Bundeswehr und Kampfdrohnen: Deutschlands volle Drohnung
Kann die deutsche Gesellschaft der Bundeswehr die Forderung nach Kampfdrohnen verwehren? Nein. Zumindest solange es keinen Widerstand gibt.
Das kommt bei Führungskräften der Bundeswehr nicht so häufig vor: Jörg Vollmer traut sich etwas. Der Bericht von Amnesty International über die Gräuel, die US-Kampfdrohnen in Pakistan anrichten, ist noch frisch – und der Generalmajor verlangt Kampfdrohnen für Afghanistan. Mit den unbewaffneten Heron-Drohnen könne die Bundeswehr derzeit nur zuschauen, wenn etwas passiert, sagt er. „Mit der bewaffneten Drohne können wir zeitgerecht reagieren.“
Mit dieser Forderung gewinnt die Bundeswehr keine Sympathiepunkte. Doch Vollmer möchte die kommende Bundesregierung daran erinnern, dass der Bundeswehr die Kampfdrohne versprochen wurde. Dieses Versprechen will er sich nicht von den Amerikanern verderben lassen. Wenn die USA Zivilisten in aller Welt bombardieren, so lautet das Argument der Bundeswehr, ist das nicht unser Bier. Wir wollen für unsere völkerrechtlich abgesegneten Einsätze die leistungsfähigsten Waffen am Markt.
Vollmer hat Recht. Er hat aus der Perspektive der Bundeswehr Recht. Die Bundeswehr in Afghanistan hat schon mehrfach Unterstützung von US-Kampfjets wie von US-Kampfdrohnen in Anspruch nehmen müssen. Warum Zeit verlieren und die Amis herbeibitten, wenn man mit dem passenden Gerät schneller selbst handeln könnte?
Der Wunsch nach der Kampfdrohne für Afghanistan hat auch aufklärerischen Kollateralnutzen. Denn darin steckt das Eingeständnis, dass die Lage dort nicht so pittoresk ist, dass Nato-plus-Freunde jetzt getrost ihre Köfferchen packen könnten. Es wird offensichtlich, dass die Bundeswehr es beschämend findet, sich von den Amerikanern raushauen zu lassen, nur damit der deutsche Verteidigungsminister keine unangenehmen Pressekonferenzen geben muss.
„Nato schaffen ohne Waffen“
Doch unabhängig von den heillosen Unehrlichkeiten des Afghanistaneinsatzes wirft die Kampfdrohne die Frage auf, welche Waffen der Staat der Bundeswehr vorenthalten sollte. Keine Waffe ist ethisch neutral. Aber steht die Kampfdrohne auf einer Stufe mit Atombomben, Minen oder Gasgranaten? So wahllos und heimtückisch tötet sie nicht. Sonst müsste man auch U-Boote mit Torpedos und bemannte Flugzeuge mit Bomben einmotten. Was natürlich möglich ist, aber dazu wäre die Debatte in Richtung „Nato schaffen ohne Waffen“ zu führen.
Es gab im Juni eine Pressekonferenz mit dem katholischen Militärbischof Franz-Josef Overbeck, auf der dieser zum Thema befragt wurde. Seine sprachlichen Verrenkungen grenzten an Slapstick. Doch bezeichneten sie das Dilemma derer, die der Öffentlichkeit eine ethische Einordnung der Kampfdrohne liefern sollen: „Ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen zu sagen, man kann sie nicht benutzen“, stieß er schließlich hervor.
Das stärkste Argument gegen die Kampfdrohne ist nicht, dass sie ferngesteuert ist, und nicht, dass die US-Amerikaner damit das Völkerrecht brechen, und auch nicht, dass sie unterschiedslos tötet. Das besonders Schreckliche an der Kampfdrohne ist die Vorstellung einer Rüstungsspirale neuen Typs. Fliegende, ferngesteuerte wie autonome Bomben aller Art würden von Kriegsfürsten aller Art rings um den Globus geschickt, immer neue Abwehrsysteme müssten her. Viele Rüstungsexperten erklären dies für Science-Fiction. Andere, gerade auch Drohnenbastler, haben bereits den Aufruf für einen Bann von Roboterwaffen unterschrieben.
Doch ist das Szenario wohl zu abstrakt, um damit eine auch nur im Ansatz erfolgreiche konkrete Kampagne für das weltweite Verbot von Kampfdrohnen zu bestreiten. Wenn die deutsche Gesellschaft hierfür aber nicht den Willen aufbringt, kann sie der Bundeswehr die Kampfdrohne kaum verweigern.
Für die nun kommenden Entscheidungsträger gibt’s dabei einen Trost: Der noch amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière gab erst vergangenen Freitag zu, dass das Problem mit der Drohnenzulassung im deutschen und auch europäischen Luftraum noch lange, lange nicht gelöst ist. Dies betreffe nicht nur den vermaledeiten Euro Hawk, sondern auch die Kampfdrohne. Das verschafft Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“