Kommentar Assad und Deutschland: Nachfragen hilft
Ein Interview mit dem syrischen Präsidenten wird als Einladung für deutsche Vermittler missverstanden. Interessant sind andere Äußerungen Assads.
G lückwunsch: Baschar al-Assad bekundet, Deutsche – ganz anders als Amerikaner – kämen der Realität in Syrien noch am „allernächsten“. Daraus abzuleiten, er ersuche Deutschland um eine Vermittlerrolle, ist jedoch Unfug. Assad reagiert auf den Vorschlag der Interviewer lediglich höflich: Gesandte wären willkommen. So weit, so egal. Außenminister Westerwelle hat das Ganze zu Recht sofort abmoderiert. Es gebe bereits einen Vermittler – seitens der UN.
Spannend an den Ausführungen Assads ist etwas anderes. Sie zeigen, dass Journalisten, die sich nicht ständig vor der Macht eines Diktators verbeugen, diesen durchaus in Erklärungsnot bringen können.
So fangen die Kollegen erfreulicherweise an zu lachen, als Assad versuchsweise behauptet, er habe nie gesagt, keine Chemiewaffen zu besitzen. Später bezweifelt er dann die vom Westen verbreiteten Opferzahlen des Giftgasanschlags. Warum strenge er dann selbst keine Untersuchung an? Weil es sich um „Terroristengebiet“ handle, da könne er „nichts tun“.
Im Klartext: Terroristen haben die eigenen Leute, die eigenen Kinder erstickt. Sinn ergibt das keinen. Aber es zeigt, wie willfährig Assad mit dem Begriff „Terroristen“ verfährt.
Seine Erzählung zu Syrien basiert stets auf folgender Behauptung: Er bekämpfe keine Syrer, sondern nur Terroristen, und die kämen vor allem aus dem Ausland. Eine Behauptung, die im Westen auf zu wenig Skepsis stößt. Ob er leugnen wolle, dass viele seiner Soldaten nun aufseiten der Rebellen stünden? Nein, doch das seien eben „Deserteure und Kriminelle“ – sprich: Syrer, aber eben solche, die das Recht auf Leben verwirkt haben.
Dieses Schicksal teilen sie mit der Mehrheit von Assads Landsleuten. Das in Deutschland zu bemerken könnte dabei helfen, sich den Realitäten in Syrien tatsächlich anzunähern.
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