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Interview mit Berlins Finanzsenator„Geld reizt mich nicht“

Gibt es gutes Geld und schlechtes Geld? Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) meint: Nein.

Er ist fürs Berliner Geld verantwortlich: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) Bild: dpa
Uwe Rada
Bert Schulz
Interview von Uwe Rada und Bert Schulz

taz: Herr Nußbaum, gibt es gutes und schlechtes Geld?

Ulrich Nußbaum: Es gibt erst mal Geld. Dann stellt sich die Frage: Was mache ich damit? Ich kann gute Dinge machen, ich kann aber auch weniger gute Dinge machen. Wobei auch das auf die Sichtweise ankommt.

Es kommt also darauf an, wer das Geld hat und welches Motiv er verfolgt?

Geld ist in einer modernen Gesellschaft zunächst ein Austauschmittel. Das können Bitcoins im Internet sein oder Euro in echten Münzen. Aber es kann auch, wie der Euro, ganze Nationen zusammenhalten. Geld hat also immer mindestens zwei Funktionen: die eines Zahlungsmittels und die einer identitätsstiftenden Verbindung und einer gestaltenden Funktion.

Also hat Geld doch eine Eigenschaft.

Jetzt, wo Sie das so sagen und wir das gemeinsam entwickeln, kann man das so formulieren.

Im Interview: Ulrich Nußbaum

56, ist seit 2009 Berliner Finanzsenator. Der Nachfolger von Thilo Sarrazin gehört keiner Partei an. Zuvor war er Finanzsenator in Bremen.

Wenn die Schweizer Abendrot-Stiftung das Holzmarkt-Gelände an der Spree kauft und in Erbpacht an die Kater-Holzig-Leute gibt, ist das dann gutes Geld – weil es für eine gute Sache ist?

Die Abendrot-Stiftung ist eine Pensionskasse. Selbstlos sind die auch nicht, sie müssen ja Pensionen auszahlen. Die streben laut eigener Website eine Rendite von über 6 Prozent an. 6 Prozent in Zeiten, wo man vielleicht grade einmal 2 Prozent realisieren kann, ist schon eine tolle Rendite.

Gutes Geld?

Geld spielt in Berlin eine Rolle

Mehrere Meldungen über den Umgang mit Geld haben zuletzt die hiesigen Schlagzeilen bestimmt. Unklar ist, welche Auswirkungen die Fälle haben werden.

BVG: Im Jahr 2007 spekulierten die Verkehrsbetriebe an den Finanzmärkten und hofften auf einen Millionengewinn. Die Verantwortlichen, darunter der damalige Finanzsenator und BVG-Aufsichtsratschef Thilo Sarrazin, hatten von den Vertragsinhalten nichts verstanden. Rund 150 Millionen Euro haben die Verkehrsbetriebe als Verlust aus dem riskanten Spekulationsgeschäft verbuchen müssen. Sie klagen derzeit in London gegen die Zahlung.

Hertha BSC: Der Bundesliga-Aufsteiger leistet Pionierarbeit: Als erster deutscher Profiklub verkaufte Hertha vor einer Woche Anteile an den US-Finanzinvestor KKR, der insgesamt über 60 Millionen Euro überwies. Der Haken: Frühere Beteiligungen presste KKR zwecks Rendite gnadenlos aus.

Schmitz: Der allseits anerkannte Kulturstaatssekretär André Schmitz hat Steuern hinterzogen. Strafrechtlich ist die Sache längst behoben, weshalb der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit ihn im Amt behielt. Als der Fall nun bekannt wurde, trat Schmitz zurück. (tla)

Für Abendrot? Ja.

Abendrot finanziert mit dem Geld ein Projekt, das sich einen hohen Anspruch auf seine Fahne schreibt. Wie bewerten Sie das?

Das will ich gar nicht bewerten. Ich bin Finanzsenator. Als solcher gestehe ich ein: Man kann eine Gegenleistung auch in einer anderen Währung als Geld erbringen. Also durch ein tolles Projekt für die Stadt, Arbeitsplätze oder andere Mehrwerte für Berlin. Ob ein solcher Mehrwert von den Leuten der Holzmarkt-Genossenschaft auf dem Grundstück verwirklicht wird, das muss die Stadt beurteilen.

Das alles wäre das Thema gewesen, wenn Sie das Grundstück nicht im Bieterverfahren – also an den Meistbietenden –, sondern im Konzeptverfahren vergeben hätten.

Genau: Wenn es ein Konzeptverfahren gewesen wäre, hätte ich da genau hingeschaut. Und das Grundstück später wieder zurückgefordert, wenn es den vereinbarten Mehrwert für die Stadt nicht gegeben hätte. Da sie aber das höchste Angebot gemacht haben, sind sie von alldem freigestellt. Ich will nur davor warnen, den Projekten, die augenscheinlich im Mantel des Gutmenschentums daherkommen, gleich eine solche Bedeutung zu geben, dass ich dafür im Namen der Steuerzahler ohne Prüfung auf Geld verzichte.

Wann wären Sie dazu bereit?

Wenn die Macher eines Projektes nachhaltig, also über einen längeren Zeitraum hinweg, gezeigt haben, dass das Ganze wirklich wertvoll für die Stadt ist.

Lässt sich das errechnen?

Und in Geld aufwiegen? Ich kenne bislang leider keinen Algorithmus, der es ermöglicht, diese Umrechnung transparent und auch nachvollziehbar für die Steuerzahler vorzunehmen. Sicher gibt es Interessengruppen, die dem Projekt nahestehen. Die nehmen einen großen Umrechnungsfaktor und sagen: Ein Quantum Holzmarkt ist tausend Euro wert. Andere würden sagen: Wir hätten da gerne ein Altenheim, also ist für diejenigen ein Quantum Holzmarkt nur einen Euro wert. Die Frage ist: Wie organisieren Sie in einer Stadtgesellschaft bei unterschiedlichen Interessen eine Bewertung?

Sie haben da den Begriff „Stadtrendite“ ins Spiel gebracht.

Stadtrendite ist im Idealfall der Konsens in der Stadt, dass ein Projekt einen Wert hat, der über das reine Geld hinausgeht.

Wie können Sie mit dem Begriff abwägen, was eine Stadt mehr braucht: einen Kindergarten oder ein Studentenwohnheim?

Bei widerstreitenden Nutzungskonzepten muss der Senat einen Vorschlag machen. Wenn es Streit gibt, muss das Parlament entscheiden und nicht ein runder Tisch oder selbst ernannte Interessenvertreter.

Ist es bei schlechtem Geld ähnlich kompliziert? Hätten Sie die Wohnungsbaugesellschaft GSW an einen Finanzinvestor wie Cerberus privatisiert?

Entscheidungen im Nachhinein zu bewerten ist nicht fair. Aber wenn Sie theoretisch fragen: Ich hätte mir zunächst die Frage gestellt, ob ich die GSW überhaupt verkaufen muss. Deshalb will ich mit unserem Haushalt ja so wirtschaften, dass wir nicht in den Zwang geraten, an den Erstbesten und auch nicht an jeden Finanzinvestoren zu verkaufen.

Diese Wahl haben Sie nur, wenn Sie es sich leisten können. Ist die Frage nach gutem Geld also etwas für Wohlhabende?

Nicht unbedingt. Aber Sie müssen es sich leisten können. Zunächst müssen Sie, ob als Stadt oder als Privatperson, ihre Grundbedürfnisse bezahlen. Ich kann ja als Land eine Kindergärnerin nicht mit Holzmarkt-Anteilsscheinen bezahlen. Erst wenn ich über die Grundbedürfnisse hinaus Überschüsse habe, kann ich für einen guten Zweck auf Geld verzichten.

Als Finanzsenator haben Sie mit dem Thema „gutes Geld“ tagtäglich zu tun. Wenn Sie Grundstücke verkaufen, stellt sich ja auch die Frage, von wem das Geld kommt.

Noch mal: Erst wenn der Haushalt in Berlin Überschüsse generiert, kann ich es mir erlauben, nicht an den zu verkaufen, der den höchsten Preis bezahlt. Das ist ja genau das Thema der neuen Liegenschaftspolitik, die übrigens von der Finanzverwaltung entworfen wurde. Wir verkaufen nicht mehr um jeden Preis, sondern wir überlegen, was mit einem Grundstück passiert.

Die entscheidende Frage ist also nicht, woher das Geld kommt, sondern was damit gemacht wird?

Und wie ich langfristig sicherstellen kann, dass dieser „gute Zweck“ für die Stadt erhalten bleibt.

Gibt es einen Reiz des Geldes?

Für mich hat Geld keinen Reiz. Ich bin nicht Dagobert Duck, der da jeden Morgen eintaucht in seinen Goldhaufen. Geld ist für mich ein Steuerungsmittel, um Ziele zu erreichen.

Sie sind doch auch Unternehmer.

Es hat trotzdem keinen darüber hinausgehenden Reiz. Wir wollen als Senat inhaltliche Ziele erreichen. Wenn ich Geld habe und in die richtigen Bereiche leite, kann ich zum Beispiel Bildungschancen von Migrantenkindern verbessern. Oder Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt bringen. Da habe ich mit Geld etwas Gutes erreicht.

Wo investieren Sie denn als Privatmann Ihr Geld?

Ich spreche hier als Finanzsenator. Privates bleibt privat.

Dieses Interview ist Teil des Schwerpunkts "Gutes Geld, schlechtes Geld" in der Wochenendausgabe der taz.berlin. Am Samstag in Ihrem Briefkasten, oder am Kiosk.

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