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Kolumne Press-SchlagFußball mit Maulkorb

Zukünftig ist die Polizei wieder in der Arena des FC Schalke 04 zu Einsätzen bereit. Der Klub hatte dafür im Gegenzug erklärt, sie nicht mehr öffentlich zu kritisieren.

Ob Schalke zukünftig gegenüber der Polizei den Mund halten wird? Bild: ap

S o viel Anbiederung hätte es nun wahrlich nicht gebraucht. Das werden sich wohl viele Fans des FC Schalke 04 gedacht haben, als sie am Samstagnachmittag sahen, dass ihr Team im Spiel in Mainz in grünen Trikots aufgelaufen ist – in Jägergrün. Ein paar Stunden zuvor hatte sich die Vereinsführung der Schalker mit Ralf Jäger getroffen.

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen war zu einer Hassfigur für die Anhänger des Revierklubs geworden, weil er den Polizeisturm in die Schalker Fankurve während des Champions-League-Playoff-Spiels gegen Paok Saloniki, bei dem seine Beamten Dutzende Menschen verletzt haben, als angemessen bezeichnet hatte.

Erpressung durch Polizeiboykott

Nach dem samstäglichen Gespräch mit Schalkes Vorstand Peter Peters ist Jäger, der angekündigt hatte, bis auf weiteres keine Polizisten mehr ins Stadion zu lassen, weil auch die Offiziellen des FC Schalke die Polizei kritisiert haben, wieder gut Freund mit den Vorstehern des Klubs. Jäger hat den Klub mit der Ankündigung eines Polizeiboykotts der Arena erpresst – mit Erfolg. In einer gemeinsamen Erklärung verpflichtet sich der Klub, sich selbst einen Maulkorb zu verpassen.

In einer von Jäger und Peters unterzeichneten Kooperationsvereinbarung heißt es: „Kritik und unterschiedliche Bewertungen von Sicherheitsfragen bei Fußballspielen werden künftig zwischen den Partners Schalke 04 und der Polizei erörtert, nicht aber öffentlich.“ Der Klub, der sich bis dato vielleicht auch als Partner der Fans, die ihm viel Leidenschaft und jede Menge Geld einbringen, gesehen hat, ist von Jäger dazu gezwungen worden, die Fronten zu wechseln.

Kritik an Polizeieinsätzen, und seien sie noch so schlecht begründet und übertrieben wie der während des Spiels gegen Saloniki, als eine vermeintlich provozierende Fahne im Schalker Block sogar als volksverhetzend eingestuft wurde, darf also vom Klub nicht mehr öffentlich geäußert werden. Die Polizei ist sakrosankt, die Anhängerschaft grundsätzlich das Problem. Ralf Jäger hat es geschafft, einen Keil zwischen Klub und Kurvenfans zu treiben.

Bundesligastadien sind Hochsicherheitsbereiche

Die Nähe von Vereinsführung und Kurve, in der sich auch der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies bisweilen aufhält, war dem Innenminister von jeher ein Dorn im Auge. Er gehört zu den ordnungspolitischen Hardlinern, die sich nicht vorstellen können, dass Sicherheit im Stadion auch mit einer zurückhaltenden Polizei möglich ist.

Die meisten Bundesligastadien sind längst zu Hochsicherheitsbereichen ausgebaut worden, in denen die Polizei in eigens für sie eingerichteten Einsatzzentralen die Bilder der zahllosen Überwachungskameras auswertet, die in den Arenen fest montiert sind. Kontrolle, Überwachung und Repression sind die Mittel einer im Sinne von Jäger operierenden Polizei.

Der Minister misstraut schon lange grundsätzlich jedem Fan, jetzt hat er auch den Klub Schalke 04 dazu genötigt, seinen Fans das Vertrauen aufzukündigen. Ob das als friedensbildende Maßnahme in den Kurven wahrgenommen wird, darf getrost bezweifelt werden.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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3 Kommentare

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  • B
    Böhme

    Der Verein Schalke04 hätte als moralischer Sieger aus dieser Sache hervorgehen können, wenn er sich an die Seite der Fans und damit an die Seite aller Fußballfans gestellt hätte! Diese Chance hat man verstreichen lassen, als man vor Jäger einknickte. Anscheinend sind die durch Polizeiwillkür verletzten und traumatisierten Schalker Fans doch nicht so wichtig für den Vereinsvorstand.

  • PP
    Peter Peterle

    Unglaublich wie vollmundig man nach einem offensichtlich vollkommen unnötigen Einsatz mit vielen unbeteiligten Verletzten Forderungen stellen kann, für die wohl selbst der Papst einige Kritik einstecken müsste. Noch unglaublicher ist allerdings, dass so ein Maulkorb seitens der Schalker Vereinsführung akzeptiert wird und man damit lieber den eigenen Fans, die sich absolut nichts zu Schulden kommen ließen, in den Rücken fällt.

  • LB
    Lord Byron

    Erstaunlicherweise ist die deutsche Polizei hier die einzige Partei, die nicht in die antigriechische Hetze einsteigt. Gibt's da wohl einen tieferen Grund, daß die Bullen jetzt alle blau sind und nicht mehr im Olivgrün der Juntaschergen rum laufen wollen oder brennend für Bilder von Molotovparties herhalten müssen.



    Um es klar zu sagen, die PAOK-Fans sind genauso wenig nationalistisch wie griechische Anarchisten, die ihre Mollis NICHT in Bullenwachen und auch NICHT in/auf normale Polizeistreifen werfen, sie stecken ihre Barrikaden auch nicht zum Spaß an, denn dann sind es ja keine Barrikaden, sondern, um das Tränengas, abhängig vom Tageswind, aus den hügeligen Strassen weg zu brennen. Entsprechend der gängigen Propaganda müßten sie einen albanischen Spieler ihrer Mannschaft hassen, weil er den Doppeladler der UCK trägt - sie haben nämlich als, aus Kleinasien Vertriebene, auch einen Doppeladler als Vereinssymbol. Stattdessen verteidigen sie ihn gegen die gegen ihn gerichtete rassistische Kampagne der Nazis der Xrisy Avgi und 46 von ihnen gingen dafür in den Knast, weil sie vor ein paar Tagen deren Zentrale in Salonika angriffen und dutzende Nazis ins Krankenhaus schickten:



    http://de.indymedi...13/09/348583.shtml



    http://de.indymedi...13/09/348583.shtml