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Debatte Lesbarkeit des GrundgesetzesDie geheime Verfassung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

In diesem Jahr wird das Grundgesetz 65 Jahre alt. Höchste Zeit für eine Überarbeitung, damit der Text endlich für Laien wieder verständlich wird.

Hätte ein sprachliches Update nötig: die Verfassung. Bild: imago/ Steinach

D er Krieg war vorbei, der Faschismus besiegt. Deutschland gab sich eine neue Ordnung. Seit 1949 gilt das Grundgesetz in Westdeutschland (seit 1990 auch im Osten), in diesem Jahr wird sein 65. Geburtstag gefeiert.

Doch eine Verfassung geht nicht in Rente. Sie muss weiter für die Bürger da sein. Als Jubiläumsgeschenk und Ertüchtigung sollte man dem Grundgesetz deshalb ein ordentliches Update verpassen, das die geschriebene Verfassung wieder auf den Stand des tatsächlichen Verfassungsrechts bringt.

Denn an vielen Stellen hat das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz längst so weiterentwickelt, dass der wesentliche Inhalt der Verfassung nur noch mithilfe von Rechtsprechungs-Sammlungen und Grundgesetzkommentaren zu erkennen ist.

In der Regel war das zwar inhaltlich erfreulich, doch das Grundgesetz wurde so immer elitärer. Eine Bürgerverfassung sollte aber für alle lesbar und nachvollziehbar sein und nicht nur für eingeweihte Juristen.

Verborgene Inhalte

Einige Beispiele für Inhalte des Grundgesetzes, die nicht weiter verborgen bleiben sollten: Die Menschenwürde (Artikel 1) garantiert inzwischen auch das Existenzminimum des Menschen. Das Persönlichkeitsrecht (Artikel 2) schützt längst auch das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf das eigene Bild, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und, ganz wichtig, die informationelle Selbstbestimmung, also den Schutz der persönlichen Daten.

Das Gleichheitsrecht (Artikel 3) schützt inzwischen allgemein vor staatlicher Willkür. Aus der Rundfunkfreiheit (Artikel 5) hat das Bundesverfassungsgericht eine Existenzgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgeleitet.

Manches kann man sich mit einiger Fantasie denken. Aber wer käme schon darauf, dass das Eigentumsrecht (Artikel 14) auch den Mieter schützt sowie die Ansprüche der Beitragszahler an die Sozialversicherung? Genauso innovativ: Aus dem Wahlrecht (Artikel 38) hat das Bundesverfassungsgericht einen individuellen Anspruch auf ausreichende Kompetenzen des Bundestags abgeleitet. Den Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr hat das Bundesverfassungsgericht 1994 einfach erfunden, um so Akzeptanz für weltweite deutsche Militäraktionen zu schaffen.

Nicht einmal das wichtigste Instrument des Bundesverfassungsgerichts, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, an dem es fast jedes Gesetz misst, steht im Grundgesetz. Es stammt aus dem preußischen Polizeirecht und wird erst seit 1958 von den Karlsruher Richtern als verfassungsrechtliche Übermaßkontrolle gegenüber dem Gesetzgeber und der Verwaltung genutzt.

Neuerungen klug auswählen

Natürlich kann nicht die gesamte Karlsruher Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte in das schmale Grundgesetz eingebaut werden, wohl nicht einmal alle wichtigen Urteile. Es müsste also gut ausgewählt werden: Welche Karlsruher Innovationen sind von breiter Bedeutung? Welche Neuerungen gingen deutlich über den Wortlaut der Grundgesetzbestimmung hinaus, aus der sie abgeleitet wurden?

Für die Auswahl könnte eine Verfassungskommission aus PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und VerfassungsrichterInnen eingesetzt werden. Am Ende müssten Bundestag und Bundesrat das Update mit Zweidrittelmehrheit beschließen.

Dies wäre zugleich eine Wiederaneignung des Grundgesetzes durch die Politik. Es würde dabei deutlich, dass in der Demokratie das Parlament selbst die Aufgabe hat, das Grundgesetz bei Bedarf weiterzuentwickeln und es nicht einfach dem Bundesverfassungsgericht zur freien Ausgestaltung zu überlassen. Die RichterInnen in Karlsruhe sind zwar wichtigster Interpret des Grundgesetzes, aber nicht seine Eigentümer. Für die grundlegenden Entscheidungen des Gemeinwesens sind die Abgeordneten auch besser legitimiert als die 16 Richter in Karlsruhe.

Nun mag mancher befürchten, dass die Karlsruher Rechtsprechung bei einem derartigen Update nicht eins zu eins in das geschriebene Grundgesetz übernommen werden würde. Doch das ist Risiko und Chance zugleich. Einerseits sind Verwässerungen von verfassungsrechtlichen Errungenschaften zu befürchten. Andererseits gibt es auch zweifelhafte Karlsruher Urteile, deren Korrektur so oder so ein Fortschritt wäre.

Kommunalwahlrecht ändern

So wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung im Prinzip akzeptiert. Besser wäre es aber, wenn im Grundgesetz die anlasslose Massenüberwachung der Bevölkerung ausdrücklich ausgeschlossen wäre.

Korrekturbedürftig ist auch die Karlsruher Entscheidung von 1990 zum Kommunalwahlrecht. Damals wurde trotz grundgesetzlichem Demokratieprinzip selbst für Gemeinderäte und Bezirksversammlungen das Wahlrecht von AusländerInnen ausgeschlossen, weil die Staatsgewalt stets auf das deutsche Volk zurückgeführt werden müsse. 1992 wurde dies im Grundgesetz (nur) für EU-AusländerInnen korrigiert. Ein Kommunalwahlrecht für hier lebende TürkInnen und SchweizerInnen ist aber überfällig.

Zu national fixiert sind auch die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur europäischen Integration. Obwohl sich das Grundgesetz zum „vereinten Europa“ bekennt, hat das Verfassungsgericht 2009 den Beitritt zu einem europäischen Bundesstaat massiv erschwert, er wäre nur mit einer neuen deutschen Verfassung möglich. Hier sind bessere Lösungen denkbar, etwa eine Volksabstimmung unter Beibehaltung des Grundgesetzes.

Nach 65 Jahren gilt das Grundgesetz zu Recht als erfolgreiche Verfassung – nicht zuletzt dank der engagierten Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. Diese sichtbar zu machen, sollte ein Gebot der rechtstaatlichen Transparenz sein. Dass sich aus diesem Update sogar eine lebendige Verfassungsdiskussion ergeben könnte, sollte nicht nur als Bedrohung des Status quo, sondern als Gelegenheit für gesellschaftlichen Fortschritt betrachtet werden. Auch das wäre schließlich ein Geschenk zum Jubiläum.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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36 Kommentare

 / 
  • L
    Lowandorder

    @ Rainer B.

     

    "nicht eingelöstes Grundgesetz"

    ist - und gerade nach der Wende - ein unabweisbares gesamtgesellschaftliches Problem

     

    Ich war sehr hautnah dabei -

    als über Formeln wie "Leistungsstaat und Grundrechte", "Gleichheit der Lebensverhältnisse" - "materielle Geltung der Grund- und Menschenrechte" - "Recht auf Arbeit" – in den 70ern bei boomender Wirtschaft ! gestritten wurde;

     

    der Verfassungsrichter und großartige Verfassungsrechtler Konrad Hesse

    saß schon etwas hilflos als Seminargast im Rund, als ihm - als Vertreter der Freiburger Schule - solches um die Ohren flog.

     

    Richtig der Satz von Horst Ehmke:

    "Verfassungen sind keine Lebensversicherungen!"

     

    Will heute sagen -

    der Paradigmenwechsel nach der Wende - keine Bismarksche Rente ohne Sozialistenfurcht! - läßt eine Verfassung und die aus ihr resultierende Verfassungswirklichkeit nicht unberührt.

     

    Nein, ein exIM und jetziger FinMi Wolfgang Schäuble - schon mal als Mielke auf Rädern apostrophiert - beruft sich unverhohlen auf einen Apologeten des Kronjuristen der Nazis Carl - Der Führer schützt das Recht - Schmitt.

     

    Ja - die Zeichen stehen derzeit nicht gut für eine Einlösung des unerfüllten Grundgesetzes.

    Zumal Typen wie kleinFriedrich noch gerade eines der Kernministerien bevölkert haben - von dem man aus bekannt schlechten Gründen nicht einen zusammnenhängenden juristischen Satz von irgendeinem Belang gehört hat.

     

    Arbeitsrecht - dazu sein angemerkt, daß dieses ja weitgehend Richterrecht ist und - ich sag´s mal als insoweit nur Randständiger - sie einen ziemlich guten Job gemacht haben.

     

    Was aber nach den Hartz-IV-Verbrechen, der Lohn-Deregulierung use nicht daran vorbeitäuscht, daß in der Tat eine zunehmende Zahl von abhängig Beschäftigten oder eben gar nicht Beschäftigten durch dieses Raster fallen - banal:

    nicht vorm Tresen auftauchen;

    sicher aber ist das gerade diesen Richtern mehr als bewußt.

    • @Lowandorder:

      Sie reden nicht lang um den heißen Brei und sprechen unmißverständlich von den Hartz-IV-Verbrechen. Das finde ich sehr sympathisch. Man darf allerdings nicht vergessen, dass diese Verbrechen auch auf der Basis des Grundgesetzes von langer Hand vorbereitet und eingefädelt wurden. Die kleineren Korrekturen, die das Bundesverfassungsgericht seitdem angemahnt hat, bestätigen doch letztlich nur das Machwerk im Ganzen. Ein unübersehbarer Geburtsfehler des Grundgesetzes liegt aus meiner Sicht darin, dass es sich selbst weitgehend der jeweiligen geistigen Verfassung überlässt.

  • L
    Lowandorder

    @ANAMOLIE

     

    " Isch han ja kein Vertrach!"

     

    so Volkers Mund -

     

    " …na um so besser, dann gilt's BGB und

    allgemein das Arbeitsrecht!"

    sagt der kundige Jurist.

     

    Kurz: es gibt keinen Staat ohne Verfassung;

    geschrieben oder nicht!

     

    darauf zielt doch Christian Raths Vorstoß;

    das vielfältig " nicht im GG geschriebene"

    dort - nach (erneuter) Aneignung im verfassungspolitischen Prozess - jedermann

    sichtbar zu machen.

    • @Lowandorder:

      Im "verfassungspolitischen Prozess" ist unübersehbar geworden, dass das Grundgesetz eben nicht für alle gleichermaßen gilt. Gerade das Arbeitsrecht klammert große Teile der Beschäftigten von vorneherein aus. Der Jurist bekommt diese Gruppe nie zu Gesicht und glaubt deshalb weiterhin unbeirrt an umfassende Arbeitnehmerrechte.

      Das BGB als fortgeschriebene Norm aus der Praxis für die Praxis (manche nannten es früher auch das Handbuch der Bienenzüchter)ist natürlich eine feine Sache. Der Jurist und auch der Laie kann dort in den allermeisten Fällen eine Antwort auf die Frage finden, wer wann wie im Recht ist und wer nicht. Der Spruch "Recht haben ist eine Sache, Recht bekommen ist eine andere" war aber leider noch nie so richtig wie heute. Manch einer muss sich wohl überlegen, ob er sein gutes Recht auch wirklich in Anspruch nehmen kann, weil dadurch ein unkalkulierbares finanzielles Risiko entsteht. Im Sinne des Grundgesetzes ist das eher nicht, aber durchaus im Interesse der juristischen Zunft, die dadurch vom unteren Drittel der Bevölkerung verschont bleibt und nur die zahlungskräftigen Mandanten an die Hand nehmen muss. Die Frage, ob eine Verfassung daran etwas ändern kann und wie sie beschaffen sein muss, damit sie etwas daran ändern kann, bleibt leider unbeantwortet und wird weiterhin auf Sankt Nimmerlein vertagt.

  • Ach, hätten wir doch nur eine Verfassung. Dann lohnte sich die "Müh", darüber zu debattieren

  • Das Grundgesetz wurde von Anfang an als Verfassung bezeichnet und bis heute so verstanden. Habe ich bisher auch wie die Mehrheit der Bevölkerung und das Ausland (!)so verinnerlicht; bin keine Juristin. Nach meiner Kenntnis gilt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland immer noch als eine der besten Verfassungen der Welt!

     

    @ Zebra: Warum und wie das Grundgesetz so entstanden und beschlossen worden ist, wurde in der 10. Auflage 1958 mit einer "Kurzen Einführung" von Paul Löbe, dem letzten Reichstagspräsidenten der Weimarer Republik, sehr anschaulich und leicht verständlich erklärt, mit Datum vom 28. November 1949, Bonn, im Anhang mit einer ausführlichen Erläuterung der "Grundrechte der Deutschen" sowie dem Bundeswahlgesetz. Es wurde an den Berliner Oberschulen kostenlos verteilt und im Unterricht ausführlich erklärt, durchgesprochen und diskutiert.

     

    Desgleichen auch die Verfassung von Berlin vom 1. September 1950, mit einer geschichtlichen Darstellung des Berliner Verfassungsrechts von Dr. jur. Otto Uhlitz und dem sehr wichtigen Grundsatz: "Keinesfalls darf die Verfassung nach den jeweiligen Bedürfnissen des Gesetzgebers abgeändert werden". Es folgt eine Erläuterung, warum in Berlin doch davon abgewichen werden mußte.

  • Das Grundgesetz wird also in diesem Jahr 65 Jahre alt, am 8. Mai 2014. Danke für diesen Hinweis. Die taz könnte dazu ja bis Anfang Mai eine Veranstaltung, zwei oder dreie themenbezogene machen?

     

    @Achmed - Danke auch für den Hinweis auf die Landeszentrale für politische Bildung, An der Urania 4 - 10 in Berlin. Mein letztes Exemplar stammt aus dem Jahre 1994. Zeit für ein aktuelles Exemplar!

  • G
    Gregor

    Toll, ist der Artikel ab Sonntagnachmittag schnell von der Homepage verschwunden. Kann ich nicht ganz nachvollziehen. Egal.

     

    Spannung :)

     

    Wo ist mein Kommentar zur Verständlichkeit eures Redaktionsstatuts? Wenn ihr dem Grundgesetz mangelhafte Lesbarkeit vorwerft, solltet ihr eine solche Kritik auch für euer Grundgesetz gelten lassen, oder?

  • L
    LOwandorder

    ff

     

    Und was EU und Karlsruhe angeht – ob letzteres die Größe hätte zuzugeben,

    daß es da teilweise „ im falschen Wald Holz gehackt hat „ ?

    der EuGH wird’s besser richten.

     

    Kurz – den hier versammelten Verächtern des Gundgesetzes;

    was die Mütter und Väter dieses zunächst als Provisorium gedachten

    da zusammengebastelt haben – kann sich auch heute noch mühelos sehen lassen,

    selbst in seiner denaturierten Form ( wg Asylrecht).

     

    Daher - mit dem einzigen @US-Amerikaner vor der Kremlmauer:

    laßt die Pfoten davon;

    es ist immer klüger, das Eisen nur zu schmieden, wenn das dran ist;

    ein Geburtstag – sorry – ist mir zu beliebig.

  • L
    Lowandorder

    Lieber Christian Rath,

     

    edel sei der Mensch, hilfreich und gut;

    von daher begrüße ich, daß Sie und für Ihre Generation

    den Geburtstag des Grundgesetzes für eine Debatte

    über unsere Verfassung zum Anlaß nehmen.

    (sorry ihr @@ - eine andere hammer nu mal nich

    und wat besseres schon mal gar nicht;-))

     

    ….und – Fuchs, der sie sind – milde versteckt hinter Lesbarkeit,

    eine Fortschreibung einfordern.

    Korrekt.

     

    Doch darf gefragt werden, wer – bitte – soll das machen?

    Die Erfahrungen anläßlich der Wende mit dem Entwurf,

    mit dem Versuch der Schaffung einer Gesamtdeutschen Verfassung

    verheißen dabei nichts Gutes;

    warum aber sollte das in einer neuen Verfassungskommission anders sein?

     

    Einer dieser Ihnen geläufigen Profis aus dem Maschinenraum Karlsruhe;

    Mit-Initiator einer wendebedingten Länderverfassung;

    auch Bundesrichter;

    merkte zu obigem Versuch an:

     

    es war eindrucksvoll Hans-Jochen Vogel in dieser Runde

    aus der Nähe in Aktion zu erleben;

    nix Mr. Klarsichthülle; immer perfekt vorbereitet zu jedem

    anstehenden Punkt auf den Punkt;

    konzilliant, um Alternativvorschläge nicht verlegen;

    allen locker und immer drei Schritte voraus;

     

    UND – er war der einzige im weiten Rund!

     

    Und – mit Verlaub und ganz nüchtern – ich sehe heute niemand Vergleichbaren.

     

    Zudem – in der Sache.

    Einarbeitung der Rechtsprechung Karlsruhe;

    mal abgesehen davon, daß die Formel „ so BVerfG in std. Rspr „ bestenfalls

    „nix“ heißt, dürfte das eine Lawine lostreten;

    der letztlich unausgefochtene Gegensatz Carl-Schmitt-Fronde vs Freiburger Schule

    wäre sofort auf der Tagesordnung;

    nicht, daß ich was dagegen hätte; aber es sei daran erinnert,

    daß unser Herr Ex-IM und Finanzminister Wolfgang Schäuble offen und

    hanebüchenerweise ein dezidierter Apologet von Spät-Carl-Schmittlern ist.

    Und eine nennenswerte politische Kraft, solchen Ansinnen aufs Maul zu geben;

    erfolgreich – sehe ich nicht.

  • Grundgesetz = Verfassung?

    Diesem weit verbreiteten Missverständnis ist der Unsinn zu verdanken, dass die Bundesrepublik zwar keine Verfassung hat, aber zahlreiche Verfassungsschutzämter.

  • Der Artikel von Christian Rath mit seinem gleich mitgelieferten Wunschzettel ist ein unfreiwillig gutes Beispiel dafür, warum man das Grundgesetz besser in Ruhe lassen und es nicht irgendwelchen Update-Kommissionen ausliefern sollte.

    • A
      Achmed
      @JohnReed:

      Ich hole mir seit mehr als einem Jahrzehnt immer wieder eines der kostenlosen gedruckten Grundgesetze aus meiner Landeszentrale für politische Bildung. Ich möchte ja ein aktuelles besitzen.

       

      Vorhin dacht ich anlässlich des Artikels von Christian Rath kurz darüber nach, wie oft ich in meinen Grundgesetz-Ausgaben in meinem Leben gelesen habe. Was raten Sie? 200x? 100x?

      3x? So wenig nicht. Ich schätze ungefähr 35x. Den Anfang vorallem. Den Rest im Schul-Unterricht und bei seltenen Diskussionen mit wemauchimmer.

       

      Von allen Artikeln des Grundgesetzes kann ich den ersten zur Menschenwürde (stimmt hoffentlich) wiedergeben und den fünften zur Meinungsfreiheit. Bei allen anderen müsste ich nachschlagen. Dafür hole ich mir ja immer die kostenlosen Exemplare der Landeszentrale.

       

      Ich frage mich allerdings schon, ob ich das Grundgesetz des Landes, in dem ich lebe, nicht mehr verinnerlichen sollte.

       

      Ich gebe Ihnen Recht, das solche wichtigen Werke wie das Grundgesetz nicht eben mal erneuert werden sollten. Das hat seinen Grund, wieso zum Beispiel im Judentum die Thora seit Jahrtausenden traditionell in mühevoller Handarbeit per Hand abgeschrieben wird.

       

      Ein Kompromiss könnte eine Übersetzung des Grundgesetzes in eine aktuell gültig, verständliche!, barrierefreie Form - gedruckt, digital, zum Hören für die vielen digital Ausgeschlossenen in der Bundesrepublik usw. - für alle sein!

       

      Das würde ich mir dann aus meiner Landeszentrale für politische Bildung holen. Und wahrscheinlich verinnerlichen.

  • G
    Gregor

    Link zu meinem Kommentar:

    https://www.taz.de/!114802/

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    dass das immer noch so ist, haben die Analysen zu den Pisa-Studien ergeben. Der Druck gegen den Einzelnen im Verhaeltnis zur Gruppe ist in Deutschland im Vergleich zu hoch.

  • G
    Gregor

    Eurem Redaktionsstatut täte eine Überholung zwecks Verständlichkeit auch gut.

     

    Auf mich wirken Passagen wie:

    "(4) Die Redaktionsversammlung ist beschlussfähig, wenn die Einladung zur Sitzung mindestens drei Werktage (bei Abstimmungen nach § 4 oder 7 mindestens 5 Werktage) vor der Versammlung über die üblichen Wege (Aushang, E-Mail) bekannt gemacht wurde. Teilnahme-, aber nicht stimmberechtigt sind festangestellte RedakteurInnen, die zum Zeitpunkt der Versammlung in unbezahltem Urlaub, Erziehungsurlaub oder anderweitig für mindestens drei Monate von der Arbeit in der Redaktion befreit sind.", verwirrend.

     

    Werden über das veröffentlichte Redaktionsstatut Machtkämpfe innerhalb eures Hauses ausgefochten? Muss ich das erfahren, wenn ich nur wissen möchte, ob ich euch als Medium vertrauen kann?

  • AU
    Andreas Urstadt

    Christian Rath liegt richtig. Das GG schuetzt Grundrechte regulierend, Rechte des Einzelnen gegenueber Staat und Gruppe/n.

     

    Allein hier kann man sofort gegen die andern Kommentare ansetzen, bleiben bei einer Massenabstimmung diese Teile des GG ueberhaupt noch existent. Es gab zum GG 1949 und in the Making davor ausdruecklich die Empfehlung vorsichtig vor dem sog dt Charakter zu sein, welcher die Gruppe immer dem Einzelnen vorzieht und den Einzelnen nicht gegen die Gruppe schuetzt, wobei der sog Einzelne auch isolierte oder stigmatisierte Gruppen sein koennen. Die Tendenz der Deutschen sei gefaehrlich. Ein Grund dafuer, dass das GG den Deutschen gegeben wurde. Eine Setzung. Das GG wurde auch dem Staat gegeben. Das Verfassungsgericht ging in dem Sinn damit um.

     

    Christian Raths Vorschlaege koennen im Anhang dazu kommen.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Da sind die KOmmentiererinnen wieder besser als die taz:

    Wenn man schon kurz auf die Geschichte des Grundgesetztes eingehet, sollten auch die Bedingungen, unter der es entstand erwähnt werden. Soweit ich weiß war die Adenauer-Regierung damals ziemlich unter Druck, da die BRD ja zum 50. Staat der USA werden sollte und hat so in einer Wochenend-Hinterzimmer-Aktion die ach so heilige Verfassung zusammengeschustert...

     

    Aber warum hat Bayern die Verfassung nie anerkannt? Bis heute leben dort unbeobachtete Verfassungsfeinde!

    • M
      Mephisto
      @7964 (Profil gelöscht):

      Sie haben Unrecht.

      1) das GG wurde vom parlamentarischen Rat erarbeitet, nicht von der Regierung Adenauer.

      2) Zwar hat Bayern dagegen gestimmt (Der Bund hätte zu viel Macht gegenüber den Ländern), aber in einer 2. Abstimmung erklärt, daß das GG auch in Bayern gilt, da sich bayern nicht von der Bundesrepublik abspalten wollte.

      Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 Mitgliedern (CDU/CSU,SPD,FDP,LDP,DVP,KPD,DP,Zentrum)

  • F
    Franz

    Wie sich das deutsche Volk eine Verfassung geben kann, ist definiert. Die Frage ist nur, ob das Volk das überhaupt will?

     

    Auch sind die 2+4 Verträge ein etwas undurchsichtiges Vertragswerk, gespickt mit Verweisen und Beziehungen etc.

     

    Dieses Eisen wird so schnell niemand schmieden. Es ist kompliziert und langwierig.

  • K
    klov

    erstens: das gg stellt keine verfassung dar, sondern nur eine vorstufe. zumal eine verfassung durch das volk gebilligt wird.

    zweitens: dieses gg wurde dem land aufgedrückt und es wurde der auftrag ausgegeben sobald dieses land wiedervereinigt ist muss!!! es sich selbst eine eigens erstellte verfassung geben und dies ist seit mehr als dreizehn jahren überfällig und deshalb sollte jeder bürger wissen das dieses gesetz unnichtig ist, weil es nicht durch durch das volk angesegnet wurde

    drittens: ist das gg nicht das einzige gesetzesproblem, sieht man sich bgb an ist dies auch überarbeitungswürdig oder neufassungswürdig. hier gibt es noch mehr unnötige gesetze die zum teil aus bismarks zeiten kommen und nicht mehr zeitgemäß sind.

     

    ich habe aber die hoffnung auf eine änderung verloren, da dies alles zur erhaltung des goldenen käfig beiträgt und die menschen an ihren fesseln hält. die menschen sind einfach nicht bereit sich loszumachen davon und in mündigkeit, gleichheit, freiheit und vorallem brüderlichkeit zu leben

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @klov:

      Sich vom Grundgesetz gefesselt zu fühlen, ist fast noch origineller als der Quatsch, den Sie übers Verfassungsrecht verbreiten.

  • Verfassung? Das lese ich lieber einen "Landser". Danach weiß ich besser Bescheid, was im Falle von abartigen Demokratiebewegungen angesagt ist.

  • (Fortsetzung)

     

    Die verfassunggebende Gewalt aber kann nur durch Abstimmung herbeigerufen werden. Stellt sich die Frage, wann die Deutschen jemals darüber abgestimmt haben sollen. Das Innenministerium beantwortet solche Fragen nicht, da sie "rechtsradikalen Charakter haben und wir auf solche Fragen nicht antworten."

     

    Davon abgesehen, dass eine Präambel nur ein hübsches Grundstatement darstellt und keinerlei Gesetzescharakter besitzt, ist der Geltungsbereich jetzt angeblich "jeder Deutscher" – was für im Ausland lebende Deutsche schon mal äußerst problematisch werden dürfte, da schließlich für Sie die Verfassung des jeweiligen Staates gilt, in dem sie sich aufhalten.

     

    Insofern: Eine Verfassung? Gerne! Wäre auch nötig, um die Souveränität Deutschlands wirklich herbeizuführen (und es wäre durchaus interessant, ob die Passivität der Regierung im Zusammenhang mit der NSA-Affäre durch diesen eben nicht-souveränen Status begründet ist). Aber bitteschön nur über die verfassunggebende Gewalt, nicht über Politiker, die Lobbyinteressen hinterherrennen.

  • In diesem scheinbar so positiven Artikel stecken einige sehr grobe Verdrehungen und eine riesige Gefahr für die Demokratie:

     

    Das Grundgesetz war niemals eine Verfassung und ist keine. Es ist eine Rumpfgesetzgebung für den besetzten Staat Deutschland gewesen, wie auch von Carlo Schmidt eindeutig definiert. Artikel 146 macht dies zusätzlich klar: "Dieses Grundgesetz … verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

     

    Dies betont auch, wer der einzige ist, der grundlegende Veränderungen – insbesondere was die unveränderlichen ersten 40 Artikel betrifft, die den Bürger vor zu viel Einflussnahme des Staates schützen sollen – vornehmen darf: Die verfassunggebende Gewalt ist einzig und allein dem Souverän gegeben. Das sind weder die Politiker, deren Wirken so im Schnitt auf alles andere hindeutet als das Gemeinwohl der Bevölkerung zu schützen, noch die Richter des "Verfassungs"gerichts: Es ist der Bürger.

     

    Bestrebungen, Art. 146 zu erfüllen, wurden in der Vergangenheit von der Politik jedoch mit einer Vielzahl von Begründungen abgeschmettert. Petitionen dieser Art werden vom Petitionsausschuss des deutschen Bundestags nicht zugelassen.

     

    Bleibt noch der Hinweis auf den völlig gesetzwidrig herbeigeführten Ersatz des Artikels 23, der den Geltungsbereich des Grundgesetzes definierte. Waren dort früher die alten Bundesländer aufgelistet, findet sich heute dort eine Absichtserklärung zum geeinten Europa, somit ein völlig anderer Kontext. Da ein Gesetz ohne Gültigkeitsbereich komplett nichtig ist, hat man versucht, dies durch die erlogene Präambel nachzubessern: " … hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben."

     

    (Fortsetzung folgt, die Beiträgslänge von 2000 Zeichen erlaubt dies nicht anders)

    • M
      Mephisto
      @BvW:

      "Dies betont auch, wer der einzige ist, der grundlegende Veränderungen – insbesondere was die unveränderlichen ersten 40 Artikel betrifft,..." Wie kommen Sie darauf? Unveränderlich (durch die Ewigkeitsklausel geschützt (Art.79 Abs.3)) sind lediglich Art. 1 und Art.20 (1 UND 20, nicht 1 BIS 20)...die gemeinhin als FDGO (Freiheitliche demokratisch Grundordnung) genannt werden. Alle anderen Artikel können durchaus verändert werden.

      • @Mephisto:

        Ob und wie weit grundlegende Änderungen am GG durch den Gesetzgeber zulässig sind, darüber streiten sich die Juristen. Siehe dazu auch die Kommentarreferenzen im Beitrag "Ewigkeitsklausel" bei Wikipedia.

         

        Vielleicht hätte ich es besser so ausdrücken sollen: Eine in weiten Teilen grundlegende Änderung des GG käme einer Verfassung gleich, für die es nach Auffassung einiger Juristen, Politiker und Bürger seit der Wiedervereinigung höchste Zeit ist. (Das Verfassungsgericht kann aus Art. 149 allerdings keine Pflicht ableiten, was als Begründung genommen wird, solche Bestrebungen zu torpedieren).

         

        Und über eine Verfassung kann in einem demokratischen Staat nur der Souverän entscheiden.

  • WI
    Wilhelm II.

    Warum schreibt jede Seite, dass Deutschland eine Verfassung hat, wenn dem nicht so ist. Da platzt mir echt der Kragen, habe es mal abgetippt (Artikel 146):

     

    „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

    • M
      Montezuma
      @Wilhelm II.:

      Mit dem Passus "von dem deutschen Volke" ist nicht der mündige Wähler gemeint, sondern das Stimmrecht des ("in freier Entscheidung" = Wahl) gewählten Abgeordneten im Bundestag.

       

      Der normale Bürger würde keinen Vorteil aus einer Verfassung, ggü. des GG, ziehen… insbesondere da es keine parteilosen Abgeordneten gibt, die nur ihrem Gewissen (und moralisch den Wählern) verpflichtet sind.

  • T
    ThorstenSterk

    Über eine Verfassung sollte das Volk in einem Referendum entscheiden, nicht der Bundestag. So ist es in anderen Ländern gang und gäbe.

  • H
    Haifisch

    Ich halte das für unnötig. Das GG würde aufgeblasen und für Laien alles andere als verständlicher, eher noch abschreckender. Es steht nicht umsonst häufig dabei "das nähere regelt ein Bundesgesetz". Verfassungsrecht ist nunmal kein Pappenstiel.

    Immerhin haben sie nicht gefordert, das GG zu gendern. Dann wäre es nämlich tatsächlich und im wahrsten Sinne unleserlich.

  • O
    Omar

    Wie sie selbst auf dem Bild lesen können steht da drauf "für die " und nicht der Bundesrepublik...... von daher ist der artikle unsinnig... schon bei der einleitung liegen sie Falsch..... garnicht s haben "wir" uns gegeben.... uns wurde gegeben.... Über die Verfassung wurde bis heute nie abgestimmt...

     

    Die Allierten Vorbehalte wurden auch über den 2+4 Vertrag gerettet und in zusatz protokollen vereinbart....

     

    daher auch die aktuelle leisetretterei der Verantwortlichen Politik Eliten Berlins, in Punkto NSA....

     

    Die US machen nichts was nicht irgendwo auch "zugesichert" wurde...

     

    Eigentlich haben die "Deutschen" noch was nachzuholen.. was bei der Wende vergessen wurde..... Sich zu konstituieren.. stattdessen wurde einfach EU recht übergestülpt...

  • J
    Jengre

    Das könnte auch enorm nach hinten losgehen: Zum Beispiel, wenn bei der Gelegenheit die Mehrheitsparteien die marktwirtschaftliche Ordnung mit freiem Wettbewerb und freienm Kapitalverkehr ins Grundgesetzt aufnehmen wollen (wie in der geplanten EU-Verfassung). Jede Kapitalismuskrititik wäre dann verfassungsfeindlich und könnte verfolgt werden.

  • K
    Klarsteller

    Das GG war nie eine Verfassung, denn diese gibt sich das Volk selbst in einer Abstimmung. Das war beim GG nie der Fall.

  • S
    Semilocon

    "Die Verfassung muss für alle verstehbar sein und nicht elitär sein" - "Für die Auswahl könnte eine Verfassungskommission aus PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und VerfassungsrichterInnen eingesetzt werden." Da fehlen die Bauarbeiter, Arbeitslosen und Sekretärinnen, damit es nicht elitär und schwer zu verstehen ist.

    • D
      dave
      @Semilocon:

      Ja aber wenn jeder Gesetze verstehen könnte was sollen dann die ganzen Juristen machen ich mein wer sitzt sonst im Bundestag?