Pakistans Justiz ermittelt gegen Afridi: Impfarzt im Dienst der CIA
Mithilfe eines Impfprogramms wollten die USA Osama bin Laden finden. Shakil Afridi soll dafür zuständig gewesen sein. Dem Mediziner droht eine Mordanklage.
ISLAMABAD taz | In Freiheit wird der pakistanische Arzt Shakil Afridi so schnell nicht wieder leben können: Bereits im Mai 2012 hat ihn ein Gericht im Nordwesten des Landes zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt – wegen Hochverrats. Ob er darüber hinaus noch wegen Mordes angeklagt wird, weil er für den Tod eines im Jahr 2005 verstorbenen Patienten verantwortlich sein soll, wird am kommenden Freitag entschieden.
Wohl kein anderer Arzt in Pakistan ist so umstritten wie Afridi, der eine Schlüsselrolle beim Aufspüren des von den USA gesuchten Osama bin Laden gespielt haben soll. Der Führer des Al-Qaida-Netzwerks hatte sich jahrelang in der pakistanischen Garnisonstadt Abbottabad versteckt gehalten, bis er am 2. Mai 2011 von einem US-Spezialkommando getötet wurde.
Laut einem offiziellen pakistanischen Untersuchungsbericht hatte Afridi in Abbottabad für den US-Geheimdienst CIA ein Hepatitis-B-Impfprogramm vorgetäuscht. Auf diese Weise wollte die CIA Blutproben von Kindern bekommen, die in einem Gebäude mit verdächtigen Bewohnern lebten. Per DNA-Analyse sollte eine Verwandtschaft mit bin Laden und damit sein Aufenthaltsort festgestellt werden. Ob wirklich Afridi die USA auf Bin Ladens Spur brachte, ist unklar.
Der Arzt hatte sich auch als Mitarbeiter der US-Hilfsorganisation „Save the Children“ ausgegeben. Deshalb wurden im September 2012 alle ausländischen Mitarbeiter der Organisation des Landes verwiesen. Tatsächlich hatte Afridi nie für die Organisation gearbeitet. Er wurde drei Wochen nach der Tötung bin Ladens auf der Flucht nach Afghanistan festgenommen. Zunächst wurde er im Hauptquartier des pakistanischen Militärgeheimdienstes ISI, später im Zentralgefängnis in Peschawar inhaftiert. Er soll gefoltert worden und noch in Isolationshaft sein.
Sein Anwalt floh aus Pakistan
Für Pakistans mächtiges Militär war die Tötung bin Ladens durch US-Agenten in direkter Nähe zur Militärakademie eine Blamage. Dafür muss Afridi büßen, der wegen seiner Arbeit für die CIA als Verräter gilt. Merkwürdigerweise hat seine Verurteilung wegen Hochverrats mit dem Spionagevorwurf nichts zu tun. Afridi wurde verurteilt, der verbotenen Islamistengruppe Lashkar-e-Islam geholfen zu haben. Das bestreiten sowohl seine Familie wie die Gruppe selbst. Sie droht, ihn umzubringen.
Inzwischen ist Afridi mit dem zusätzlichen Mordvorwurf konfrontiert. Wie die Express Tribune schreibt, steht es um seine Verteidigung schlecht: Sein Anwalt Samiullah Afridi floh nach Morddrohungen außer Landes.
Gegen das Hochverratsurteil hatte Afridi Berufung eingelegt. Wegen Formfehlern wurde das Urteil am 29. August 2013 annulliert. An diesem Mittwoch verwiesen die Richter diesen Bescheid wegen weiterer Mängel an das Berufungsgericht zurück.
Appelle der US-Regierung, den Arzt freizulassen, hat Pakistan so stur ignoriert wie Washington die Forderung der pakistanischen Regierung, die US-Drohnenangriffe einzustellen.
Im Januar beschwerten sich die Leiter von zwölf US-Instituten für öffentliche Gesundheit bei Präsident Barack Obama über den Missbrauch medizinischer Programme für Spionagezwecke. Dies verstoße gegen die Neutralitätspflicht der Ärzte und sei für die Ausweisung der Mitarbeiter von Save the Children sowie die Morde an Impfhelfern verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke