Angeschlagene Stadtstaat-Reederei: Senat hofft auf Santiago
Hapag-Lloyd könnte seine Überlebenschancen durch eine Fusion mit der chilenischen Reederei CSAV verbessern.
HAMBURG taz | Der Hamburger Senat wird sich demnächst gezwungenermaßen wirtschaftspolitisch stärker um Südamerika kümmern müssen. Das ist die Konsequenz aus den Verhandlungen, welche die Hamburger Stadtstaats-Reederei Hapag-Lloyd zurzeit mit der größten südamerikanischen Reederei CSAV aus der chilenischen Hauptstadt Santiago führt. An deren Ende könnte in wenigen Monaten der Zusammenschluss zur viertgrößten Frachtreederei der Welt stehen. Dabei hatte die Hansestadt, als sie vor fünf Jahren Anteile an der Reederei erwarb, lediglich Hamburger Standortinteressen im Auge gehabt.
Seit Wochen wird hinter den Kulissen intensiv verhandelt. Ziel ist es nach taz-Informationen zunächst, sich in einem „Memorandum of Understanding“ auf die Grundzüge eines Zusammenschlusses zu verständigen. Erst nach Abschluss einer solchen Absichtserklärung würden Detailverhandlungen und gegenseitige Buchprüfungen stattfinden. Im Laufe des Frühjahrs könnte dann das Geschäft unter Dach und Fach sein. Ein Sprecher von Hapag-Lloyd wollte gegenüber der taz keine Stellungnahme abgeben: „Wir kommentieren laufende Gespräche nicht.“
Die 1872 gegründete CSAV gilt mit einer Flotte von mehr als 120 Schiffen und einer Transportkapazität von 265.000 Standardcontainern (TEU) als Schwergewicht in der Branche. Weltweit ist die Reederei die Nummer 20, Hapag-Lloyd liegt auf dem fünften Rang. Neben Containern transportiert die CSAV auch Stückgut, Autos, Holz und anderes.
Hapag-Lloyd indes ist vor allem an der Container-Sparte der Reederei interessiert, der Rest würde bei den chilenischen Eignern verbleiben. In der künftigen Großreederei hätte die jetzige Hapag-Lloyd einen Anteil von gut 70 Prozent, schätzen Branchenkenner, CSAV wäre mit knapp 30 Prozent Juniorpartner. Damit wäre klar, dass der Hauptsitz am Ballindamm an der Binnenalster verbliebe, Arbeitsplatzabbau würde in erster Linie den chilenischen Partner und dessen dann überflüssige Büros in vielen Ländern der Welt treffen, in denen auch Hapag-Lloyd Repräsentanzen unterhält.
Hamburg ist mit umgerechnet 36,9 Prozent größter Anteilseigner an der Reederei Hapag-Lloyd.
Der erste Kauf: 2009 erwarb das Konsortium Albert Ballin für rund 4,4 Milliarden Euro vom damaligen Alleineigner TUI 61,6 Prozent der Reederei. Die Konsorten waren die Stadt Hamburg, Klaus-Michael Kühne, Signal Iduna, HSH Nordbank, Warburg Bank und Hansemerkur. Hamburgs Anteil kostete 724,7 Millionen Euro.
Der zweite Kauf: Das Konsortium kaufte 2012 von TUI weitere 16,4 Prozent für rund 600 Millionen Euro. Davon zahlte Hamburg 420 Millionen Euro.
Das Konsortium wurde Ende 2013 aufgelöst. Klaus-Michael Kühne hält jetzt 28,2 Prozent, die vier kleinen Eigner zusammen 12,9 Prozent.
Der Rest: TUI hält noch 22 Prozent an Hapag-Lloyd.
Grund für den Fusionsversuch ist der harte globale Preiskampf. Die Chilenen haben in den ersten neun Monaten 2013 Verluste von mehr als 80 Millionen Euro gemacht, die Hamburger im selben Zeitraum etwa 56 Millionen Euro – die Frachtraten stehen noch immer unter enormem Preisdruck. So hat Hapag-Lloyd in den ersten drei Quartalen des Vorjahres zwar rund 3,5 Prozent mehr Container transportiert, aber dennoch sank der Umsatz um 2,7 Prozent.
Um gegen die großen Drei auf dem globalen Markt der Warenströme bestehen zu können – Maersk (Dänemark), MSC (Schweiz) und CMA CGM (Frankreich) – müsse auch Hapag-Lloyd wachsen, hatte dessen Aufsichtsratschef Jürgen Weber Ende vorigen Jahres erklärt. Den „selbstmörderischen Wettbewerb“ überstünden nur wenige, Hapag-Lloyd müsse dazu gehören.
Deshalb muss nun der Hamburger Senat als größter Anteilseigner seinen wirtschaftspolitischen Horizont erweitern. Immerhin hatte Bürgermeister Olaf Scholz versprochen, die eingesetzten 1,1 Milliarden Euro wieder zurückzuholen: „We want our money back.“ Dann sollte er gut aufpassen, dass die Steuergelder nicht alsbald verzockt werden.
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