piwik no script img

Kommentar Parteienstreit zur NSAEnde der Aufklärung

Kommentar von Wolf Wiedmann-Schmidt

Union und SPD haben es geschafft, die Spähaffäre zum popeligen Parteienstreit verkommen zu lassen. Die großen Fragen gehen dabei unter.

Frank-Walter Steinmeier im BND-Untersuchungsausschuss. Bild: dpa

D ie SPD hat einen strategischen Fehler gemacht. Als sie sich entschied, Kanzlerin Angela Merkel in der NSA-Affäre frontal anzugreifen, musste sie damit rechnen, dass das Thema früher oder später als Bumerang zurückkommen kann. Und so ist es jetzt auch gekommen.

Genüsslich hat die schwarz-gelbe Regierung gerade ein altes Abkommen vom April 2002 hervorgekramt, auf dessen Grundlage angeblich der deutsche Auslandsgeheimdienst BND seinem US-Pendant NSA millionenfach Daten zur Verfügung stellt. Verantwortlich dafür sei: Der damalige Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier, seit 2009 Fraktionschef der SPD im Bundestag.

Das sei doch nur ein billiges Ablenkungsmanöver, hält nun die SPD erwartungsgemäß dagegen; die Regierung wolle nur von ihren eigenen Versäumnissen und ihrem Unwillen zur Aufklärung der NSA-Ausspähaffäre ablenken.

Damit ist das Thema endgültig zum reinen Wahlkampfthema verkommen. Union und Sozialdemokraten kabbeln sich nur noch untereinander: „Er war’s!“ – „Nein, sie war’s!“ Schwer zu sagen, wer von beiden der größere Heuchler ist. Mit einer Aufklärung in der Sache ist jedenfalls bis zur Bundestagswahl am 22. September kaum mehr zu rechnen.

Dabei sind die großen Fragen in der Affäre auch nach den neuesten Wendungen immer noch nicht beantwortet: Was genau treiben die NSA und von ihr beauftragte Firmen in Deutschland? Wie kommt der US-Abhördienst an die Telefon- und Internetdaten deutscher Bürger: „Nur“ über Datenverkehr, der über amerikanisches Staatsgebiet läuft und auf Grundlage des „Patriot Act“ weitreichend abgeschöpft werden kann? Oder werden doch hierzulande heimlich Internetknoten angezapft?

Fest steht: Das Thema ist zu groß für popeligen Parteienstreit.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • I
    InGottesOhr

    Die Öffentlichkeit soll wohl auf die Kindergarten-Nummer anspringen. Informationen werden inzwischen nicht mehr nur dann bestätigt, wenn die Medien sie publiziert haben, sondern drei Wochen später. Eines bleibt konstant: die Bevölkerung redet über Politiker, nicht über Politik. Wie wirklichkeitsfern sind wir in diesem Land, dass vor einer Wahl solche Praktiken ans Licht kommen und die Parteien keine Internet-Strategien liefern müssen? Das ist schon realitätsverdrossen.

  • F
    Fritz

    Das Konzept gefällt mir. Rot-Grün hat - 5 Jahre bevor es Prism überhaupt gab - ein Abkommen mit den USA geschlossen, und sind nun irgendwie Schuld. Wenn man das ein wenig weiter denkt, ist vermutlich am Ende Adolf Schuld. Der hatte schliesslich auch nen Geheimdienst. Oder die Römer. Die waren schliesslich auch mal "Besitzer" von Bad Aibling

    • H
      huber
      @Fritz:

      nicht rotgrün sondern das kanzleramt, das ausschließlich für die geheimdienste zuständig ist. wenn bei grüns jemand davon wusste dann höchstens joschka. und auf den ist kein verlass...