Dispozinsen im Finanztest: Große Abzocke der Banken
Wer sein Konto überzieht, zahlt im Durchschnitt saftige 11,31 Prozent Zinsen. Die übelsten Profiteure sind Banken, von denen man es nicht erwartet.
BERLIN taz | Von billigem Geld profitieren nur die Banken. Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) nur ein halbes Prozent Zinsen auf das von ihr verliehene Kapital erhebt, verlangen deutsche Geldhäuser von ihren Kunden bis zu 14,75 Prozent auf Dispokredite. Das geht aus einer Untersuchung der Stiftung Warentest vor, die sie am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Für den Vergleich haben die Tester die Dispozinsen aller 1.538 deutschen Banken ermittelt. Die Ergebnisse erscheinen in der Septemberausgabe der Zeitschrift Finanztest und bilden die Grundlage eines Vergleichsportals im Internet.
Wer sein Konto überzieht, zahlt demnach im Durchschnitt 11,31 Prozent Zinsen. Das ist knapp ein halber Prozentpunkt weniger als ein Jahr zuvor. Den niedrigsten Zinssatz bietet die VR-Bank Uckermark-Randow mit 4,2 Prozent, am teuersten schlägt der Dispo zu Buche bei der Raiffeisenbank Taufkirchen-Oberneukirchen in Bayern und der Volksbank Feldatal in Hessen.
„Die größten Abzocker unter den Banken in Deutschland sind ausgerechnet die kleinsten“, sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest. Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen in ländlichen Regionen nutzten ihre Vormachtstellung häufig aus und schröpften ihre Kunden regelrecht, so Primus.
Kein nennenswertes Risiko
Die großen Geldhäuser wie Deutsche Bank oder Commerzbank liegen im oberen Mittelfeld. Die einzige bundesweit tätige Bank, die mehr als 13 Prozent verlangt, ist die Targobank. Die Stiftung Warentest fordert einen Dispozins von deutlich unter zehn Prozent. In der Untersuchung haben 94 Banken einen Satz von 8,5 Prozent oder weniger.
Die hohen Zinsen seien schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Überbrückungskredit kein nennenswertes Risiko für Banken berge: „Es gibt kaum Verbraucher, die den Dispositionskredit nicht zurückzahlen“, sagte Primus. Die Ausfallquote liege laut einer Forsa-Studie bei 0,2 Prozent – bei Ratenkrediten seien es drei.
Das bestreitet der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). „Die Kreditinstitute haben es bei Dispo- und Überziehungskrediten mit vergleichsweise hohen Ausfallraten zu tun“, so der Verband. Eine Zahl könne er nicht nennen, sagte der Pressesprecher Stefan Marotzke. Schon das Einräumen eines Dispokredites sei mit Eigenkapital- und Liquiditätskosten verbunden. Auch sei es ein Irrtum, dass die Überbrückungskredite aus kurzfristigen EZB-Mitteln finanziert würden.
Zinssätze nicht offen kommuniziert
Die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken werfen der Stiftung Warentest Stimmungsmache vor. Hohe Zinsen seien „schlichtweg ein kaufmännisches Erfordernis,“ sagte Manfred Götzl vom Genossenschaftsverband Bayern (GVB).
Die Stiftung Warentest kritisiert auch, dass die Banken ihre Zinssätze nicht offen kommunizieren. Die Tester mussten in mehr als 600 Filialen persönlich nach dem Zins fragen. Weder hätten die Banken auf Mails geantwortet, noch stünden die Konditionen auf den Internetseiten. In 26 Fällen blieb die Recherche erfolglos: Selbst auf Nachfrage hätten Mitarbeiter keine Zahlen genannt. Dabei sei gesetzlich vorgeschrieben, die Preise deutlich sichtbar in der Filiale auszuhängen. Die Stiftung fordert, die Konditionen im Internet zu veröffentlichen.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert eine Obergrenze für Dispozinsen: höchstens acht Prozentpunkte über dem Leitzins. Die Linkspartei verlangt einen Abstand von höchstens fünf Punkten.
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