Milliarden für Griechenland!

     

    Diesen Irrsinn zu beenden ist noch möglich, dazu bedarf es aber einer echten Opposition. Und das ist nur die die Alternative für Deutschland.

     

    Trotz Totschweigen und Diffamieren:

     

    Im unabhängigen Wahl-o-Meter liegt die AfD bei 1o,2 % der Wahlabsichten, Tendenz weiter steigend!

  • UW
    Umfragen werden selektiv rezipiert!

    Irgend eine Umfrage sagt ja immer irgendwas. Rot-Grün kann laut Forschungsgruppe Wahlen rein theoretisch (für den unwahrscheinlichen Fall das FDP und Linke raus fliegen ... lol) auch auf eine Mehrheit hoffen. http://www.wahlrecht.de/umfragen/politbarometer/stimmung.htm

  • F
    Fritz

    Wenn die Mehrheit der Bürger in diesem Land Niebel, Friedrich, Rösler, Schröder, Westerwelle, etc. pp. behalten möchte, dann haben sie es absolut verdient genau das zu bekommen was sie wollen.

  • S
    Sören

    Ich glaube nicht, dass man von einer einzelnen Umfrage auf das Wahlergebnis im Herbst schließen kann. Wenn man alle Umfragen anschaut, kann man eine Tendenz in Richtung schwarz-gelb oder schwarz-rot sehen. Sicher ist zumindest, dass es keine Wechselstimmung in Bezug auf die Kanzlerin gibt.

     

     

     

    Die SPD ist jetzt in der gleichen Situation wie 2009; rot-grün ist unwahrscheinlich, und rot-rot-grün wird ausgeschlossen. Damit gibt es keine ernsthafte Möglichkeit, den Kanzler zu stellen.

     

     

     

    Aber die SPD führt das progressiv-linke Lager jetzt schon nur noch nominell an; inhaltlich wird es bereits von den Grünen angeführt. Wenn die SPD bei 20-25 % landet, und dann in eine Große Koalition geht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Grünen die SPD 2017 überholen werden.

  • M
    Mike

    "Die SPD ist damit in einer ähnlichen lose-lose Situation wie 2009"

     

     

     

    Genau - das ist ihr strukturelles Merkmal, denn der SPD fehlt die Alternative. Sie sind eine Ersatz-CDU geworden und im Grunde genommen versprechen sie nicht mal dem Bürger irgendeinen realistischen Benefit.

     

     

     

    Der RAP der SPD: NIedrige Löhne, absenken der unteren Mittelschicht auf Unterschicht, keine effektiven Mindestlöhne ab 10 EURO, keine Stärkung der Gewerkschaften, keine Eingrenzung der Zeit- und Leiharbeit, keine Umfairteilung durch Steuern - sondern Millimeter hier und mal dort. Dazu noch ein erklärt neo-liberaler Kandidat, der eigentlich im Wahlkamof für Alles und Nichts verfügbar ist und dann sich wundert, wenn keiner ihn noch mag.

     

    Dass die CDU so durchrauscht, hat sie sich sprichwörtlich nicht verdient, aber die SPD ist eben eine 25-Prozent-Partei und damit geraten ihre Kanzlerkandidaten-Nomminierungen eben zu einer tragikkomischen Veranstaltung, bei der das Ende eben auch klar ist. Nur weil viele Bürger die Grünen besser finden, kommt nicht Rot-Grün. Das sagen die Zahlen sehr deutlich. Schade für die Grünen, sie hatten immerhin mehr Mut und wirkten authentischer in ihrer Positionierung. Aber mit der SPD? Auch das macht Rot-Grün nicht zu einem Wunschkonzert.

  • Obwohl mir leider längst klar, tut es doch weh, darauf hingewiesen zu werden.

     

    Und ja, REBLEK, es ist "lediglich" die Bundestagswahl gemeint. Denn darum dreht sich`s in diesem Beitrag.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Es gibt kleine Substanztests. Im Sommer bevor Grass den Nobelpreis bekam hatte er einen fitten Artikel in index on censorship. Da war klar, der will den Preis haben und er macht s auch richtig. Dazu dann noch das Ding mit "Abschiebungen sind ethnische Saeuberungen", immer noch seine beste Poetik. Das waren klare Indikatoren und richtige Botschaften mit entsprechender Reichweite.

     

     

     

    Wer aber wie SPD u Gruenenpolitiker immer noch Obama auf Facebook liked und ihm auf twitter followed ist nicht mehr Ernst zu nehmen (und gleichzeitig sei Merkel der Ueberwachungsstaat). Ich will so ein rot-gruen absolut und ganz und gar nicht und nie wieder (einmal reicht). Grass hat das genaue Gegenteil gemacht und er lag dazu echt und organisch richtig, da war nichts scheinheilig und verlogen.

     

     

     

    Wer so unwach facebooked und weiter twittert will ueberhaupt nicht. Da ist ueberhaupt keine Substanz.

  • C
    C.Plümer

    Für mich geht der neuerliche Aufstieg der FDP auf das Konto von Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Ihre offensive Haltung im NBA -Skandal erinnert viele an die FDP der Vergangenheit. Dazu kommt die weitere Unfähigkeit der SPD Positionen klar zu machen, bzw. werden die eigenen Verwicklungen immer klarer.

  • R
    reblek

    "Laut ARD-'Deutschlandtrend' bekäme Schwarz-Gelb eine Mehrheit, wenn am Sonntag Wahlen wären." - Welche "Wahlen"? Könnte es sein, dass lediglich die Bundestagswahl gemeint ist, über deren mögliches Ergebnis "Parlamentskorrespondentin" Reinecke schreibt?