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Kolumne KonservativReaktionäre Hobbits

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Ist J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“ konservativ? Oder ist das Werk gar reaktionär? Als gäbe es im Werk nicht genug Wörter, die man durcheinanderbringt.

Hobbit Bilbo Beutlin lebt einen Traum. Keinen schönen Traum, aber einen Traum. Bild: ap

L uxus bedeutet auch: sich keine Meinung über etwas bilden zu müssen, nur weil andere dazu eine haben. Diesen Luxus leistete ich mir in Bezug auf J. R. R. Tolkiens Werk. Doch neulich wurde ich gezwungen, Stellung zu beziehen. Leider.

„Schreib doch mal was über den ’Herrn der Ringe‘“, sagte mir ein Bekannter. „Das Ganze ist doch total konservativ.“ Wir saßen gerade im Kino, sahen „Der Hobbit – Smaugs Einöde“. Zu Menschen, die Sätze beginnen mit „Schreib doch mal was über“, habe ich eine klare Meinung, aber ich bin zu höflich, um sie hier auszuführen.

Mit dem Wort „konservativ“ ist es wie mit einem Smartphone: Kaum jemand weiß, was dahintersteckt, aber fast alle benutzen es. Ein besonders prächtiges Beispiel für Begriffsverwirrung lieferte Spiegel Online bereits 2001.

„In mancher Hinsicht“, heißt es da, „erscheint ’Der Herr der Ringe‘ hochmodern, etwa in seiner harschen Kritik an der Umweltzerstörung. Aber hier spiegelt sich wohl eher die konservative Grundhaltung Tolkiens wider, der sich nach seinem ’merry old England‘ sehnte. So steckt in der Trilogie denn auch viel reaktionäres Gedankengut: Die menschlichen Schurken sind meist dunkelhäutige Ausländer. Frauen haben in Männerberufen in der Regel nichts verloren. Und: Je älter desto besser.“

Verwirrende Wörter

Tolkiens Welt ist also einerseits „hochmodern“, andererseits „konservativ“. Und „konservativ“ ist gleich „reaktionär“. Das ist wiederum dasselbe wie rassistisch und sexistisch – und wie auch immer man es nennt, wenn man alt zu sein okay findet. Als gäbe es im „Herrn der Ringe“ nicht genug Wörter, die man durcheinanderbringt.

Ich flüsterte: „Konservative und Reaktionäre sind nicht dasselbe.“ Konservative sind Realisten. Sie wollen das Bestehende bewahren. „Der Reaktionär will aber nichts konservieren“, schreibt Jens Jessen in der Zeit: „Er ist ein Idealist oder, besser noch: ein rückwärtsgewandter Utopist, der alles Schöne, Richtige in der Vergangenheit schon einmal verwirklicht und nur durch die Moderne verspielt und sinnlos geopfert sieht.“

„Die Botschaft von ’Herr der Ringe‘“, flüsterte ich, „wäre konservativ, wenn sie lautete: Alles soll so bleiben, wie es ist. Zwerge wachsen nicht und Elben haben die Haare schön.“ Unsere Sitznachbarn zischten.

„Aber“, konterte der Bekannte, „die ’Ringe‘-Gesellschaft ist doch feudalistisch. Wer oben ist, bleibt oben. Wer …“ Noch mehr Gezische. Gern hätte ich mitgemacht.

Eine Welt des Mythos

„Das ist weder konservativ“, flüsterte ich noch leiser, „noch reaktionär. Es ist eine Welt des Mythos.“ Der Mythos ist ein Traum, den eine ganze Gruppe oder Gesellschaft teilt. Darin muss ein Held innere und äußere Hürden überwinden, um zu reifen und seine Welt mit dem dabei erlangten Wissen zu bereichern. Der Held ist Stellvertreter des Träumenden. Frodo und Bilbo Beutlin, das sind wir.

Der Bekannte überlegte. Dann sagte er laut: „Also sind Träume konservativ!“ Gezische, Pöbeleien des Kinobesucher. Aber ich blieb standhaft: Ich schrieb keine einzige Zeile über „Der Herr der Ringe“.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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41 Kommentare

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  • PETER K. schrieb: "Wenn es nach den Konservativen gegangen wäre, würden wir auch heute noch in Höhlen wohnen"

     

    Auf den Bäumen! In der evolutionstheoretischen Erklärung, warum der Mensch den Flow-Zustand erlebt, amüsierte mich kürzlich:

     

    # „Konservative“ Lebewesen leiden unter einem schwachen Selbstvertrauen. Am wohlsten fühlen sie sich daher in Standardsituationen. Schon kleine Abweichungen vom Gewohnten bereiten ihnen Stress und vermitteln ihnen das Gefühl der Überforderung. Dauernd haben sie Angst davor, ihre eingespielten Verhaltensweisen bzw. angestammten Lebensräume aufgeben zu müssen. Aufgrund dieser Versagensangst entwickeln sie auch keine Bereitschaft, sich neue Fähigkeiten anzueignen, um mit den geänderten Gegebenheiten besser zurechtzukommen. […]

     

    # „Explorative“ Lebewesen hingegen fühlen sich schnell unterfordert und verfallen in Langeweile, wenn sie keine Gelegenheit haben, Neues zu erleben. Dafür sind sie auch bereit, Anstrengungen auf sich zu nehmen. Ständig suchen [sie] nach neuen Reizen und wechseln deshalb auch ohne zwingenden äußeren Grund häufig ihren Lebensraum. Mit ihrer Rastlosigkeit und ihrem unstillbaren Hunger auf neue Herausforderungen (vgl. Appetenzverhalten) eröffnen sich ihnen [...] manche Chancen, die konservativen Lebewesen vorenthalten bleiben. […]

     

    Die Angst Konservativer, auszusterben, ist berechtigt. Nur verorten sie die Ursache falsch. Es ist keine äußere durch alles Fremde und Neue, sondern eine innere. Ihre wesensbestimmende Angst macht sie unflexibel, hindert sie daran, sich selbstbestimmt zu entwickeln. Ihre Angst ist es, die sie innerlich verharren lässt und ihren Fortbestand bedroht.

     

    Auch am Feuer verbrannten sich wohl erst explorative Urmenschen die Finger, bis sie es zu bändigen verstanden. Dann erst trauten sich auch konservative Gesellen heran, die aus sicherer Entfernung zugesehen hatten - vermutlich um es zur Abwehr einzusetzen. Um ihre „Werte“ zu „verteidigen“. ;-)

  • NG
    nur gast

    Ich kann mich nur auf die Verfilmungen beziehen und finde die höchst fragwürdig. Da werden die Feinde als anonymisierte, entmenschlichte Wesen dargestellt, die bedenkenlos abgeschlachtet und zu Leichenbergen gestapelt werden können. Die Protagonisten wiederum sind Auserwählte mit Sendungsbewusstsein für höhere Aufgaben. Solche Szenarios sind nicht einfach reaktionär sondern ausgesprochen faschistoid. Ähnlich übel sind nur die Star Wars-Filme, dort hat man allerdings schon bemerkt welchen filmischen Vorbildern man gefolgt ist und hat die Sturmtruppen durch Roboterkrieger ersetzt – als wie wenn sich dadurch die Intention wirklich geändert hätte.

    • H
      Hans
      @nur gast:

      Dann vielleicht mal die Bücher lesen.

  • PK
    Peter K.

    Konservative nur als angebliche "Bewahrer des Bestehenden" anzusehen, ist schon etwas kurzgegriffen und reichlich euphemistisch. Vor allem sind Konservative sehr bequemlich, phlegmatisch und denkfaul! Die Widerborstigkeit gegen alles Neue und die Ablehung jeglicher Veränderung beruht in erster Linie darauf, dass sie einfach zu bequem und faul sind, sich auf neue Dinge einzustellen und zu denkfaul, sich der Herausforderung des Neues vor allem intellektuell zu stellen.

     

    Evolutionsbiologisch betrachtet sind Konservative schlicht und einfach dümmer - oder um es weniger deutlich und politisch korrekt auszudrücken: "Konservative sind weniger intelligent" als ihre progressiven Mitmenschen!

    http://www.sueddeutsche.de/wissen/iq-und-politische-einstellung-konservative-sind-weniger-intelligent-1.13440

     

    Der progessive Mensch war es auch in unserer Vorzeit, der sich als erster aus der Höhle getraut hat, der als erster wissen wollte, was sich hinter dem Tal und hinter den Bergen verbirgt. Wenn es nach den Konservativen gegangen wäre, würden wir auch heute noch in Höhlen wohnen, hätte es niemand gewagt, Neuland zu erforschen, über die Meere zu segeln und sich niemand getraut, die "tradionelle Wahrheit" zu hinterfragen, ob die Erde nun wirklich eine Scheibe ist.

     

    Als Fausregeln kann man sagen: Je konservativer, je rechter und je religiöser das Weltbild eines Menschen ist, desto weniger intelligent ist er im Durchschnitt auch.

  • H
    Hamsun

    Mich würde wirklich einmal interessieren, welcher der sich hier als Experten gerierenden Mitschreiberlinge sich ernstlich mit Tolkien und seinen Ideen auseinandergesetzt hat. Natürlich ist das konservativ und das ist auch gut so. Das schöne an dem Erfolg von Herr der Ringe etc. ist ja, daß die ewig geltenden Werte bewahrt bleiben und das war natürlich auch Tolkiens Absicht.

     

    Nebenbei, zum Artikel: Wer die Kritik an der Umweltzerstörung als hochmodern oder gar progressiv betrachtet, der sollte sich einmal intensivst mit der Geschichte der ökologischen Bewegung auseinandersetzen. Umwelt-, Heimat- und Schöpfungsschutz, Entschleunigung und so weiter gab es alles schon, da war an die Grünen noch gar nicht zu denken. Uns selbstverständlich kommt diese Bewegung aus der konservativen Ecke und muß ohne diesen geistigen Unterbau zwangsläufig scheitern...

  • L
    Lukas

    in Märchen gibt es gute und böse Herrscher. Es gibt Könige, die ihr Reiche samt ihrer Töchter armen Schluckern geben - nirgends steht, was der arme Schlucker damit macht, implizit ist: Er wird wohl ein guter König sein. Aber die feudale Alleinherrschaft abschaffen wird er wohl sicher nicht. in Märchen gibt es keine Republiken und keine Demokratien, aber klare Rollenverteilungen. Sind Märchen darum "reaktionär"? Nein. Sie stehen bewusst oder unbewusst außerhalb, sind Traumwelten, Realitätsbezüge herzustellen liegt in der Verantwortung des Märchenlesers, nicht des Märchenerzählers.

    • C
      cosmopol
      @Lukas:

      Triggerwarnung: Reproduktion diskriminierender Stereotype zu Anschauungszwecken.

       

      "Es war einmal der gute König A. Er hatte ein kleines, weißes Oberlippenbärtchen, war Führer einer stolzen Nation. Seine Untertanen und seine Schutzstaff... weißen Ritter liebten ihn abgöttisch. Leider wurde das Reich des guten von allerlei bösartigen Monstern und Parasiten heimgesucht, gemeinen roten Zwergen aus dem dunklen Osten die versuchten die Arbeiter aufzuwiegeln, blutsaugenden, wuchernden Zinskrämern mit krummen Nasen und schwarzen Hüten, pervertierte Anhänger der gleichgeschlechtlichen Liebe und diebische, musikalische Nomaden die in Wägen umherfuhren die der gute König und seine Ritter aber dann in Lager sperrten und alle umbrachten. Hätten sich die Reiche des Bösen nicht gegen ihn verbündet, wäre alles gut ausgegangen, aber so wurde das Reich verwüstet...doch wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute."

       

      Realitätsbezüge herzustellen liegt selbstverständlich niemals nicht in der Verantwortung des Erzählers. Und Märchen, ja Traumwelten, sind niemals nie reaktionär zu deuten, besonders dann nicht wenn sie aus Zeiten stammen in denen noch entsprechend gedacht und gehandelt wurde. Ah, vergleichbare "Traumwelten" wie die oben geschilderte finden sich zB in den Texten zeitgenössischer, rechter Metalbands die oft auch große Tolkien-Fans sind.

  • TL
    Titus Löffler

    OMG - eure Sorgen möchte ich haben.

    Wer wirklich versucht ein 1930 erschienen Fantasy-Roman nach heutigen Moral/Gesellschaft-Vorstellungen zu bewerten hat meiner Meinung nach einfach zuviel Zeit.

     

    Und morgen diskutieren wie darum wie idealistisch doch Star Wars ist weil die an ihren Raumschiffen keinen Auspuff haben und der Obergute ein kleiner Grüner ist.

     

    MFG

    Titus Löffler

     

    PS: Wers nicht kennt mit "kleiner Grüner" ist Yoda gemeint.

    • C
      cosmopol
      @Titus Löffler:

      Tjoa, wenn es dir egal ist, ob in einem der gegenwärtig beliebtesten Bücher (und darauf aufbauenden, aktuellen Filmen) rechtes Gedankengut drinsteckt oder nicht, kann ich dir auch nicht helfen. Warum sollte aber dein Desinteresse übertragbar sein? ;)

  • I
    Istari

    In Mittelerde gibt es keine Demokratie, Gewaltenteilung, Verfassung, Volksentscheide ...

     

    Es ist Fantasy (Unterhaltung) und nicht Philosophie. Tolkien hatte wohl kaum die Absicht eine bessere Gesellschaft zu propagieren.

  • S
    Sokrates

    Es ist doch wie mit jedem Werk eines Menschen. Es ist entstanden im Kontext persönlicher Umstände, Wünsche, Träume und Erfahrungen. Entstanden im Kopf des Authors.

    Und wie jedes Werk wird es vom Betrachter interpreiert und im eigenen Kopf mit eigenen Umständen, Wünschen, Träumen und Erfahrungen verbunden.

    Das "Was will uns der Künstler damit sagen?" wird zu "Was werde ich darin sehen".

    Dies gilt doch umsomer bei einem Irrealen oder mythischen Werk.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Teil des Titelsongs der ZDF-Kinderserie Rappelkiste: "Und willste übern Rasen laufen, mußte dir ein Grundstück kaufen" - ist auch konservativ, und zwar in besonders hinterhältiger Art von und zu KOMMUNIKATIONSMÜLL!?

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      konservativ bedeutet: intrigant, heuchlerisch bis verlogen, bösartig, besonders dumm!

  • D
    Daniela

    Während uns "Die Chroniken von Narnia" mit christlichen Allegorien auf die Nerven fällt, und in "Twilight" (sexuelle) Enthaltsamkeit gepredigt wird, ist eine Geschichte, wie sie in "Der Hobbit" jetzt wieder erzählt wird, geradezu erfrischend klassische Fantasy. Dass in der gesamten Fantasyliteratur rassistische und sexistische Stereotypisierungen auftreten und zu wenig kritisch angegangen werden, ist ein anderes Thema. Tolkien ist da mit Abstand zu den unproblematischeren Autor_innen zu zählen, obwohl seine Bücher doch schon einige Jahre auf dem Buckel haben.

    • C
      cosmopol
      @Daniela:

      Und ich dachte schon China Mieville, Ursula K Le Guin, William Gibson, Terry Pratchett, Neil Gaiman, John Shirley, George Orwell, Margaret Atwood etc wären eher so der progressive Flügel der Phantastik und Tolkien schlingerte irgendwo am rechten Rand der Mitte.

      • D
        Daniela
        @cosmopol:

        Durchaus der Fall! Aber was sich quasi "rechts" von Tolkien noch so tummelt ist, wenn man mich fragt, 80% der gesamten Fantasyliteratur. Entweder es ist sexistischer Kitsch, und zwar von der übelsten Sorte, oder durch und durch rassistisch. (Ich nehme an, die wenigsten würden mir widersprechen, wenn ich sage, dass ein Grossteil der Fantasyliteratur "Trash" ist) Meistens auch weder gut geschrieben noch toll übersetzt, zu vergleichen etwa mit den ehemals populären Kiosk-Taschenromanen.

        Nicht falsch verstehen: in der Fantasy ist, für mich zumindest, vieles erlaubt. Die Frage ist, ob gewisse Stereotypen einfach so hingenommen werden, oder im Werk selbst kritisch hinterfragt oder zumindest angesprochen werden.

        • C
          cosmopol
          @Daniela:

          Mmh, ich würde mir schwer tun Zahlen anzugeben, aber einen Berg rechten, rassistischen und heteronormativen Papiermü... Genre-Trash gibt es rechts von Tolkien auf jeden Fall. Aber ich würde gerade die "klassische Fantasy" in der Tolkien ja eine Vorreiterrolle spielt zu starken Teilen dafür verantwortlich machen. Gerade der wird nämlich wieder und wieder kopiert, in der Szene hat sich da ja schon länger der Begriff EDO (elves, dwarves, orcs) eingebürgert um Tolkien-Klone zu markieren. Der bereits erwähnte MIeville hat hier was schönes dazu geschrieben: http://www.goodreads.com/quotes/279616-when-people-dis-fantasy-mainstream-readers-and-sf-readers-alike-they-are

  • A
    Anselm

    Meine Güte, Tolkien hat mit seinen Arbeiten an der Welt von Mittel-Erde 1914 (!) in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs begonnen. Der Hobbit erschien in den 1930ern, der Herr der Ringe in den 1950ern. Tolkiens erklärtes Ziel war es, seiner englischen Heimat eine Mythologie zu geben. An der Moderne und ihren Auseinandersetzungen war er nicht interessiert. Rassismus, Sexismus, Links, Rechts, das alles war für ihn uninteressant. Natürlich sind die Helden weiße Männer, das war seine Welt als Oxford-Professor. Aber um Geschlecht ging es nicht, es ging um Erzählungen in einer vorhistorischen, mythologischen Zeit. Und Rassen tauchen auf als Elben, Zwerge, Menschen, Orks (gefallene Elfen), wobei diese "Rassen" einer Schöpfungsmythologie folgen. Wenn man einen historischen oder politischen Blick einnimmt, verkennt man das ganze Werk. Es ist ein großes eskapistisches Angebot, nicht mehr und nicht weniger. Aber wie Tolkien einmal auf die Kritik des Eskapismus geantwortet hat: von einem Kriegsgefangen erwarten wir, dass er zu fliehen versucht und die Moderne ist doch zum davonlaufen. Also genießen oder ignorieren, aber nicht in irgendwelche Raster pressen, die nicht drauf passen.

    • C
      cosmopol
      @Anselm:

      Kann mensch denn dieses "ganze Werk" nicht einfach auch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten? Abgesehen davon belegst du selbst hier gerade wunderbar warum diese Raster passen wie angegossen. ;)

  • J
    Jay

    "Herr der Ringe" ist zwar sexistisch, rassistisch, konservativ, reaktionär, was auch immer.

    Aber: Nicht zwangsläufig, weil der Autor so dachte und irgendeine politische Meinung transportieren wollte (was er selbst im Vorwort auch weit von sich weist), sondern vielmehr, weil die mittelalterliche Welt nun einmal so aussah, womit die Bücher "historisch" korrekt wären.

    • C
      cosmopol
      @Jay:

      Blöderweise spielt das Buch aber nicht im irdischen Mittelalter, sondern in einer erfundenen Welt die sich vaage daran anlehnt und in der Zwerge, Elben und riesige, grummelnde Bäume umherlaufen. Sprich, der Autor entscheidet wie seine Figuren ticken und nicht irgendein Realismus-Anspruch. Eben gerade weil es keine realistische Geschichte ist. ;) Aber... das wäre selbst bei einer fiktiven Mittelralter-Geschichte der Fall. Die kann einzelne Facetten dieser "historisch korrekte" Gesellschaftsordnung nämlich wahlweise bejahen oder ablehnen. ^^

      • J
        Jay
        @cosmopol:

        1. "Historisch" steht nicht ohne Grund in Anführungszeichen.

        2. Es gibt einen gewissen Realismus-Anspruch. Leser erwarten bei einer mittelalterlichen Welt bestimmte Dinge wie Monarchie, Ehre, Gewalt, mangelnde Hygiene, auch wenn die Welt fiktiv ist. Würde die fiktive Welt zu sehr davon abweichen würde die Erwartungshaltung gebrochen und das Buch würde nicht glaubwürdig erscheinen. Mag bei einem Fantasy-Roman merkwürdig wirken, aber so funktioniert die menschliche Psyche.

        3. Tolkien schreibt nicht nur über eine mittelalterliche Welt, er schreibt sie auch aus ihrer Sicht, damit sein Roman wie ein alter Epos wirkt. Und unabhängig seiner persönlichen Meinung wollte er "Herr der Ringe" auch wertfrei und unpolitisch gestalten.

        Und das ist auch beträchtlich besser als ein Autor der ständig als Holzhammer-Moralapostel auftritt und in seine Geschichte reinquatscht, dass das ja alles eigentlich so böse ist.

        • C
          cosmopol
          @Jay:

          Das ist Quatsch. Erstmal hat Tolkien die Ansprüche die an solche Fantasy-Romane gestellt werden zusammen mit dem Genre wie wir es heute kennen selbst erschaffen. Und zumindest über diese Hygiene-Geschichte würden seine Hobbits und Elben aber schwer die Nase rümpfen. Unhygienisch? Das sind doch diese dunkelhäutigen Gesellen aus dem Osten...

          Dann geht es nicht nur darum, was dargestellt wird, sondern wie. Ich kann auch ohne Holzhammer, auch im "Oller Epos"-Stil klar machen, das Feudalherrscher qua Jobbeschreibung Tyrannen sind, das schaffen auch einige der realen alten Epen, ich kann natürlich auch auf königliche Superkräfte und "reines Blut" abfahren. Es ist scheißegal was er wollte, intention is not magic und niemand kann nicht kommunizieren. Was ist so schwer daran, zu aktzeptieren das ein Buch das mensch wegen seiner Qualitäten (die hat es) mag, eben auch reaktionäre Inhalte haben kann die mit zB Filmumsetzungen auch in die heutige Zeit transportiert werden. Ich empfinde sogar gerade die Filme als zig mal übler als die Vorlagen.

    • H
      Hans
      @Jay:

      Der Hobbit hat nichts mit dem Mittelalter zu tun. Es handelt sich um historische Fantasy.

       

      Tolkien hat sich zwar an mittelalterlichen Ideen orientiert (Gesellschaftsbilder und weltlicher Hintegrund), die Welt um Mittelerde als mittelalterlich zu beschreiben ist nicht richtig.

       

      Und ja, es gibt wissenschaftliche Arbeiten über Tolkien und seine Werke, die ihm durchaus ein zeitgemäße, heute als Koservativ/Rechts zu sehende Denke attestieren. Ähnlich wie bei Lovecraft, war es nur "normal", so zu denken.

  • RM
    Ret Marut

    Und Mythos ist eben ein Teil von Ideologie (s. nationale Mythen, etc). Auch Tolkien ist nicht darüber erhaben, wie alle Phantastik und Science-Fiction Autor*Innen, einen großen Teil des Alten im "Neuen" zu reproduzieren.

     

    Macht eine spannende Geschichte trotzdem nicht weniger spannend und kein Buch der Welt nimmt einem die Verantwortung ab, die gegebenen und ausgedachten Umstände zu reflektieren :)

  • TB
    Tom Bombadil

    Konservative wollen bewahren. Ihren Besitz und ihre Vorrangstellung. Dafür nehmen sie auch Fortschritt in Kauf.

  • F
    Frodo

    Wenn auch nur annähernd eine übertriebene politische oder gesellschaftliche Meinung in HDR widergegeben würde, könnte ich es ja verstehen. Aber der Artikel ist sowas von überflüssig. Anscheint finden sich aber ein paar intelektuelle die sich erfreuen darüber zu diskutieren und politische Fremdwörter wahlweise auf die unschuldigen, Orks tötenden Charaktere abzufeuern. Gollum ist dermaßen Besitz geil, der wählt sicher FDP !?*# :P.

  • B
    Backgolum

    Wisst Ihr, der "Herr der Ringe", der ist Kind seiner Zeit. Der atmet Rassenkampf.

    Unheimlich finde ich nur, dass den heute immer noch so viele Leute toll finden.

    • H
      Hans
      @Backgolum:

      Weil es einfach mal tolle Fantasy-Literatur ist.

       

      Und weil ich bei älteren Büchern auch reflektierend in Kauf nehme, dass die Leute damals noch anders tickten.

  • E
    Elfe

    Oh dear! Fantasy und Märchen werden auf ihre politisch Haltbarkeit hin überprüft.

    Was ist mit Cinderella? Was mit Schneeweißchen und Rosenrot? Rassistische Denke?

    Oh Ihr fantasielosen Geschöpfe, die Ihr wie Marx die ideellen Teile des Menschen als Droge verurteilt! Auch die Liebe gehört wohl dazu, es sei denn, sie geht politisch auf die Straße ...

    • C
      cosmopol
      @Elfe:

      Was spricht denn, so nüchtern betrachtet, dagegen Geschichten auch mal aus einem politischen Blickwinkel zu betrachten? Das klingt bei dir zwar, als würde sich eine Horde gefühlsloser Theoriechirurg*innen mit der Knochensäge über hilflose Märchenwesen hermachen ... aber gibt es so was wie unpolitische Geschichten?

       

      Ansonsten bringt's vielleicht was sich den Marx und die Opiumstelle im Besonderen noch mal vorzuknöpfen. Und die Liebe ... nun ja, viele Leute fänden's ganz gut wenn mal mehr für ihre Liebe auf die Straße gegangen wird, die werden dafür nämlich in schöner Regelmäßigkeit von Angehörigen der Heteromehrheit blöd angemacht. Von daher, wie Geschichten muss Liebe nicht von irgendwem politisiert werden, sie ist es zwangsläufig immer. ;)

      • Z
        zuio
        @cosmopol:

        "Was spricht denn, so nüchtern betrachtet, dagegen Geschichten auch mal aus einem politischen Blickwinkel zu betrachten?"

        Elfes heile Welt könnte kaputtgehen. ;)

  • Unter der Gefahr, daß ich jetzt die Brüller auf meiner Seite habe: jedesmal, wenn ich den Dialog Saruman-Gandalf sehe (Problem: übermächtiger Gegner - Lösung: Koalition oder aussichtslos scheinender Widerstand), kommt mir in den Sinn, daß sich die Linkspartei hier ein Stückchen von der Hobbit-Haltung (Hobbits sind im übrigen kleine, aufgeblasene Hanswurste und weder adelig noch besonders kühn und erhaben) abschneiden könnte. Auch die Haltung gegenüber dem Gegner (Gollum wird nicht liquidiert, da der Mensch nicht richten soll und man im übrigen nicht weiß, ob das Schicksal ihm nicht doch noch eine Rolle zugedacht hat) könnten sich viele unsere linken "Friedensfreunde", die in Wahrheit eine Haudrauf-Mentalität haben, zum Vorbild nehmen. Auch der britische Humor und das Sich-Selbst-Auf-die-Schippe-Nehmen scheint hier bei manchen nicht angekommen zu sein. Für mich ist der Herr der Ringe eine weitgehend linke und auch ein bißchen anarchische Erzählung.

    • C
      cosmopol
      @Irma Kreiten:

      Ist der Genozid an den Orks nach Ende des Krieges und das Vergammeln der Kriegerin Eowyn als Hausfrau in Gondor eigentlich auch links und anarchisch? ;)

      • @cosmopol:

        Da haben Sie mich aber erwischt und mir auf äußerst scharfsinnige Weise Inkonsequenz nachgewiesen. Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir: Grippe-geplagte Genozdidforscherin auf Zerstreuungskurs plädiert für Ausrottung von Orks oder so ähnlich. Ich hätte wohl lieber Opern hören sollen, das wäre hochkulturmäßig sicher unverfänglicher gewesen. Ich habe aber nun mal als Kind mit Tolkien Englisch gelernt und seitdem eine Schwäche für ihn – ich stehe dazu!Ich bin trotz Political Correctness sogar dafür, auch künftig literarische Passagen über enthauptete Drachen, versteinerte Trolle, weihwasserstarre Teufel, knoblauchgeplagte Vampire, rosafarbene Elefanten, schüchterne Einhörner und diskriminierte Hydren ungeschwärzt zu belassen. Davon abgesehen empfehle ich Ihnen, das weitere Schicksal der Orks noch einmal anhand des Buches zu überprüfen, mir fehlt dafür leider gerade die Zeit.

        • C
          cosmopol
          @Irma Kreiten:

          Brauche ich nicht nachzuprüfen, sonst hätte ich es ja hier nicht erwähnt. ;) Ich kann die Tolkien-Schwäche ja teilen, nur dieses "weitgehend links und anarchisch" überhaupt kein Stück nachempfinden. Ansonsten kann ich dich beruhigen, niemand hat die Absicht eine Mauer aus schwarzen Eddingstrichen durch Gondor zu errichten. ;)

          • @cosmopol:

            Interpretationen können eben unterschiedlich sein. In der Hauptlinie der Erzählung geht es für mich recht klar um Macht und Besitzstreben, und wie diese Menschen (und alle möglichen anderen Wesen) verformen und korrumpieren. Anarchich ist für mich der Umgang mit Macht, für den hier plädiert wird , aber beispielsweise auch der Entwurf der Hobbitwelt als Persiflage auf ein langweiliges, bürgerliches, regelduchtränktes konventionsgesteuertes (englisches) Mittelstandsleben, das bereits mit dem Erscheinen der zwerge im Hobbit tüchtig durcheinandergewirbelt wird. Anarchisch-links ist für mich auch, daß der Lauf der Geschichte letzendlich nicht von großen gleichförmigen, quasi industriellen Armeen und strahlenden Siegertypen entschieden wird, sondern in einer Verkettung von Umständen, an denen die unterschiedlichsten Charaktere und Kräfte teilhaben. Und eine Horde Ents, die Betonwüsten, Zivilisationsdreck und Rüstungsstätten einfach mal eben mit ihren Wurzeln aufbricht und hinwegspült, würde ich mir so manches Mal auch wünschen - sogar wenn dies eine durch und durch konservative Phantasie sein sollte. Ich wäre aber in Bezug auf das Fortleben der Orks trotzdem fürs nachprüfen, denn in diesem Punkte scheinen sich die Goblinologen zu streiten. Leider werde ich mich an dieser Diskussion aber nicht mehr weiter beteiligen können.

            • C
              cosmopol
              @Irma Kreiten:

              Genozid ist ungleich völlige Vernichtung der Spezies (oder gar so völlig das sogar die angedeuteten Mythen übers eventuelle weiterleben ausgerottet werden). Aber was sag ich das einer Genozidforscherin. ;)

               

              Mmh, bei bzgl ökologisch würde ich mitgehen (Macht der durch Abstammung erwählten Herrscher wird ja befürwortet, nur die quasi korrumpierende "Atombombe" in Form des Ringes ist schlecht). Ökologie ist aber politisch verschieden besetzbar. Aber klar, da gibt es genug nette Anknüpfungspunkte, um das BUhc mögen zu können. Tu ich ja auch. Viel spaß mit anderen Diskussionen dann noch. ;)

  • T
    Telofy

    Da ist Polysemie am Werke. In manchen (vermutlich eher politischen) Kontexten verstehen wir »konservativ« als Euphemismus oder wenige stringente Version der ganzen verruchten Attribute, die der Spiegel und Cosmopol aufzählen, in anderen Kontexten mögen wir vielleicht eher Matthias Lohres Definition raushören. Das ist bei Sprache so.

     

    Und auch ich schreib einen ganzen Kommentar, ohne auf LotR einzugehen. Tsktsk.

  • C
    cosmopol

    Das mit der fehlenden Meinungsbildung scheint leider durch.

    Ja, der Herr der Ringe ist rassistisch, sexistisch, in Teilen konservativ bis reaktionär. Das eine ist übrigens durchaus häufig der Euphemismus für das andere. Merkt mensch bei Gesprächen mit selbsterklärten Konservativen ( wir tun nichts, wir wollen doch nur "bewahren") meistens recht schnell. Übrigens trotzdem ein faszinierendes Buch, das liegt aber anderen Dingen, etwa der Dichte der fiktiven Welt.

    Und, ob wir das jetzt Fantasy, Märchen oder Mythos nennen: keine Erzählung auf dieser Welt ist politisch neutral.

     

    Der Hobbit, von all diesen schlechten Dingen eigentlich viel weniger betroffen, ist in weiten Teilen einfach ein sehr niedliches, nettes und lustiges Kinderbuch. Im Kino wurde dann allerdings Herr der Ringe 2.0., aka Blut+Eisen+völkische Denke+fliegende Gliedmaßen. Und selbst der Spaßvogel Beorn wird im Film zum depressiven Letzten seiner Art, der nur noch im Flüsterton zu kommunizieren wagt.

  • H
    HDR-Fan

    Um einmal einen Aspekt aufzugreifen: Im HDR-Universum ist es ausschließlich die Abstammung, die dazu befähigt, Führungsrollen zu übernehmen. Thorin, Aragorn und Boromir leiten ihren Anspruch auf Führungsrollen davon ab, erstgeborene Söhne des richtigen Vaters zu sein.

     

    Auf der anderen Seite hat der Adel in HDR kein leichtes Leben. Es wird in mittelalterlicher Manier erwartet, dass der König an der Spitze seiner Gefolgsleute in den Kampf zieht. Auch Verantwortung wird sehr persönlich verstanden, ein Abschieben auf Gefolgsleute gibt es nicht. Feigheit vor dem Feind kann Grund sein, zu einem ewigen Dahinvegetieren als Geist verflucht zu werden.

     

    Gibt es einen Ausdruck für so eine Einstellung? Ritterlich? Feudalistisch? Ist es bei HDR gut oder schlecht, zum Hochadel zu gehören?