Kölner Kardinal und Muslime: Meisner gibt den Sarrazin
Joachim Meisner ist eine kinderreiche katholische Familie lieber als drei muslimische. Hinterher will der Kölner Kardinal alles nicht so gemeint haben.
BERLIN taz | Der Kölner Kardinal Joachim Meisner bedauert seine Bemerkung über muslimische Familien. „Es war keineswegs meine Absicht, Menschen anderen Glaubens damit zu nahe zu treten“, sagte er am Mittwoch. „Meine Wortwahl war in diesem Fall vielleicht unglücklich.“
Meisner hatte vergangenen Freitag Mitglieder einer erzkatholischen Bewegung dafür gelobt, große Familien mit bis zu zehn Kindern zu gründen: „Ich sage immer, eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“
Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte den Satz aus einem Videomitschnitt zitiert, den das Erzbistum ins Internet gestellt hatte. Meisners Aussage stieß bei Politikern und Muslimen auf Kritik. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sprach von der „persönlichen Meinung eines katholischen Würdenträgers“, die sie nicht kommentiere, „auch wenn ich sie nicht verstehe“.
Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) sagte, würde ein muslimischer Würdenträger einen solchen Satz formulieren, ginge „ein Empörungsschrei durch die Gesellschaft“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warf Meisner vor, er bediene Ressentiments, „die wir so von der katholischen Kirche und besonders vom neuen Papst nicht kennen“. Er sieht hinter Meisners Worten den Versuch „sich mit Sarrazin-ähnlichen Äußerungen über Muslime einen rustikalen Abgang zu sichern“.
Meisner rechnet damit, dass ihn Papst Franziskus schon bald in den Ruhestand entlassen wird. In Köln hatte er vor Angehörigen des Neokatechumenalen Weges gesprochen. Diese katholische Erneuerungsbewegung des spanischen Laienpredigers Kiko Argüello vertritt ein erzkonservatives Familienbild. Kritiker werfen ihr vor, autoritäre Strukturen wie eine fundamentalistische Sekte zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Spaniens Staatschef im Nahkampf
Ein König mit Cojones
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala