Zentralafrikanische Republik: Warum Ruanda aktiv eingreift
Ruanda entsendet Soldaten in die Zentralafrikanische Republik. Damit will es einen Völkermord, wie es ihn 1994 im eigenen Land gab, verhindern.
KIGALI taz | Zwanzig Jahre nach dem Völkermord in Ruanda hat das Land 850 Soldaten in die Zentralafrikanische Republik entsandt. Dort sind sie für die Entwaffnung der Milizen zuständig. Sie schützen die Staatsgebäude in Bangui sowie die neu ernannte Präsidentin Catherine Samba-Panza. Zudem sichern Ruandas Soldaten einen 700 Kilometer langen durch das Land gehenden Korridor, um Hilfsgüter in abgelegene Gegenden zu transportieren. Die amerikanische Luftwaffe hat die rasche Entsendung in die rund 1.500 Kilometer Luftlinie von Kigali entfernte Hauptstadt Zentralafrikas ermöglicht.
Misca heißt die Mission der Afrikanischen Union (AU), an der ebenso Soldaten aus Burundi, Kamerun, Gabun und Tschad beteiligt sind. Die Demokratische Republik Kongo hat ebenfalls 850 Mann versprochen. Doch deren Armee hat Probleme, ihre Männer ins nördliche Nachbarland zu transportieren.
Ruanda beteiligt sich seit zehn Jahren an Friedensmissionen der UNO und AU. Seine Armee gilt als disziplinierte Armee, die in den vergangenen Jahren viel Erfahrung in Friedensmissionen auf der ganzen Welt, vor allem aber in Afrikas Krisenherden gesammelt hat. Im Jahr 2004 gedachte Ruanda gerade des Völkermords im eigenen Land 1994, als die Krise in Darfur in ethnische Säuberungen mündete. Da schickte Ruandas Armee über 2.500 Mann in die Wüste, um die Vertreibungen zu stoppen.
■ Frankreich: ca. 1.600 Soldaten, seit 5. Dezember 2013 in Ausweitung des französischen Dauerkontingents im Land
■ Afrikanische Union: derzeit 5.305 Mann, seit 19. Dezember 2013; Truppensteller: Kongo-Brazzaville, Ruanda, Burundi, Tschad, Dem. Rep. Kongo, Kamerun, Gabun, Äquatorialguinea
■ Europäische Union: ca. 500 Soldaten, beschlossen von EU-Außenministern am 20. Januar 2014, UN-Mandat am 30. Januar; Einsatzkonzept und Zusammensetzung stehen noch aus.
Ruandische Polizisten wurden seitdem in den UN-Missionen in Haiti und Sudan stationiert. In Mali sind seit 2013 ruandische Soldaten aktiv. Ruanda gilt als weltweit sechstgrößter Truppensteller in Friedensmissionen.
„Es kann einfach nicht angehen, dass wir zwanzig Jahre nach dem Genozid wieder Milizen mit Macheten über die TV-Monitore tanzen sehen und niemand etwas dagegen tut“, sagt Ruandas Armeesprecher General Joseph Nzabamwita in Hinblick auf Zentralafrika.
Kleines Land, große Armee
1994 habe die Weltgemeinschaft das ruandische Volk im Stich gelassen, als radikale Hutu-Milizen die Tutsi mit Macheten in Stücke hackten. Erst nach hundert Tagen konnte die Tutsi-Befreiungsarmee den Völkermord stoppen. „Wir sind stolz, dass wir unsere Probleme selbst gelöst haben. Heute fühlen wir uns berufen, anderen afrikanischen Völkern zu helfen“, sagt Nzabamwita. "Wir sind eine vorbildliche UN-Nation."
Truppen in internationale Missionen zu entsenden hat vor allem für diejenigen Länder Sinn, die selbst einst Krisenländer waren. Ruanda, das kleine Land mit nur rund 11 Millionen Einwohnern, leistet sich eine 50.000 Mann starke Armee. Es wäre sinnvoll, die Truppenstärke zu reduzieren, doch die Arbeitslosenquote unter jungen Männern ist ohnehin gewaltig.
Gleichzeitig muss Ruanda knapp 12.000 gut trainierte Ex-Hutu-Kämpfer der im Kongo aktiven ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) integrieren, die in den vergangenen zwölf Jahren aus dem Kongo in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Oft können diese Männer nichts anderes als mit der Waffe umgehen. Ruanda hat jüngst diese ex-FDLR-Kämpfer in die Friedensmissionen nach Darfur und Haiti entsandt. In Bangui kommen sie nicht zum Einsatz - dafür ist diese Mission zu heikel.
Unter dem Dach einer gemeinsamen afrikanischen Sicherheitspolitik errichten die AU-Staaten derzeit regionale schnelle Eingreiftruppen, um in Krisenherden vor ihrer Haustür intervenieren zu können. Uganda, Kenia und Ruanda haben diese Einheiten für Ostafrika bereitstehen. „Wir können innerhalb von zwei Wochen überall Truppen hinschicken“, versichert Armeesprecher Nzabamwita.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“