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Kommentar NSA und LavabitMutige Kapitulation

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Verschlüsselte E-Mail-Dienste nehmen ihr Angebot vom Markt. Was auf den ersten Blick wie Resignation wirkt, ist eine starke politische Aktion.

Kurze Mitteilungen können bemerkenswerte Dokumente der Zivilcourage sein Bild: photcase / mys

A m Ende war der Druck zu groß. Mit einer bitteren Nachricht verkündet Lavabit das sofortige Ende des Angebots seines verschlüsselten Email-Service. Nur wenige Stunden darauf macht auch der Anbieter Silent Circle dicht.

Was auf den ersten Blick wie Resignation anmutet, ist in Wirklichkeit ein mutiger Schritt, der Hoffnung macht. Hoffnung, dass zumindest einige treibende Kräfte der fortdauernden technologischen Revolution sich der politischen Dimension ihres Handelns bewusst sind.

Während die großen Internetkonzerne wie Google, Yahoo und Facebook im Interesse der möglichst störungsfreien Generierung von Profiten sich der Kontrolle von Geheimdiensten und Polizeibehörden unterwerfen, zeigt der Unternehmer Ladar Levison Haltung. Seine kurze Mitteilung, die aus juristischen Gründen nicht mehr als Andeutungen über den genauen Grund seiner Entscheidung geben kann, ist in all seinem Pathos („Verbrechen gegen das amerikanische Volk“) ein bemerkenswertes Dokument der Zivilcourage.

Wir Nutzerinnen können vom begründeten Rückzug Lavabits und des Maildienstes von Silent Circle zweierlei lernen: Erstens wird uns die Illusion genommen, dass es irgendeine Form elektronischer Kommunikation geben könne, die dauerhaft vor fremden Zugriff sicher wäre. Zweitens findet das Paradox, dass maximale Sicherheit nur über Transparenz erreichbar ist, eine kraftvolle Bestätigung.

Datenschutz erfordert Beweglichkeit

Wer geschützt kommunizieren will, muss die Mechanismen des Schutzes offen legen. Nur so werden Brüche der Vertraulichkeit schnell öffentlich. Und nur so können die Angebote weiter entwickelt werden. Lavabit und Silent Circle zeigen mit ihrem drastischen Handeln den Nutzerinnen die Schwachstellen der bisher verwendeten Mechanismen auf. Auf diese Weise stellen sie sich und uns der Herausforderung, einen Schritt weiter zu gehen, besser zu werden.

Daten vor unbefugtem Zugriff zu schützen ist nicht bequem. Sichere Kommunikation ist aufwendig und fordert Beweglichkeit. Vertrauen in ein Gerät, einen Anbieter und eine Software macht die Nutzerin zur Kundin. Will sie die Hoheit über ihre eigenen Daten erlangen, muss sie das eigene Nutzungsverhalten ständig in Frage stellen und verwendete Technologien permanent überprüfen. Sie muss informiert bleiben.

All das macht Arbeit, verlangt die Überwindung der eigenen Bequemlichkeit. Aber welche Entschuldigung, das nicht zu tun, haben wir noch, wenn sogar ein Unternehmer bereit ist, sein Geschäftsmodell aufzugeben, um sein Ideal zu schützen?

Insofern ist die Kapitulation zweier E-Mail-Anbieter vor dem übermächtigen Überwachungsstaat kein Untergang, sondern eine Aufforderung. Eine Aufforderung in Bewegung zu bleiben, Technologie und Politik besser zu verstehen und unsere Kommunikationskanäle nicht einfach großen Konzernen und der zwangsläufig folgenden totalen Überwachung zu überlassen.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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14 Kommentare

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  • S
    stefano

    diese Datenlöschung revidiert die Geschichtsbücher:

     

     

     

    Lavabit war ein Freifahrtschein für amoralisches Handeln für die

     

    Regierung. Es wurde von der Regierung verwendet um kommunizieren zu

     

    können ohne "monitoring" der eigenen Kommunikation erleiden zu

     

    müssen. Die spontane, plötzliche "Tötung" der Server von Lavabit ging

     

    für den Gründer mit einer unerwarteten Datenlöschung einher. Dem

     

    zweiten im Videointerview erwähnten Unternehmen ging es da sicherlich

     

    nicht anders. Die Daten sind nicht mehr existent. Nur diese Art der

     

    Spontan-Löschung konnte den US-Geheimdiensten und der US-Regierung

     

    Ihre Unbedarftheit zurückgeben. Die 'Masterminds of evil' fürchteten

     

    sich vor Aufdeckung Ihrer eigenen Emailkommunikation. Deswegen sind

     

    die Server binnen 24 Stunden zerstört worden. Dort haben Sie Ihre

     

    eigenen Schritte per Email geplant. Dort habe die 'Masterheads of

     

    evil' unsere weltumspannende Herrschaft der Kommunikation über alle

     

    anderen Menschen koordiniert. Um über die Kommunikation aller anderen

     

    Menschen herrschen zu können brauchen Sie einen Ort an dem sie selbst

     

    nicht abgehört werden würden. Deswegen hatte auch Edward Snowden dort

     

    ein Konto. Er war Teil der NSA. Die Löschung dieser Daten revidiert

     

    die Geschichtsbücher der Welt. Vieles werden wir nie erfahren.

  • T
    tfunker

    sprachliche Sauberkeit wär nett

     

     

     

    "in all seinem Pathos („Verbrechen gegen das amerikanische Volk“)"

     

     

     

    ach Leute - erst "crime" (Straftat) als "Verbrechen" übersetzen und dann den anderen Pathos vorwerfen

    • Daniél Kretschmar , Autor des Artikels, Autor
      @tfunker:

      Levison verwendet wohl nicht zufällig eine Formulierung analog zum bekannten „crime against humanity“ – was üblicherweise mit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ins Deutsche übertragen wird. Insofern halte ich die Übersetzung so wie sie hier steht für korrekt und ihre Bewertung für zulässig.

    • @tfunker:

      Wo genau sehen Sie den Unterschied zwischen einem Straftäter und einem Verbrecher?

  • Aus dem amerikanischen Kampf gegen den Terrorismus ist mittlerweile ein handfester amerikanischer Staatsterrorismus geworden. Die Vorstellung, man könnte Terroranschläge verhindern, indem man sämtliche Datenverkehre abgreift, hat etwas stark Pathologisches. Sehr überzeugend ist das nicht.

     

     

     

    Leider ist nicht zu erwarten, dass Microsoft, Google, Yahoo und Facebook etc. nun auch ihre Dienste einstellen, obwohl dies richtig Druck machen würde und sicher auch erfolgreich wäre. Wahrscheinlich kann es nur so gehen.

     

     

     

    Neulich im Freibad erzählte mir ein älterer Herr, der gerade von einem Amerika-Urlaub zurückgekommen war, wie er auf einem Spaziergang am Miami-Beach alleine 19-mal(!) von verschiedenen Sicherheitsbeamten kontrolliert wurde. Das geht dann alles andere als freundlich ab.

     

     

     

    "Wenn das ein freies Land sein soll, dann meinen die mit Freiheit etwas völlig anderes als wir", sagte er und fügte hinzu, dass dies sein letzter Urlaub in Amerika war.

  • P
    posteo!

    Ich begrüße den mutigen Schritt, alles aufzugeben, um die Privatsphäre der Kunden zu schützen. Als kleiner Anbieter wie Lavabit hat man wohl auch keine andere Möglichkeit.

     

     

     

    Mir stellt sich allerdings folgende Frage:

     

    Wenn dies nun zur Regel wird, dass also sämtliche kleinen Anbieter verschwinden, dann gibt es zu gmail und co irgendwann keine Alternativen mehr, speziell keine Alternativen, welche die Privatsphäre ernst nehmen. Dann können nur noch diese Dienste benutzt werden. Zumindest gilt dies für Laien. Leute, die das nötige Know-How haben, könnten sich auch selbst einen Mailserver aufsetzen, möglichst in den eigenen 4 Wänden. Vollständig verschlüsselt versteht sich. Das jedenfalls scheint die einzige Möglichkeit zu sein.

     

     

     

    Also, ich hoffe, auch wenn Lavabit mMn alles richtig gemacht hat, dass solche Dienste weiterhin bestehen bleiben!

  • H
    haller

    Auch bei Briefpost werden doch zumindest Absender und Empfänger gespeichert, und es würde mich nicht wundern, wenn's noch darüber hinaus gehen würde.

     

    Nein, wer heutzutage anonym bleiben will, sollte sich wohl wieder Brieftauben anschaffen.

  • Wer sicher und vertraulich kommunizieren will, muss sich verhalten wie die Verdächtigen, für die wir alle gehalten werden. An dieser Stelle einen Gruß an NSA, BND und alle anderen Dienste.

  • Fazit: Ich fange wieder an Briefe zu schreiben.

    • A
      arribert
      @Moritz Arndt:

      ich würde aber einen eigenen Verschlüsselungsalgorithmus entwickeln. Das ist nicht so schwer, wenn man einen Schlüsseltext hat, aus dem man nur die Buchstaben verlinkt. Vorraussetzung ist, dass der Empfänger den Text auch kennt. Das sieht dann so aus: (Text: "Klaus Kinski - Ich brauche Liebe") 1 2 23

  • K
    kenntkeiner

    Liebe Nutzerinnen,

     

     

     

    es kann auch nicht in Eurem Sinn sein, den Nutzer durch kalte Ignoranz zu diskriminieren. Das Fortbestehen der Menschheit hängt gleichermaßen von Nutzerinnen und Nutzern ab, also sollten wir gemeinsam gegen die mittelalterliche Praxis aufbegehren, die eine Partei immer totzuschweigen. Es lebe die Gleichberechtigung der Nutzer!

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die Semantik bei der taz inkl der dt Medien ist falsch. Von Uebermacht des Staates kann keine Rede sein. Es handelt sich um Gewalt, nicht um Macht. Die Medien betreiben eine starke Verkuerzung der Tatsachen. Man hat die Lage ueberhaupt nicht erfasst. Und auch nicht die Konsequenzen.

     

     

     

    Die Amerikaner koennen nicht globale Gewalt ausueben.

     

     

     

    Es handelt sich um Cyberkriminalitaet und das ist derselbe mit denen, die auf andere Art deviant online agieren.

     

     

     

    Ich halte dagegen ueber 5000 Suizide wg Mobbing pro Jahr in Deutschland fuer einen Hammer. Es fehlt die Empathie fuer die wirklich konkreten Dinge. Medien, die die Verhaeltnismaessigkeit nicht gepeilt bekommen, haben keine Empathie. Nicht alles auf bayerische Justizministerinnen schieben. ...

    • @Andreas Urstadt:

      Noch vor ein paar Monaten hagelte es vernichtende Kommentare, als ich in einem Beitrag behauptete, es sei wegen der Überwachungsdichte völlig unmöglich, sich anonym im Internet zu bewegen.

       

      Jetzt liegen die Beweise auf dem Tisch. Sie kommen aus einer Richtung, von der sie sonst wohl kaum jemand erwartet hätte.

       

       

       

      Mit dem Mobbing wird es ähnlich laufen. Mobbing hat für die Betroffenen entsetzliche Folgen.

       

      Die, die mobben haben derzeit leider kaum etwas zu befürchten. Das ist schlecht. "Sowas gibt es bei uns nicht!", heißt es dann regelmäßig. Der Gegenbeweis ist für den Einzelnen allein fast unmöglich.

       

       

       

      Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass der Kampf um die wenigen "guten" Arbeitsplätze seit der Agenda 2010 voll entbrannt ist und Mobbing zum Tagesgeschäft auf allen Seiten gehört. Mobbing-Opfer sind keine Einzelschicksale. Anwaltsbüros bieten heute Arbeitgebern oder Personalräten gezielt Unterstützung dabei an, wie sie Arbeitnehmer günstig wegmobben können. Da wird auch vor Nötigung und anderen Straftaten nicht zurückgeschreckt. Hinter diesen Leuten würd ich liebend gern die Zellentür persönlich abschließen.

    • @Andreas Urstadt:

      Ich finde diese Sichtweise prima! Versuchen Sie das mit dem Mobbing mal z.B. in der FAZ als Leserkommentar zu platzieren .Das geht immer durch die Zensur womit man Ihnen uneingeschränt recht geben muss. Danke!