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Die WahrheitDas Ende des bösen Brechens

„Breaking Bad“ geht seinem Ende entgegen. Die erste Staffel steht noch jungfräulich eingeschweißt im Regal. Mir war einfach nicht danach …

Darth Vader ist der Vater von Luke Skywalker. Bild: ap

Wer die vergangenen Wochen und Monate nicht in einem islamistischen Trainingslager im gebirgigen Waziristan verbracht hat, dürfte es bereits bemerkt haben: Dieser Tage schlurft „Breaking Bad“ seinem womöglich verdienten Finale entgegen.

Gute Freunde tragen „Breaking Bad“-Hemden anstatt der üblichen Guns-N’-Roses-Leibchen. In den Feuilletons schreiben Edelfedern elegante Exegesen und Elogen auf „die beste Serie aller Zeiten“, während im Netz die loyalen Fans nägelkauend das Ende herbeizittern, ganz so wie früher kleine Kinder den Nikolaus. Es gibt sogar eine App, die Nutzer sozialer Medien vor „Spoilern“ bewahrt, weil niemand vorher erfahren will, was in dem Geschenk drinne ist – und doch nichts schwerer zu bewahren ist als genau dieses Geheimnis. Nur bei mir zu Hause steht die erste Staffel noch jungfräulich eingeschweißt im Regal. Mir war einfach nicht danach …

Und das liegt nicht einmal an der Serie, die ganz bestimmt phänomenal ist und alles. Nichts gegen hervorragende Unterhaltung. Es liegt am Format. Bei „24“ war es einmal so, dass ich abends um 19.15 Uhr gelangweilt die erste DVD in den Rechner schob, um „mal zu sehen“, was es damit auf sich hat – und mich am folgenden Morgen gegen 4.30 Uhr zwingen musste, doch noch ins Bett zu gehen.

„Mad Men“ war nicht ganz so krass, allerdings hockten wir da wochenlang für jeweils zwei Folgen abends vor dem Bildschirm. Klar, man gewinnt die Charaktere lieb oder lernt sie zu hassen. Und – schwupps! – verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen durch eine Falltür im Drehbuch. Wie im richtigen Leben!

Leider dauert es oft ewig, bis überhaupt etwas passiert. Ein Handlungsfaden wird neckisch angedeutet … und liegt dann für zwei Folgen in der Gegend herum. Manchmal wird er auch in den folgenden 61 Stunden nicht mehr aufgenommen, der Faden. So lange läuft „Mad Men“ schon, das sind zweieinhalb Tage.

„Breaking Bad“ braucht für die Entwicklung seiner Story mehr als 50 Stunden, bei „Lost“ waren es fast 90. Der rassistische Fantasy-Trash von „Game of Thrones“ ist (noch!) kürzer, aber halt auch rassistischer Fantasy-Trash. Zum Vergleich: Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ kommt als Gesamtwerk auf endlose 16 Stunden. Und ein „überlanger“ Film wie „Lawrence von Arabien“ wirkt mit seinen zwei Stunden und 15 Minuten dagegen wie ein schnell geschnittener Trailer. Aber 61 Stunden, 90 Stunden! Geht’s noch?

In der Zeit kann man locker beide Bände von Tolstois „Krieg und Frieden“ lesen und hat danach noch Zeit, in die ersten Kapitel von Thomas Pynchons „Enden der Parabel“ reinzuschnuppern! Deshalb hier meine These: Niemand schaut 61 Stunden „Breaking Bad“, weil er es so genial findet; jeder findet „BB“ genial, weil er es seit 61 Stunden schaut. Könnte doch sein. Man würde es Gehirnwäsche nennen.

Wie „Breaking Bad“ ausgeht? Na ja, wie schon. Er war die ganze Zeit über tot. Die Mutter des Killers war ein Teil seiner gespaltenen Persönlichkeit. „Rosebud“ war der Name seines Schlittens. Und Darth Vader ist der Vater von Luke Skywalker.

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12 Kommentare

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  • MW
    Mr. White

    Ich dachte, so etwas gibt es nur bei Kishon: Wie ich ein Buch besprach, ohne es gelesen zu haben.

  • BB
    Butter bei die Fische

    Ich bin auch etwas erstaunt, dass "24" so gar kein bisschen kritisch gesehen wird, trotz der sehr offensichtlichen Selbstjustiz-Agenda.

     

    In einem Land, dass mit Guantanamo und den Folgen zu kämpfen hat, Folter in einer um Realismus bemühten Polizei-Serie als "notwendige Ermittlungstaktik" zu legitimieren ist schon weit über allem, was es in GoT an "non-PC-content" zu sehen gab (wobei der "Superbulle" in "24" retrospektiv selbst in drei Jahren Gefangenschaft im Nahen Osten bei ständiger Folter nicht eine Silbe verriet, umgekehrt die bösen Islam-Terroristen nach nicht mal einer halben Stunde weinend zusammenbrechen und am liebsten auch noch erzählen würden, wann und wo sie das erste Mal onaniert und an welche ihrer Schwestern sie dabei gedacht haben...) Solche Darstellungen sind ja anscheinend kein bisschen rassistisch???

     

    "Sometimes I get a sense that the discomfort that people have with the depiction of barbarism in fiction is that it smashes the delusion that cultural diversity can be reduced to variety of dress, dish, and language. This was how cultural diversity was preserved in the former Soviet Union." (Razib Khan, "Is 'Games of Thrones' racist? Not even wrong...", Discover Magazine, 2011, http://blogs.discovermagazine.com/gnxp/2011/04/is-game-of-thrones-racist-not-even-wrong/#.Ukc5QH-1tME

  • P
    Peter

    Ich habe mehrmals hingucken müssen, um mich zu vergewissern, daß der Autor GoT wirklich als "rassistisch" bezeichnet. Hä?

    Für das Schauen so endloser Folgen habe ich eigentlich keine Zeit, aber die ersten beiden Staffeln von GoT habe ich mir doch reingezogen. Etwas anstrendend, da fast immer "die Bösen" gewinnen. "Lost" fand ich ab irgendeinem Punkt öde und nicht mehr nachvollziehbar, wahrscheinlich habe ich zwischendurch zu viele Fortsetzungen verpaßt. Na ja, und "24" war zwar sehr aktiongeladen, aber in meinen Augen etwas fragwürdig in Bezug auf die Selbstjustiz-Mentalität des Haupthelden.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Die feinsinnigen Exegeten, die natürlich nur handgehäkelte und extrem hippe Serien aus den USA goutieren sind in der Hipsterfalle gefangen. All die Serien die in dem Artikel zitiert wurden sind meines Wissens von dem deutschen Publikum eher ignoriert worden. Vielleicht weil die Deutschen doof sind und diese Perlen der Unterhaltung nicht zu schätzen wissen. Vielleicht auch deswegen, weil die meisten Menschen nicht stundenlang die pseudointellektuellen Spielarten der immer gleichen Topoi ausgewalzt sehen wollen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      Ich wage ihre Grundthese schon mal zu bezweifeln, dass diese Serien aus den USA kein Erfolg wären in Deutschland. Es ist nur weitaus schwerer messbar, da diese Serien massenhaft illegal geschaut werden oder durch legale Downloads geschaut werden, weniger klassisches Fernsehen. Das liegt einfach daran, dass die deutschen Synchronisationen meistens Monate oder Jahre später erstmal veröffentlicht werden und darauf möchte halt kein Fan warten.

       

      Viel amüsanter fand ich allerdings, dass Sie sich hier offensichtlich über Hipster und ihre Pseudointellektualität aufregen, aber in ihrem Text möglichst viele Fremdwort einbauen (Eexegeten, goutieren, ...), um möglichst intelektuell zu wirken. Wer im Glashaus sitzt...

      • 7G
        738 (Profil gelöscht)
        @Dubiosos:

        "Viele Fremdwort einbauen" will halt gelernt sein. Aber dank Wikipedia goutieren Sie vielleicht auch meinen Beitrag?

  • H
    hahah

    Hehe :D

    Hat keiner gemerkt, dass es die Wahrheit ist :D?

  • Kann der Autor mal erklären, was an Game of Thrones "rassistischer Fantasy-Trash" ist? Ich halte dies für ausgesprochenen Unfug, schließlich sind bei GoT hauptsächlich verschiedene Familien verfeindet, aber keine Rassen. Als einzige andersartige Rasse fallen mir jetzt die Wildlings ein.

    Und Trash kann ich auch nur wenig nachvollziehen. Erstens spricht der Folg bei Fans und die ausgesprochen positiven Rezensionen der Fachpresse dagegen, außerdem ist es ja wohl eine ausgesprochen komplexe Story mit vielen Strängen. Wenn der Autor es nicht mag, ist es ja seine persönliche Meinung, aber das als Wahrheit zu verkaufen finde ich schon sehr wenig neutral oder fair gegenüber der Serie.

     

    PS: Mad Men fand ich zum Beispiel gähnend langweilig, voller Klischees und völlig zu Unrecht gehypt. Würde es aber trotzdem nicht als "Werbeindustribe-Trash" bezeichnen.

  • H
    Horst

    61 Stunden Breaking Bad ist auf jeden Fall besser angelegte Zeit als die 3 Minuten für das Lesen dieses Artikels.

     

    Vorurteilvolles Schubladendenken. Großer Journalismus.

     

    Das Format Spielfilmserie mag einem nicht liegen. Wenn man aber mal reinschaut wird einem auffallen, dass gerade weder Breaking Bad noch Game of Thrones besonders langsame Erzählgeschwindigkeiten aufweisen.

  • EH
    el hom

    sorry, bin nur ein dummer handwerker und hab nicht kapiert was an game of thrones so schlimm rassistisch sein soll. kann mir das jemand erklären?

  • DD
    Der D

    Tja, Pech. Zwingt einen ja keiner, diese (wirklich überragende!!) Serie anzuschauen.

     

    Und wer das großartige Game of Thrones als "rassistischen Fantasy-Trash" niedermacht, verbietet seinen Kinden wahrscheinlich auch, Harry Potter zu lesen...

    • S
      Sepp
      @Der D:

      Meine Rede. Game of Thrones ist Fantasy und sonst nichts. Was soll daran rassistisch sein?