piwik no script img

Venezuelas Opposition demonstriertLeopoldo López stellt sich der Polizei

Anti-Chavisten und Regierungsanhänger auf den Straßen Caracas: Oppositionsführer López gab den Einpeitscher und wurde dann von Beamten weggefahren.

Leopoldo López auf dem Sockel der Statue von José Marti de Chacaito. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | Venezuela erlebte einen spannungsgeladenen Dienstag in Rot und Weiß. Zumindest bis zum frühen Nachmittag waren die Demonstrationen von Regierungsanhängern und der Opposition friedlich verlaufen. Ein massives Aufgebot an Polizei und Nationalgarde sorgte dafür, dass sich beide Seiten an keinem Punkt in der Hauptstadt Caracas begegneten. Der mit Haftbefehl gesuchte Oppositionsführer Leopoldo López marschierte zwar nicht wie angekündigt zum Innenministerium, stellte sich aber den Behörden.

Polizei und Armee hatte den Treffpunkt der Opposition, die Plaza Brión im Stadtteil Chacaito, bereits am frühen Dienstagmorgen weiträumig abgesperrt. Allen Personen wurde der Zugang zum Platz verwahrt.

Die ankommenden Demonstranten versammelten sich auf der nahen Plaza José Marti de Chacaito. Bis zum Mittag hatte sich die Plaza weitgehend gefüllt. Wie in den Aufrufen gefordert, trugen die meisten weiße Hemden oder T-Shirts.

Kurz vor 12.00 Uhr Ortszeit stieg Leopoldo López auf den Sockel der Statue von José Marti de Chacaito und wandte sich über Megafon an die Demonstranten. „Dies ist ein dunkler Moment, in dem die Delinquenten von der Regierung ausgezeichnet werden, und wir Venezolaner, die wir einen friedlichen Wandel wollen, wollen sie einsperren.“

Druck der Straße

Er werde weder Venezuela verlassen noch sich verstecken, versicherte López. „Ich werde mich dieser ungerechten und korrupten Justiz vorstellen.“ Seinen Anhängern rief er zu, Venezuela brauche einen friedlichen Ausweg, im Rahmen der Verfassung, aber durch den Druck der Straße.

Kurz darauf stieg er vom Sockel und ging Richtung der Absperrung der Nationalgarde. Begleitet von einigen Journalisten und Anhängern überstieg er die Sperrgitter, stellte sich den Beamten der Nationalgarde und wurde in einem Fahrzeug weggefahren.

López wurde seit Mittwoch vergangener Woche per Haftbefehl gesucht. Die venezolanische Justiz wirft ihm Aufstachelung zu den jüngsten gewaltsamen Protesten vor. Drei Menschen waren dabei ums Leben gekommen und zahlreiche weitere Personen waren durch Schüsse verletzt worden.

Videobotschaft von López

López war seither untergetaucht, hatte aber über eine Videobotschaft zur heutigen Demonstration aufgerufen und angekündigt, zum Innenministerium zu marschieren, um Dokumente zu übergeben, die die tatsächlich Schuldigen zeigen sollen: Mitglieder bewaffneter Banden, die unter Duldung der Polizei auf friedliche Demonstranten losgehen.

Die Regierung dagegen hatte schon vergangene Woche eine Demonstration der Ölarbeiter für den Dienstag angekündigt. Durch die Gleichzeitigkeit mit dem Protest der Opposition bekam die Veranstaltung jedoch eine völlig neue Bedeutung.

Tausende Arbeiter des staatlichen Ölkonzerns PDVSA aber auch Anhänger der chavistischen Regierungspartei Partei versammelten sich in roten Hemden am frühen Morgen auf der Plaza Venezuela, um von dort zum Präsidentenpalast zu ziehen. Eigentlicher Anlass war die Übergabe des neuen kollektiven Arbeitsvertrages der 53.000 PDVSA-Mitarbeiter an Präsident Nicolás Maduro.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • E
    Eskimo

    @Neu

    Das ist gar keine große Kunst. In der DDR hatten wir immer den Witz: Führe in der Antarktis die Planwirtschaft ein und du schaffst es sogar dort, dass Eiswürfel knapp werden.

  • N
    NEU

    Was ich nicht ganz verstehe ist das Venezuela trotz der riesigen Menge an Öl so viele wirtschaftliche Probleme hat.

  • NK
    Netter Karpfen

    Aktuelle Nachricht: Genesis Carmona, ehemalige Teilnehmerin an der Wahl zu Miss Venezuela, wurde gestern in Valencia in den Kopf geschossen während sie friedlich protestierte und verstarb heute 22jährig im Krankenhaus. RIP!

    Gestern hatte der Gouverneur von Carabobo Francisco Ameliach via Twitter die Einheiten der "Unidade de Batalla Bolivar-Chavez" zur "fulminanten Gegenattacke" aufgerufen.

    Damit ist sie nach den Todesschüssen der Leute vom "Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional" das fünfte Opfer der schießwütigen Regierungstruppen.

    Langsam sollte auch dem letzten Gutgläubigen klar werden, wer hier einen Bürgerkrieg anzettelt.

  • Gähn - das alles kennt man doch schon von 2002. Wie man einen Bürgerkrieg anzettelt oder das zumindest versucht, konnte sich die rechte Opposition in den letzten Jahren auch zur Genüge an- und abschauen. War doch klar, dass die sich nach der Randale in Folge ihrer Wahlniederlage mit derselben nicht abfinden ...

  • S
    Sozialist

    Wann begreifen die Menschen endlich, dass dieser totalitäre und korrupte Klüngel in Miraflores, dem es nur um persönlichen Machterhalt geht, der mit seinem Staatskonzernkapitalismus Ölmilliarden in private Taschen lenkt, der die demokratische Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und Justiz aufgelöst hat und der jede kritische Stimme brutal Unterdrückt absolut nichts mit dem Sozialismus zu tun hat, den sich Marx einmal vorgestellt hat. Schulen, Krankenhäuser und Almosen für die von der Oligarchie vernachlässigten Armen und ein paar böse Worte gegen den bösen Imperialisten im Norden, dem man weiterhin sein Öl verkauft machen noch lange keinen Sozialismus. Und Schüsse auf demonstrierende Studenten sind eine Schande für jeden, der sich zum demokratischen Sozialismus bekennt. Jeder ehrliche Sozialist müsste vor Wut rot anlaufen, wenn er sieht wie Maduro & Co. ein Ideal in den Dreck ziehen.

  • H
    Hansi

    Absolute Zustimmung @Gast

     

    "Reich, CIA, Rassisten, Putsch, Faschisten" sind die von deutschen Salonzozialisten gern gebrauchten Begriffe im Zusammenhang mit den Protesten in Venezuela. Auf den Bildern von zigtausenden weiß gekleideten Demonstranten habe ich gestern etwas anderes gesehen. Wenn das die Reichen gewesen sind, dann gibt es verdammt viele Reiche im Land. Wenn das ein CIA-Putschversuch war, ist die CIA ein ziemlich müder Hippie-Haufen geworden. Ich habe schwarze und weiße "Rassisten" gemeinsam demonstrieren gesehen. Faschisten? Diesen Vergleich finde ich ehrlich gesagt eine ganz schreckliche Verharmlosung des Faschismus und einen Schlag ins Gesicht von allen Opfern des wahren Faschismus.

     

    Naja, die Geschichte dreht sich weiter, aber manche Menschen lernen halt nicht dazu. Die Mauer, die Menschen einsperrte, war ja auch ein "antifaschistischer Schutzwall" und 100.000 friedliche Demonstranten in Leipzig waren "von westlichen Geheimdiensten bezahlte Störer und Asoziale Subjekte".

  • G
    Gast

    Was mich seit einigen Tagen an dieser Geschichte am meisten wundert, sind die zahlreichen Kommentare in Foren hierzulande mit haarsträubenden Rechtfertigungsversuchen für Schüsse auf demonstrierende Studenten.

     

    Man stelle sich mal ein rein fiktives Szenario bei uns vor:

    Ein breites Bündnis linker Gruppen, Antifa, Partei Die Linke u.s.w. ruft zu einer Großdemo am 1. Mai in Berlin auf. Ziel ist die Kritik an Merkels fataler Europapolitik, Sozialabbau, NSA-Überwachung, Abschiebepolitik und der Sturz des kapitalistischen Systems sowieso. Während der Demo kommt es, nach dem traditionell symbolischen "Entglasen" einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu vereinzelten Stein- und Molli-Würfen aus dem Schwarzen Block gegen die zahlreich und aggressiv vertretene Polizei. Die reagiert mit scharfen Schüssen auf die Demo. Von der Regierung in den letzten Jahren bewaffnete Bürgerwehren aus Zehlendorf gehen auch nicht zimperlich gegen die Demonstranten vor. Am Ende gibt es gibt es zwei Tote Demonstranten und einen Toten Zivilpolizisten, der sich als Agent Provocateur in die Demo gemischt hatte. Die Regierung verurteilt einen gewalttätigen Putschversuch, verweist auf Cuba-Fahnen und Guevara-T-Shirts in der Demo und darauf, dass Cuba in der Geschichte oft seine Revolution ins Ausland exportieren wollte, verspricht Harte Hand gegen die vom Ausland angestachelten Randalierer und verhaftet einen führenden Politiker von Die Linke, weil dieser zur Demo aufgerufen habe und damit für die Toten verantwortlich sei.

     

    Alles pure Fiktion natürlich. Ich wäre aber extrem Neugierig auf die Kommentare derjenigen, die hier sicher gleich wieder Arien über "US-hörige reiche faschistische Putschisten" singen werden. Sicher fänden sie das staatliche Vorgehen total o.k.

    • J
      JK
      @Gast:

      word up!

  • K
    Klasse

    Noch mehr Tabuisierung, noch mehr Kriminalisierung, ob das positive Wirkung entfalten kann? Ich bezweifle es.

    Blasen wir zur Hexenjagd, versperren wir jeden Rückweg zur Legalität und drängen wir wahre Täter wie Verdächtige in eine Ecke, aus der sie sich nicht mehr befreien können.